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Kritik an Night of the Proms

Die "Proms", das sind die jährlich von der BBC organisierten Promenadenkonzerte in der Royal Albert Hall, eine Londoner Institution. Die Abschlussveranstaltung heißt "Last Night of the Proms". Das Konzert strotzt vor britischem Patriotismus, was sich im Abspielen allerlei Märsche und Hymnen manifestiert. Jetzt kritisierte Großbritanniens Kulturministerin mit Blick auf die ethnischen Minoritäten des Landes die "Proms" als zu britisch. In Großbritannien ist jetzt natürlich die Aufregung groß.

Moderation: Jürgen Krönig |
    Karin Fischer: Den Kollegen Jürgen Krönig dort habe ich gefragt, ob das der Versuch der Schlachtung einer Heiligen Kuh war.

    Jürgen Krönig: Nein, es war einfach eine extrem dumme Bemerkung in einer Rede, die eigentlich ansonsten ehrenwert war, nicht besonders aufregend, nicht besonders klug. Margaret Hodge, 63 Jahre alt, Kulturministerin seit Neuestem unter Gordon Brown geworden. Übrigens, ihre Freunde nennen sie Enver Hodge in Erinnerung an einen toten kommunistischen Tyrannen und an ihre eigene radikale linke Vergangenheit, aber das ist lang, lang her. Und mittlerweile gilt sie als eine ganz nette, umgängliche Frau. Aber sie hat eigentlich relativ Vernünftiges gesagt. Sie hat eine Rede gehalten, in der sie für Toleranz plädierte, für Vielfalt und das mit einem Plädoyer verband für soziale Kohäsion. Darum bemüht sich ja die Regierung enorm, gerade im Blick auf ethnischen Minoritäten und eine breite, neue Definition vom Britischen ist, was heißt es, britisch zu sein. Und dann kam dieser eine fatale, törichte Satz. Sie sagt nämlich, das Publikum für unsere größten kulturellen Ereignisse, und ich denke da besonders an die Promenadenkonzerte, sind nicht derart, dass sie Menschen mit anderem Hintergrund, damit meinte sie natürlich Migrationshintergrund, es leicht machen und sich dort wohl fühlen können. Das ist insofern unsinnig, weil wenn sie gesagt hätte, den letzten Abend, "The Last Night of the Proms", dann wäre das verständlich gewesen. Vielleicht zu einem gewissen Grade, weil dort diese fahnenschwenkenden, fröhlichen, patriotischen Exesse ablaufen.

    Fischer: Und auch die Nationalhymne gesungen wird?

    Krönig: Und "Rule Britannia" gesungen wird am Schluss. Das ist völlig richtig. Das ist nicht jedermanns Geschmack, aber die Leute mögen es und so weiter. Aber ansonsten, die zwei Monate Promenadenkonzerte, übrigens immer von der BBC organisiert, sind ein unglaubliches, geglücktes Beispiel für kulturelle Vielfalt.

    Fischer: Darauf würde ich gerne gerade eingehen, Herr Krönig. Lassen Sie uns die Tradition der "Proms" mal kurz beleuchten.

    Krönig: Die Tradition der "Proms" ist, dass sie bewusst Ende des 19. Jahrhunderts geschaffen wurden, um den breiteren Massen, die normalerweise nicht zu Kulturereignissen wie Oper, Theater und Konzerten gehen, an die klassische Musik heranzuführen. Und insofern waren die Konzerte und haben bis heute immer noch einen populären Touch und vor allem natürlich die "Last Night of the Proms", die ich eben erwähnte, die ein Potpourri von populären nationalen Hymnen wie "Jerusalem" und "Land of Hope and Glory" und "Pomp and Circumstances" und so weiter darbieten.

    Fischer: In Internetforen wird jetzt der Rücktritt von Margaret Hodge gefordert, wobei inzwischen vermutlich klar ist, dass sie keine wirkliche Attacke auf diese "Proms" als Veranstaltung reiten wollte.

    Krönig: Sie hat es aber ausdrücklich nicht auf den letzten Abend bezogen, dann wäre es noch in gewisser Hinsicht gerechtfertigt gewesen, sondern sie hat die Promenadenkonzerte insgesamt gemeint. Sie hat eine Rede gehalten, und die Rede war vorbereitet und geschrieben von Beratern, und sie selbst geht drüber. Also muss man ihre Worte schon für bare Münze nehmen und auf die Goldwaage legen. Aber die Reaktion des Premiers ist vielleicht bezeichnend. Gordon Brown hat erklären lassen, die Promenadenkonzerte seien eine wundervolle demokratische und quintessenziell britische Institution, und damit basta. Damit hatte er ihr natürlich barsch über den Mund gefahren. Der Hintergrund ist der, die Regierung hat sich seit einigen Jahren entschieden zu sehen, dass die Ideologie des Multikulturalismus mit dem moralischen Relativismus gescheitert ist.

    Fischer: Was soll denn quintessenziell britisch sein in einem Land, das zu einem nicht ganz geringen Anteil aus Menschen mit Migrationshintergrund besteht?

    Krönig: Das Schöne am Britischen ist, ist, dass Britischsein automatisch Multiethnischsein heißt. Insofern sind die Briten sogar im Gegensatz zu uns Deutschen in der glücklichen Lage, ein Konstrukt zu haben, dass es erleichtert, Schwarze oder Braune oder Muslime oder Afrikaner, Inder zu integrieren. Insofern ist deshalb auch die Betonung darauf, dass Britishness oder Britischsein eben genau das richtige Konzept ist.

    Fischer: Jürgen Krönig war das mit einer Bewertung der Äußerung von Margaret Hodge über die britischen Promenadenkonzerte, die "Proms".