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Kritik unerwünscht

Entlassungen wegen unliebsamer Äußerungen und Kürzung der Anzeigengelder für regierungskritische Medien: In dem vermeintlichen Musterland der EU, Slowenien, scheint es um die Pressefreiheit nicht besonders gut bestellt. Deshalb haben Journalisten nun eine Kommission gefordert, die eine vermeintliche Medienzensur durch die Regierung genauer untersucht.

Von Felix Hügel |
    Seit 36 Jahren arbeitet Sandi Frelih als Redakteur für das nationale Radio Sloweniens. Seit einigen Wochen versteht er die Welt nicht mehr. Er wurde von seiner Position als Redakteur der Sendung "Studio um 17 Uhr" abberufen.

    Frelih hatte sich geweigert, den Parlamentsabgeordneten Branko Grims von der Regierungspartei SDS kurzfristig in seine Sendung über die Änderung des slowenischen Schulgesetzes einzuladen. Dies habe sein Chefredakteur von ihm verlangt.

    "Wir hatten alle Probleme und Aspekte dieses Gesetzes abgedeckt und ich werde nicht erlauben, dass er herkommt, und wenige Minuten vor dem Start der Sendung bekam ich eine Anordnung von meinem Direktor, dass ich diesen Abgeordneten in meine Sendung lassen muss, und das wurde zu einem Problem zwischen mir und meinem Direktor."

    Sandi Frelih wurde nach dem Vorfall auf den Posten eines journalistischen Anfängers im Radio versetzt. Auch über die slowenische Präsidentenwahl habe er nun nicht mehr berichten dürfen.

    Für die Medienexpertin Brankica Petkovič vom regierungsunabhängigen Mirovni-Institut in Ljubljana ist dies kein Einzelfall. Sie sieht dahinter eine Strategie der konservativen Regierung um Premierminister Janez Janša.

    "Es gibt keine politische Gruppierung in Slowenien, die wirklich versteht, was Pressefreiheit bedeutet. Aber das Problem ist, dass vor allem die rechten Gruppierungen behaupten, und einige tun das sogar sehr offen, dass man, wenn man die Wahlen gewinnt, das Land führt, und das bedeutet, dass man alles anführt. Deshalb sollen auch die Medien darauf Rücksicht nehmen."

    Kurz nach der Machtübernahme 2004 hatte die Regierung ein neues Rundfunkgesetz erlassen, das der Parlamentsmehrheit Einfluss über den Programmrat des nationalen Radios und Fernsehens gab, so Petkovič. Die Regierung habe daraufhin alle wichtigen Posten mit eigenen Leuten besetzt.

    Aber auch durch andere Mittel beeinflusse die Regierung die slowenischen Medien, zum Beispiel durch die Verteilung der Werbegelder der Staatskonzerne. Kritischeren Medien wie der Tageszeitung Dnevnik oder dem Wochenblatt Mladina würden die Werbeeinnahmen entzogen.

    Auch ein weiterer Vorwurf belastet die Regierung: Sie habe den staatseigenen Supermarktkonzern Mercator unter Wert an die Brauerei Pivovarna Laško verkauft. Laško ist Hauptanteilseigner der großen Tageszeitungen "DELO" und "Večer". Der Konzern habe der Regierung im Gegenzug Einfluss auf deren Redaktionspolitik zugestanden. Der Abgeordnete Milan Martin Cvikl saß für die oppositionellen Sozialdemokraten im Untersuchungsausschuss über den Mercator-Verkauf.

    "Der Versuch war, nicht nur ’DELO’ und ’Večer’ zu übernehmen, sondern auch noch ’Dnevnik’. Nachdem Mercator verkauft wurde, gab es einen neuen Direktor bei ’DELO’ und einen neuen Chefredakteur, der natürlich zwei Jahre lang einen schlechten Job getan hat. Darum haben die Leser auch ’DELO’ den Rücken gekehrt. Und dann haben die Besitzer verstanden, dass sie damit ihr Geld verlieren werden. Also mussten sie einen Schritt zurück und die Politik aus der Redaktion von ’DELO’ heraushalten. Und ’DELO’ ist mit ’Dnevnik’ zusammen wieder die wichtigste Zeitung."

    Die Regierung steht unter dem Druck der Journalisten. Deshalb greift die Regierung jetzt die Journalisten an. Sprecher Anže Logar:

    "Ich kann nur sagen, dass ich hoffe, dass die Journalisten bald damit aufhören, Politik zu betreiben. In einer besonderen Talkshow im Fernsehen sind die Journalisten zusammen gesessen und haben über die Pressefreiheit diskutiert. Was man dort gesehen hat, war ein Streit, den sich selbst Politiker nicht leisten können. So ein niedriges Diskussionsniveau habe ich noch nie in meinem Leben gesehen."
    Besonders kritisch reagiert die slowenische Regierung auf die 571 Journalisten, die eine Petition unterzeichnet haben. Die Journalisten beschweren sich damit über den starken Einfluss der Regierung auf die unabhängige Berichterstattung. Blaž Zgaga ist einer der Organisatoren dieser Petition. Zgaga schreibt für die Tageszeitung "Večer". Er ist nach eigenen Angaben selbst Opfer von Zensur geworden, als er die Regierung in Artikeln kritisiert hatte.

    Zusammen mit dem Journalisten Matej Šurc hat er deshalb die Petition ins Leben gerufen. Doch bisher, so Zgaga, habe sich die Situation der slowenischen Journalisten nicht verbessert.

    "Ich hoffe, dass die Petition zu Veränderungen beiträgt; dass die Regierung oder das Parlament eine unabhängige Untersuchung durchführen wird und dass diese unabhängige Untersuchung eventuell Empfehlungen zu Gesetzesänderungen gibt, so dass jeder Journalist autonom sein wird und als professioneller Journalist schreiben kann, ohne von der Politik oder dem Kapital beeinflusst zu werden."

    Auch Radio-Redakteur Sandi Frelih hat die Journalisten-Petition unterschrieben. Doch um sich selbst macht sich Frelih wenig Sorgen. Er habe sowieso nur noch wenige Jahre bis zur Pensionierung. Er sorgt sich um die jungen Kolleginnen und Kollegen und deren Zukunft im slowenischen Mediensystem.