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Kritik an geplanter Diätenerhöhung in NRW

Die Erhöhung der Abgeordnetenbezüge steht für die rot-grüne Minderheitsregierung in Nordrhein-Westfalen außer Frage. Über die Höhe der Aufstockung wird angesichts des lautstarken Protests allerdings nochmal verhandelt.

Von Barbara Schmidt-Mattern |
    "Guten Tag, darf ich Sie auch mit einladen zur Aktion 'Rote Karte' gegen die Diätenerhöhung?"

    Eberhard Kanski ist auf der Jagd. Im Herzen von Düsseldorf, unweit der mondänen Königsallee - hält er Ausschau nach Wutbürgern. Denn Kanski ist selbst einer:

    "Ich bin Vorstandsmitglied beim Bund der Steuerzahler Nordrhein-Westfalen und kümmere mich in den nächsten Tagen darum, dass die Diäten in Nordrhein-Westfalen nicht noch höher sind, wie sie jetzt schon sind."

    In ganz NRW organisiert der Verband derzeit den Protest gegen die geplante Aufstockung der Altersvorsorge für die Parlamentarier. Über die Höhe des Betrags wird angesichts der lautstarken Kontroverse wohl noch einmal verhandelt werden. Doch die Erhöhung an sich steht für die rot-grüne Minderheitsregierung und die CDU außer Frage.

    Derzeit erhalten die 181 Abgeordneten eine im Bundesvergleich sehr hohe Diät von 10.226 Euro brutto. Davon zahlen sie allerdings jeden Monat einen Pflichtbeitrag in das Renten-Versorgungswerk des Landtags. Dieser Betrag soll nun um 500 Euro steigen, finanziert durch den Steuerzahler.

    Unmöglich, findet Eberhard Kanski das. Bei dieser Passantin beißt er am Stand in der Düsseldorfer Innenstadt allerdings auf Granit. Renate Müller aus Ratingen findet die Diätenerhöhung nämlich ziemlich gut:


    "Denn wenn die Leute unabhängiger sind, dann sind die auch nicht so anfällig für solche Leute, die Geld haben, wie zum Beispiel ein Bundespräsident Wulff."

    Sylke Klinker aus Duisburg sieht das völlig anders und Eberhard Kanski vom Steuerzahler-Bund wittert seine Chance. In Windeseile manövriert er die 54-Jährige zum Stehtisch und zieht dicht bedruckte Din-A-4-Seiten hervor, mit den Daten sämtlicher Fraktionsmitglieder von SPD, CDU und den Grünen:

    "Darf ich fragen, wo Sie herkommen?"
    "Duisburg."
    "Aus Duisburg. Sehen Sie mal, das sind dann die zuständigen Abgeordneten Bischof oder Ralf Jäger."
    "Na ja, Ralf Jäger?! Oh! Solln wir's direkt an den Herrn Jäger ... ?"

    Post an den Innenminister persönlich - das gefällt Sylke Klinker. Eberhard Kanski vom Bund der Steuerzahler wird jetzt übermütig:

    "Frau Klinker, ich geb Ihnen dann auch gleich noch ein paar Postkarten mit. Die können Sie an Freunde, Bekannte, Nachbarn, Sportkollegen, Arbeitskollegen - was immer Sie haben ..."

    "Diese Kampagne ist Populismus."

    Urteilt der Düsseldorfer Politologe Ulrich von Alemann. Die Abgeordneten würden schließlich arbeiten "wie die Pferde". Und außerdem habe der Bund der Steuerzahler das geltende Gesetz in NRW selber mit abgesegnet:

    "Ich kann es auch nicht verstehen, dass der Bund der Steuerzahler sich dermaßen jetzt echauffiert, weil er damals sehr konstruktiv und vernünftig an der Regelung von 2005 mitgearbeitet hat."

    Kern der Reform war die Abschaffung sämtlicher Steuerprivilegien. Im Gegenzug wurden die Diäten massiv heraufgesetzt. Dieses Gesetz zur Bezahlung und Altersvorsorge der Landtagsabgeordneten wurde vor sieben Jahren als Meilenstein der Transparenz gefeiert:

    "Alle damaligen Experten haben gesagt: Schaut bitte nach Düsseldorf, in ganz Deutschland, ihr anderen Landtage, der Bundestag - und macht eine ähnliche Reform, denn die Abgeordneten haben nicht mehr diese Privilegien wie in anderen Landtagen."

    Doch jetzt stellt sich heraus, dass das eigens für die 181 Abgeordneten gegründete neue Versorgungswerk zu wenig Geld in der Kasse hat - seine finanzielle Grundlage könne in Zukunft gefährdet sein. Deswegen sei die Erhöhung der Altersvorsorge - also die Diätensteigerung, nötig. Diesen Zusammenhang räumt Grünen-Fraktionschef Reiner Priggen ganz offen ein:

    "Es hat sich ergeben, dass das, was das Versorgungswerk ergibt, nicht die Erwartungen erfüllt, die man damals erreichen wollte. Und dann wird man sehen, wie man das Gesetz nachher ändert. Aber dass wir das einfach so weiterlaufen lassen können, geht aus meiner Sicht nicht."

    Das sehen Liberale und Linke im Landtag anders. In einer seltenen Allianz stemmen sie sich gegen die Pläne der rot-grünen Minderheitsregierung und der CDU: In Zeiten von Eurokrise, Staatsverschuldung und unsicheren Renten sei die Erhöhung um 500 Euro nicht vermittelbar.

    Alev Demirel von der Linkspartei schnappte bei der Plenardebatte Anfang Dezember nach Luft:

    "Wenn ich jetzt daran denke, dass Ihre Fraktionen von CDU, Grünen und SPD Hartz-IV-Betroffenen zumuten, mit insgesamt 364 Euro monatlich für ihren gesamten Lebensunterhalt auskommen zu müssen, dann, meine Damen und Herren, kann ich nur eines sagen: Das ist unverschämt!"

    Den Befürwortern der Erhöhung wird es langsam mulmig. Eine unabhängige Kommission wäre vielen Abgeordneten lieber, doch das Bundesverfassungsgericht schreibt ausdrücklich vor, dass die Parlamente selbst über ihre Bezüge entscheiden. Das sei Teil der politischen Verantwortung. Zusätzlich angeheizt wird der Streit durch Vergleichsrechnungen des Erhöhungshegner.

    Diese Rechenspiele sollen belegen, dass ein Durchschnittsverdiener niemals eine solch üppige Altersversorgung erreichen könne wie ein Abgeordneter. Politologe Ulrich von Alemann hält die Diäten-Erhöhung dennoch für eine gute Sache:

    "Sie sind sozusagen unsere leitenden Angestellten, von uns, dem Volk. Und wenn man sie mit Angestellten auf Zeit vergleicht, dann kommt noch stärker dazu, dass man sie mit einer einigermaßen angemessenen Pension verbindet, damit sie danach nicht putzen gehen müssen. Es gab auch schon Abgeordnete, die haben sich danach mit einem Putzjob über Wasser gehalten."

    Mit solch dramatischen Argumenten stand der Wissenschaftler bei der Anhörung im Landtag heute Nachmittag ziemlich allein auf weiter Flur. Die Mehrheit der Experten lehnte die Aufstockung der Altersvorsorge um 500 Euro ab. So läuft für die Minderheitsregierung wohl alles auf eine rheinische Lösung hinaus: Erhöhung ja, aber geringer als geplant.