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Kritik an israelischer Kulturministerin
Oscargewinner Nattiv: "Kreativität muss völlig frei sein"

Für seinen Kurzfilm "Skin" gewann der israelische Regisseur Guy Nattiv den Oscar. Israelische Politiker feiern Film und Regisseur. Doch der geht jetzt auf Distanz zur israelischen Kulturministerin - und kritisiert ihren Versuch, israelische Filme zu zensieren.

Von Benjamin Hammer | 25.02.2019
Regisseur und Drehbuchautor Guy Nattiv, Portraitaufnahme.
Lancierte während der Oscar-Verleihung einen Appell gegen Fanatismus: der Israeli Guy Nattiv, Regisseur des prämierten Kurzfilms "Skin" (picture alliance/Christof Soeder/dpa)
"And the Oscar goes to: Skin."
Vor fünf Jahren war der Israeli Guy Nattiv in die USA gezogen. Nun nahm er einen Oscar entgegen. Für den Kurzfilm "Skin". Im Film geht es um extreme Auswüchse von Rassismus in den USA. Ein schwarzer Mann lächelt einen weißen Jungen in einem Supermarkt an. Der Vater des weißen Jungen - ein rechtsextremer US-Amerikaner - schlägt den schwarzen Mann daraufhin zusammen. Regisseur Guy Nattiv nutzte seine kurze Rede bei den Oscars für einen Appell:
"Meine Großeltern haben den Holocaust überlebt. Den Fanatismus, den sie damals erlebt haben, sehen wir auch heute. Überall. In den USA, in Europa. Dieser Film soll aufklären. Er soll unseren Kindern einen besseren Weg aufzeigen."
Die Reaktionen in Israel: extrem positiv. Der Film sei ein Geschenk, schrieb Israels Staatspräsident Reuven Rivlin. Ein Geschenk für die Zukunft der Kinder und Enkelkinder. Auch Israels Kulturministerin Miri Regev meldete sich. Der Oscar zeige wieder einmal die Erfolgsgeschichte des israelischen Films. Sie würde sich sehr freuen, wenn der Regisseur für seinen nächsten Film nach Israel zurückkehre. Doch ob er das machen wird? In einem Interview mit dem israelischen Radiosender "Kan" direkt nach der Preisverleihung ging Nattiv auf Distanz zu seinem Heimatland:
"Es ist nicht so, dass es in Hollywood einfacher ist, aber es gibt einfach keine Zensur darüber, was man tut. Man kann einfach alles tun - ganz ohne Zensur. Letztendlich sollte das auch in Israel möglich sein."
Belastetes Verhältnis der israelischen Kulturministerin zur Kulturszene
Das Verhältnis zwischen Kulturministerin Miri Regev und großen Teilen der israelischen Kulturszene ist belastet. Regev wirft manchen Regisseuren antiisraelische Filme vor. Die wiederum fürchten, dass Regev ihre Filme nicht mehr finanziell fördert oder zensiert. Im vergangenen Jahr plante die Ministerin ein Gesetz, das Kulturförderung an vermeintliche Loyalität gegenüber dem Staat knüpfen sollte. Eine geplante Abstimmung im israelischen Parlament wurde aber nicht umgesetzt.
"Wir konnten sehen, was beinahe mit Miri Regev passiert ist, als sie begann, Filme für uns zu zensieren. Am Ende gelang es ihr nicht. Ich hoffe wirklich, dass die Filmemacher machen und schreiben, was sie wollen, ohne darüber nachzudenken, ob es zu extrem ist. Kreativität muss völlig frei sein", fordert jetzt Guy Nattiv.
In diesem Sommer kommt ein weiterer Film des Israelis mit dem Titel "Skin" in die Kinos. Diesmal in Spielfilmlänge. Produziert wurde er in den USA. Und nicht in Israel.