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Kritik an norwegischer Asylpolitik
Fiktive Castingshow für Flüchtlinge

In Norwegen warten derzeit fast 8.000 abgelehnte Asylbewerber auf ihre Abschiebung - oft gegen die Empfehlung der Vereinten Nationen. Aus Protest gegen die norwegische Asylpolitik hat eine Flüchtlingsorganisation eine fiktive Castingshow gedreht: "So you think you can stay?" Damit will sie zum Nachdenken anregen.

Von Carsten Schmiester | 24.06.2015
    Mann hinter Jalousie
    Der Streit um die Asylpolitik in Norwegen könnte zum Bruch der Regierung führen. (dpa/picture-alliance/ Nicolas Armer)
    Amir Najjer, 27 Jahre alt, verheiratet, Kinder. Der Palästinenser wurde in Gaza von vermummten Männern gefoltert, angeblich hatte er fürs israelische Militär gearbeitet. Dann die Flucht nach Norwegen, der Antrag auf Asyl - abgelehnt. Jetzt also Amirs allerletzte Chance eine Castingshow, Titel: "Und du denkst, dass du bleiben kannst?". Amir und sieben andere amtlich abgelehnte Asylbewerber etwa aus Afghanistan, Somalia oder Äthiopien treten gegeneinander an. Wer hat die dramatischste Geschichte, wer erzählt sie am überzeugendsten? Amir muss auf die Bühne:
    "Immer an die Familie denken - Bist Du Fertig?" "Ja!" "Dann los ..."
    Und schon steht er vor der Jury: Wo genau kommst Du her?
    "Aus einem Außenbezirk von Gaza." "Wie fühlst du dich?" "Nervös ..."
    Kritik durch fiktive Show
    Die Juroren kichern, dem Zuschauer bleibt das Lachen im Hals stecken. Zwar ist diese Castingshow erfunden, aber die Lebensgeschichten der abgelehnten Asylbewerber sind echt. Und es gibt viele Fälle, in denen Norwegen oft gegen die Empfehlung der Vereinten Nationen Menschen zurückschickt in ihre Heimatländer, sagt NOAS, die private "Norwegische Organisation für Asylsuchende", die sich um Flüchtlinge im Land kümmert und jetzt mit dem Online-Video der Castingshow vor allem junge Norweger nachdenklich machen will. NOAS-Chefin Ann-Magrit Austena zählt zu den schärfsten Kritikern der konservativen Regierung, die in diesem Jahr Berichten zufolge 7.800 abgelehnte Asylberber zwangsabschieben will, noch einmal 700 mehr als 2014:
    "Alle bestätigen es, das UN-Flüchtlingskommissariat, auch die EU-Kommission: Diejenigen, die jetzt zu uns kommen, sind in der überwiegenden Zahl der Fälle schutzbedürftig. Und trotzdem setzt die Regierung mit dem Okay der Konservativen bei der Ausländerbehörde den Rotstift an, leitet das ganze Geld um zur Polizei und denkt nur die Zahl der Ausgewiesenen."
    Während Amir, der 27-jährige Palästinenser, in der fiktiven Castingshow um sein Bleiberecht gekämpft hat und nun wieder vor der Jury steht:
    "Amir, Zeit für die Entscheidung." "Fühlt sich an wie ein Nein." "Sehe ich auch so." "Aber ich habe Kinder, eine Frau, bitte versteht mich - Bitte!"
    Streit zwischen den Konservativen und der einwanderungskritischen Fortschritts-Partei
    Rund 100.000 Mal ist dieses Video inzwischen angeklickt worden, ein großer Erfolg für die Macher, die Nachdenklich-Macher von Oslo. Während in der dortigen Minderheitsregierung der bisher größte Streit zwischen den Konservativen und der einwanderungskritischen Fortschritts-Partei eskaliert. Die Konservativen haben mit fünf anderen Parteien beschlossen, 8.000 Syrien-Flüchtlinge aufzunehmen. Die "Fortschrittlichen" sind strikt dagegen, wurden aber nicht gefragt. Dieser Riss in der Regierung könnte bald zum Bruch werden - hoffen alle, die eine andere Asylpolitik wollen und damit eine Chance auch für Menschen wie Amir.