Archiv


Kritische Bauern gefragt

In Deutschland gibt es eine Vielzahl von Bauernblättern. So wenden sich 14 verschiedene Wochenzeitungen an den Landwirt und seine Familie, wie das Bauernblatt in Schleswig-Holstein oder das Landwirtschaftliche Wochenblatt für Westfalen-Lippe. Dazu gibt es noch zwei Monatszeitschriften wie top agrar oder das DLZ Agrarmagazin. Außerdem Zeitschriften, die sich unter verschiedenen Themen wie Mais, Raps, Tierzucht oder Landtechnik an spezielle Interessenten wenden. In einer Leseranalyse des Landwirtschaftsverlages in Münster zeigt sich, daß man mit den Zeitschriften teilweise 70 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe erreicht. Die Leserschaft ist aber größer als man glaubt. Die absoluten Zahlen von fast 30.000 Abonnenten für ein Bauernblatt oder mehr als 100.000 für ein Fachblatt der Agrarwirtschaft sagen zunächst wenig. Denn als Zielgruppen gelten nicht nur die Bauern und ihre Berater, sondern auch Agraringenieure, Vertreter der Ernährungswirtschaft, Wissenschaftler, Beamte der entsprechenden Ministerien, Gartenbauexperten, Kleingärtner und bei den Bauernblätter zunehmend Menschen aus dem ländlichen Raum. Aber diese Blätter sind auch ein Forum für den Bereich der Industrie, die fachspezifischen Zielgruppen erreichen wollen. Und dies sind die Hersteller von Pflanzenschutzmitteln und pharmazeutischen Erzeugnissen für die Tierzucht und Tierhaltung.

von Annette Eversberg |
    Der Schnee glitzert wie Perlen im Sonnenlicht. Der ausgebreitete Gleitschirm strahlt in den schönsten Farben. Der Sportler startet vom Berghang. Eine Werbung für einen Urlaub in den Alpen? Keineswegs. Die Anzeige, um die es hier geht, wirbt für ein Mittel, das das Wachstum von Nutzpflanzen wie Raps oder Weizen regulieren soll. Ob Wachstumsregulierer, Pflanzenschutzmittel, Fungizide und Pestizide jeder Art oder auch Produkte der pharmazeutischen Industrie für die Tierhaltung. Die Werbung unterscheidet sich kaum von dem, was man auch von der Werbung für andere Produkte kennt. Lifestyle, Sicherheit, Sauberkeit - auch Erotik - diese Attribute werden in den Anzeigen der Industrie in den landwirtschaftlichen Fachzeitschriften bedient. Und der Landwirt ist dem ebenso ausgesetzt, wie der Konsument im allgemeinen. Die Werbung in den Bauernblättern ist für die Industrie wichtig, denn hier kann sie - so Reimer von Alvensleben vom Institut für Agrarmarketing der Universität Kiel - sicher sein, die Zielgruppen zu erreichen.

    Reimer von Alvensleben: Bei den Druckmedien kann man so ungefähr in der Faustzahl sagen, 2/3 der Einnahmen kommen aus Anzeigen, ein Drittel aus dem Verkauf. Das gilt für Spiegel und Stern in ähnlicher Weise wie für die Bauernblätter, und von daher ist es schon so, daß die Wirtschaft, die bestimmte Zielgruppen erreichen möchte, gerne diese Bauernblätter verwendet, um tatsächlich an diese Zielgruppen heranzukommen.

    Die Kampagnen sind nicht immer gleich stark. Gegenwärtig nehmen die Anzeigen zu, denn die Frühjahrsbestellung steht vor der Tür. Und die konventionelle Landwirtschaft kommt nicht ohne diese Mittel aus. Komplettpakete für die Bekämpfung von Mehltau, den Schutz des Wachstums von Blättern und Ähren, und die Sicherung des Ertrags insgesamt werden von der Industrie werbewirksam angeboten. Fungizide sind weitverbreitet. Und das Problem der Fusarien beim Weizen, von Pilzen, die ein Gift bilden, spiegelt sich auch in der Werbung wider. Für die Plazierung der Anzeigen in den Fachblättern lasse sich eine bestimmte Strategie erkennen, meint Reimer von Alvensleben:

    Anzeigen werden mehr beachtet und aufmerksamer verfolgt, wenn sie in einem Umfeld plaziert ist, was dazu paßt. Wenn dort ein Artikel ist über Probleme der Düngung und dann wird in diesem Umfeld eine Anzeige geschaltet mit einem bestimmten Düngemittel, dann wird sie natürlich stärker beachtet.

    Mehr geworden sind auch jene Anzeigen, die für pflanzliche Futtermittel werben. Seit Tiermehl generell verboten ist. Mit dem Bild einer Kuh und dem Satz: Holen Sie raus, was drin ist, soll der Bauer nach wie vor für die Hochleistung von Rindern gewonnen werden. Anzeigen für Vitamine und Mineralstoffe versprechen in der Tierhaltung ebenfalls höhere Leistungen. Dabei hat aus der Sicht von Edgar Schallenberger, Veterinär am Institut für Tierzucht und Tierhaltung der Universität Kiel, die Werbung für den Einsatz von Medikamenten in den landwirtschaftlichen Fachzeitschriften allerdings ihre Grenzen.

    Edgar Schallenberger: Ein Bauernblatt kann natürlich den Landwirt auf die gleichen Grundprobleme hinweisen und auch praxisnahe Lösungsansätze aufweisen. Ein Bauernblatt hat sicher nicht die Aufgabe, jetzt ein tiermedizinisches Fachblatt zu ersetzen.

    Das Heilmittelgesetz verbietet zudem auch für die Tiermedizin die Werbung mit verschreibungspflichtigen Medikamenten. Auch im Pflanzenbau kann schon längst nicht mehr jeder tun und lassen, was er will. Wann und wo die Produkte der Chemie- und pharmazeutischen Industrie eingesetzt werden, das unterliegt vielfältigen Umwelt- und Tierschutzauflagen. Deshalb stimmt die Art und Weise, in der in den Bauernblättern geworben wird, nicht mehr mit den Anforderungen überein, die auch die konventionelle Landwirtschaft zu erfüllen hat. Für Ernst Kalm, Tierzuchtexperte der Universität Kiel, liegt die Verantwortung letztlich bei denjenigen, die die Mittel einsetzen.

    Ernst Kalm: Was ich übernehmen will, das entscheidet der Landwirt eigentlich selber. Denn er ist ja alt genug und Manns genug, denn er hat ja eine gute Ausbildung heute und wenn allgemeine Beratungsempfehlungen dann da stehen von der Landwirtschaftskammer oder von anderen Beratungsinstitutionen gilt das ja nur als Information und Hinweise, aber die Umsetzung muß der Landwirt selber praktizieren.