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Kritik am Meinungsmonopol

Inmitten des Karikaturenstreits hat sich in Dänemark ein "Netzwerk der Demokratischen Moslems " gegründet. Das Bemühen um Dialog wird parteiübergreifend gelobt, doch es gibt auch kritische Stimmen. Sie warnen, dem Netzwerk einen Alleinvertretungsanspruch zu überlassen. Marc-Christoph Wagner berichtet aus Kopenhagen.

    Der mediengewandte dänische Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen und seine Berater werden es gewusst haben. Inmitten des internationalen Aufruhrs um die Mohammed-Karikaturen würde das Interesse der Medien enorm sein, die Bilder des Regierungschefs im Dialog mit dänischen Moslems um die Welt gehen:

    "In den letzten Wochen wurde von Dänemark das Bild einer geschlossenen und intoleranten Gesellschaft gezeichnet, was nicht der Wirklichkeit entspricht. Ich bin froh, dass die Mitglieder dieses Netzwerkes sehr aktiv versucht haben, dieses Bild zu korrigieren."

    Nach den Londoner Bombenanschlägen im vergangenen Jahr hatte Rasmussen die dänischen Imame zu einem Gespräch gebeten, um mit ihnen zu diskutieren, wie ein solcher Terrorakt auf dänischen Boden verhindert werden könne. In der vergangenen Woche kündigte Integrationsministerin Rikke Hvilshoj den religiösen Führern die Freundschaft. Die Rolle der Imame bei der Verbreitung der Karikaturen in der arabischen Welt habe gezeigt, so Hvilshoj, dass diese an der Integration und einem friedlichen Miteinander nicht interessiert seien. Dafür wolle man sich nun zunächst ganz auf den Dialog mit dem "Netzwerk Demokratischer Moslems" konzentrieren. Dessen Gründer und Sprecher, Naser Khader, in den Abendnachrichten des dänischen Fernsehens:

    "Wir haben heute viel über den Ton und die Generalisierungen in der öffentlichen Debatte mit Blick auf den Islam und die Moslems gesprochen. Wir haben dafür plädiert, die jetzige Krise zum Anlass zu nehmen, die Integrationspolitik gründlich auf den Prüfstein zu stellen. Gibt es Dinge, die wir falsch gemacht haben oder besser machen können? Wir wollen gerne unseren Teil der Verantwortung übernehmen, haben den Ministerpräsidenten aber gleichzeitig aufgefordert, niemanden auszuschließen."

    700 aktive und 2500 passive Mitglieder, dazu viel öffentlicher Zuspruch sowie ein Treffen mit dem dänischen Regierungschef – nur die wenigsten Mitglieder des "Netzwerkes Demokratischer Moslems" dürften eine solche Entwicklung vorhergesehen haben. Doch der Erfolg schafft auch Widersacher. Während des Freitagsgebetes vergangene Woche umschrieb der umstrittene Imam Abu Laban Netzwerk-Gründer Khader als einen Abtrünnigen, bezeichnete ihn als Ratte in einem Loch.

    Weniger radikal, doch aber kritisch begleiten auch andere moslemische Organisationen den Aufstieg des Netzwerkes. Dieses würde sicherlich einen Teil, doch aber nicht alle dänischen Moslems repräsentieren.

    "Es ist sehr willkürlich, wen der Ministerpräsident einlädt, und meistens sind es Leute, mit denen er sowie übereinstimmt. Ein echter Dialog aber entsteht doch nur, wenn auch diejenigen dabei sind, deren Meinung man nicht teilt."

    "Es ist wichtig, dass die Demokratischen Moslems nicht der einzige Kontakt der politischen Elite in das moslemische Milieu werden. Dadurch würde das Netzwerk ein Monopol erhalten und definieren können, wer demokratisch beziehungsweise. moderat ist."

    Und auch unter Experten gibt das Vorgehen der Regierung, deren Konzentration auf nur eine Gruppe Anlass zur Sorge. Der renommierte Religionswissenschaftler Tim Jensen von der Süddänischen Universität etwa mahnt, auch radikalere Gruppen innerhalb der islamischen Glaubensgemeinschaft nicht zu marginalisieren.

    "Ich finde es gut, dass wir alle entdecken, dass die Moslems nicht nur ein großer Block sind. Und auch den Moslems tut es gut, sich voneinander abzugrenzen und an der öffentlichen Debatte teilzunehmen. Ich aber würde mir wünschen, dass die Regierung etwa Imame wie Abu Laban nicht ausgrenzt. Denn dann riskieren wir vielleicht eine Radikalisierung, an der niemand ein Interesse haben kann."