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Kuckuckseier unter dem Funkturm

Das ist die Revolution auf der IFA – Kühlschränke mit Internetanschluss und Kaffeemaschinen mit Kommunikationsschnittstelle. Darauf hat die Welt gewartet – die Internationale Funkausstellung endlich mit brauner und weißer Ware in den Hallen - mit Unterhaltungselektronik und Haushaltsgeräten.

Von Manfred Kloiber und Gerd Pasch | 30.08.2008
    Gerd Pasch: Das sind die Irrungen und Wirrungen der deutschen Messelandschaft, dass hier auf der Messe für Radio Fernsehen auf einmal auch Staubsauger und elektrische Zahnbürsten zu sehen sind! Mit technischen Konzepten des Zusammenwachsens hat das wenig zu tun, denn soweit greift die Vernetzung nun doch nicht. Da hat es wohl der Handel endlich geschafft, einen gigantischen Media-Markt aufzuziehen. Nicht so ganz blöd, wa!

    Manfred Kloiber: Aber mal ernsthaft! Wo klappt denn die Konvergenz zwischen Weißware – sprich Haushaltstechnik - und Braunware, der Unterhaltungselektronik?

    Pasch: Gern bemühtes Beispiel ist der Kühlschrank mit dem in die Tür integriertem Monitor. Ein solches Gerät steht in Halle 1. Dietmar Maedler, beim Hersteller Siemens zuständig für die Kühlgeräte-Technik, klärte mich auf:

    "Dieser Cool Media ist eigentlich die perfekte Symbiose zwischen einer modernen Kühl-Gefrier-Kombination mit Vitafresh und einen hinter Glas eingebauten 17 Zoll LCD-Bildschirm. Gleichzeitig bietet ein solches modernes Gerät eine USB Schnittstelle. Sie können zum Beispiel ihren USB Stick reinstecken und können ihre Urlaubsfotos betrachten, während die Familie sich beim Frühstück versammelt oder gemeinsam kocht. Das heißt, Bildschirm und moderne Kombination finden im Mittelpunkt der Küche ihren Platz und so hat die ganze Familie etwas davon. Ein modernes Kältegerät hat bessere Kompressoren, hat bessere Isolierung, hat abgestimmte Kältekreisläufe, die es möglich machen, gegenüber einem 15 Jahre alten Gerät Energie sparend zu sein."

    Pasch: Die Stromspar-Eigenschaften standen bei vielen Herstellern und Haushaltsgeräten im Mittelpunkt. Damit wurde das Publikum umgarnt. Die mögliche Vernetzung des Kühlschranks mit dem Computer ist für Nils Seip, Sprecher des koreanischen Elektronik-Konzerns LG, hingegen Zukunftsmusik:

    "Ja, da gibt sicherlich die eine oder andere Entwicklung, wo man zum Beispiel Herdplatten mit der Abzugshaube sozusagen vernetzt, wo man dann weiß, okay, wenn die Herdplatte an ist, dann muss auch oben gleichzeitig die Dunstabzugshaube angehen. Oder der viel zitierte, an das Internet angeschlossene Kühlschrank, der dann automatisch die Milch nachbestellt, wenn sie alle ist, das gibt es alles schon. Das sind aber alles Themen, die die Konsumenten heute noch nicht in der Form interessieren als das es sich lohnen würde, das tatsächlich schon in breiter Masse auf dem Markt einzuführen. Das Zeitfenster kann man da schwer bemessen, ich denke, das wird schon eine eher mittel- bis langfristige Geschichte sein. Also innerhalb der nächsten sagen wir acht bis zehn Jahre."

    Kloiber: Doch so lange muss man in der Radio- und Fernsehabteilung nicht warten. Denn zwischen Guckkasten, Stereoanlage und PC klappt die Vernetzung mittlerweile perfekt. Mediaserver und Streamingclients sind die Schlüsselgeräte dafür, die jeder renommierte Hersteller von Hifi- und TV-Produkten im Programm hat. Zugriff von jedem Raum aus auf die heiß und innig geliebte Musiksammlung verspricht zum Beispiel das Mediacenter von Loewe, das Phillip Herberholz erklärt:

    "Sie können mit dem Media Center ihre Musikdaten verwalten, können diese verwalteten Daten in mehrere Räume ihrer Wohnung verteilen und haben damit von jedem Zimmer Zugriff auf ihre persönlich erstellten Musikdatenbanken. Ich brauche keine CD mehr mitzunehmen, ich nehme unsere Fernbedienung mit, habe auf dieser ein kleines Display und kann über eine Raumsteuerung sagen, okay, ich möchte in meinem Esszimmer zum Beispiel dieses Album hören, sehe auf dem Display ein entsprechendes Cover-Bild und kann darüber dann wählen, welchen Titel ich von diesem Album hören möchte."

    Kloiber: Bei diesem System hat man sich nur auf die Audioseite konzentriert, wenngleich das Fernsehgerät hier als Steuerzentrale dienen kann. In den Satelliten-Stationen für die verschiedenen Räume ist gleich ein zwei mal 50 Watt Verstärker zum direkten Anschluss leistungsfähiger Lautsprecher integriert. Das ist neu.

    Pasch: Andere Hersteller sorgen bei ihren Streamingclients gleich auch für den Zugriff auf die Festplatten-Videothek. Fernsehgeräte werden dann über die mittlerweile standardisierte HDMI-Schnittstelle digital mit dem Streamingclient verbunden. Die Stereoanlage wird per S/PDIF ebenfalls digital gekoppelt. So ist sichergestellt, dass das Bild in Full HD mit 1920 mal 1080 Pixeln und der Ton in Dolby Surround Sound 5.1 wiedergegeben werden kann.

    Kloiber: Allerdings sind hier immer noch Kabel von Nöten, die offenbar das ästhetische Empfinden vieler Wohnzimmer-Designer nachhaltig stören. Das jedenfalls suggeriert die Unterhaltungselektronikindustrie und bietet ständig drahtlose Alternativen an. Für die breitbandige Bild- und Ton-Übertragung ist deshalb jetzt auf der IFA das HD Wireless Verfahren präsentiert worden.

    Pasch: Datentechnisch vernetzt werden PCs, Mediabox und Streamingclient über LAN-Kabel, Wireless LAN oder Powerline – das Medium ist eigentlich zweitrangig. Entscheidend ist das Internetprotokoll, über das die Mediendaten übertragen werden. Das erlaubt auch, direkt Musik aus dem Internet auf die Stereoanlage zu bringen oder Filme aus dem Netz zu ziehen. Der Media-PC dient dabei als Medienserver – hier werden Filme und Musik zwischengespeichert, so dass verschiedene Streamingclients darauf zugreifen können. Auch ein BluRay-Disc Laufwerk gehört dazu, das ebenfalls von mehreren Clients angesprochen werden kann.

    Kloiber: Entscheidend daran ist, dass der Media-PC äußerlich zumindest nichts mehr mit einem PC zu tun hat. Er darf – glaubt man den Marketing-Fachleuten – weder wie die graue Kiste unter dem Schreibtisch aussehen, noch darf er mit einer Bedienoberfläche daher kommen, die an die Icon-Welt des Bürocomputers erinnert. Das akzeptieren vor allem Frauen nicht in ihrem Wohnzimmer.

    Pixel für Pixel Qualität
    LC-Displays werden immer dünner, schärfer und brillanter

    Pasch: Wenn es um die Flachbildschirme geht, dann steht die Industrie Kopf. Sie wirft mit sensationellen Zahlen um sich, die einen aus dem Staunen kaum noch heraus kommen lassen. Von 200 Millionen Fernsehgeräten, die jährlich weltweit verkauft werden, sind 100 Millionen bereits LC-Displays - Tendenz steigend. In Europa entstehen bereits 40 Prozent aller Fernsehbilder auf Flüssigkristall-Schirmen, in China schon 60 Prozent. Auf den Boommärkten der Schwellenländer wie Indien oder Brasilien sieht es anders aus. Hier gibt es noch viel größeren Bedarf, denn nur rund 25 Prozent der Fernsehgeräte arbeiten auf LC-Basis.

    Kloiber: LC-Displays haben also auf lange Zeit noch nicht ausgedient, obwohl vergangene Funkausstellungen bereits bessere Technologien wie SED oder OLED präsentiert haben. Beide Ansätze haben gegenüber den Flüssigkristall-Bildschirmen einen entscheidenden Vorteil: Sie arbeiten mit selbstleuchtenden Bildpunkten. Bei SED gibt es für jeden Bildpunkt ein Halbleiterelement, das Elektronen auf eine Mattscheibe bringt. Das Verfahren scheint allerdings so kompliziert, dass es einstweilen wieder in die Labors verschwunden ist und auf dieser IFA nicht mehr präsentiert wird. Anders sieht es da mit dem OLED-Prinzip aus. Ein OLED-Display besteht aus einer aufgedruckten Matrix aus leuchtenden Kunststoffen. Die Firma Sony stellte hier auf der IFA das erste marktreife Display in dieser Technologie vor. Martin Winkler über die Vorteile:

    "Zum einen ist natürlich die Qualität deutlich besser als alles das, was wir heute an Fernsehern kennen. Das hat mit der Technologie zu tun. Und zum anderen haben wir eine extreme Energieeinsparung und auch das ist ein Technologiethema. Sie können davon ausgehen, dass die OLED-Technologie wahrscheinlich so die Hälfte an Energie nur noch aufwenden muss, wie man sie heute für ein LCD aufwendet."

    Kloiber: Der erste kommerziell verfügbare OLED-Fernseher kommt mit einer Größe von elf Zoll daher, etwa 28 Zentimeter – nicht besonders groß. Aber das Bild ist einfach umwerfend brillant. Besser als jedes Fernsehbild mit einer noch so guten Bildröhre. Der selbstleuchtende Kunststoff schafft ein Kontrastverhältnis von 1.000.000 zu eins. Ein wirklich gutes LCD schafft 7.000 zu eins.

    Pasch: Hinter vorgehaltener Hand wundern sich einige Konkurrenten über diesen Schritt, denn OLED gilt noch nicht als ausgereift. Zum einen sind die Displays noch zu klein, um im Wohnzimmer punkten zu können, zum anderen lassen OLEDs mit der Zeit nach, sie werden matter und schwächer. Martin Winkler von Sony weist die Kritik aber zurück:

    "Also die OLED-Displays, die wir hier heute zeigen und auch die, die wir im Frühjahr 2009 in Deutschland auf den Markt bringen werden, haben eine Qualität, die deutlich besser ist als das, was man so heute noch als Röhren-Fernseher zuhause stehen hat. Am Ende des Tages reden wir wahrscheinlich über circa 16 Jahre mit einer durchschnittlichen Fernsehdauer von fünf Stunden pro Tag. Da kann man mal ein bisschen herum rechnen, wie viel das am Ende sein wird."

    Kloiber: Bis größere Displays in dieser Technik auf den Markt kommen, werden noch Jahre vergehen. Derweil scheuen die Entwickler kaum Mühen und Aufwand, um die gängige LCD-Technologie noch besser zu machen. Schließlich gibt es riesige Herstellungskapazitäten, die noch auf Jahre ausgelastet werden müssen.

    Pasch: Ansatzpunkt für die wirksamsten Verbesserungen in Sachen Kontrast und Schwarzwert ist die Hintergrundbeleuchtung der LC-Bildschirme. Traditionell wird das Hinterlicht mit einer Batterie von Leuchtstoffröhren erzeugt, die man insgesamt dimmen kann, um ein Bild heller oder dunkler erscheinen zu lassen. Hier sind die Techniker inzwischen auf LED-Beleuchtung umgeschwenkt, erklärt Georg Wilde von Philips:

    "Vorteil von LED ist, man kann sie segmentweise dimmen und damit dem jeweiligen Bildinhalt anpassen, so dass man dunkle Bereiche nicht beleuchtet und damit dann für den Zuschauer ein wirklich perfektes Schwarz erzielt, bei gleichzeitiger Darstellung in einem anderen Bildteil zum Beispiel von sehr hellen Farben. Also man kann wirklich einen Sternenhimmel klar und funkelnd darstellen wie in Wirklichkeit und man hat ein richtiges Schwarz, und man hat helle, feine Strukturen, die man darstellen kann, die sehr brillant sind. Man kommt damit auf einen dynamischen Kontrastumfang von 2.000.000 zu eins, in denen wir angeben."

    Kloiber: 1152 weiße LEDs übernehmen die Hintergrundbeleuchtung für einen 42 Zoll, also 1,07 Meter großen Bildschirm. Sie sind angeordnet in quadratischen Neunergruppen in acht Zeilen und 16 Reihen. Und jede dieser Neunergruppe kann entsprechend des Bildinhaltes separat angesteuert werden. Die aufwändige Steuerelektronik schlägt sich natürlich im Preis nieder. Rund 1000 Euro Aufpreis geben die Hersteller im Schnitt an. Dafür aber sinkt der Stromverbrauch dieser Geräte, da das Hintergrundlicht nicht ständig mit voller Intensität leuchtet.

    Öko im Wohnzimmer
    Hersteller brauner Ware geben sich einen "grünen" Anstrich

    Pasch: Die Display-Hersteller unterstreichen ihren Beitrag zum Umweltschutz. Die Geräte der neuesten Generation brauchen einfach weniger Strom durch intelligente Steuerung. Jürgen Wilkin von JVC mit einem Beispiel:

    "Gerade für die größeren Diagonalen der LCD-Bildschirme wird das umso wichtiger und das Gerät verbraucht im Normalmodus circa 180 Watt, was gegenüber Röhren-Geräten schon quasi fast ein Drittel ist. Aber wir haben hier einen Öko-Modus eingebaut, das Gerät ist dann in der Lage, anhand der Umgebungshelligkeit die Hintergrundbeleuchtung zu regeln und geht dann noch einmal 50 Prozent der Leistung herunter, das heißt, wir können hier bis unter 100 Watt Stromverbrauch kommen bei einem 42 Zoll-Gerät, was in dieser Form halt doch schon sehr bemerkenswert ist."

    Pasch: Die IFA wäre nicht die Funkausstellung, wenn es nicht um das Fernsehen selbst ging. Bis vor wenigen Jahren trafen sich unter dem Funkturm Stars und Sternchen von den Kameras und Mikrofonen. Heute dominiert die digitale Technik in den Ausstellungshallen.

    Kloiber: Um eine Technologie, die sonst in den letzten Jahren auf jeder IFA eine große Rolle spielte, ist es dieses Jahr erstaunlich ruhig geworden. Das Digitale Fernsehen, genauer gesagt die digitale Ausstrahlung und Verbreitung der Fernsehprogramme, ist erstaunlicherweise ziemlich ins Hintertreffen geraten. Das mag an einer auffälligen Diskrepanz liegen: Während sich die Hersteller der Displays mit Superlativen bei Auflösung und Brillianz überschlagen, strahlen die Sendeanstalten Ihr Programm in mäßiger Digitalqualität aus. Darüber habe ich mich mit dem Digital-TV-Experten Professor Dr. Ulrich Reimers von der Universität Braunschweig unterhalten.

    "Wenn man sich die Übertragungstechniken im Vergleich ansieht, dann stellt man eben fest, gerade bei DVBT, da ist es dann mit der Datenrate, also der Menge der Bits, die man pro Sekunde für jedes einzelne Fernsehprogramm spendieren kann, schon relativ knapp. Und das bedeutet, man sieht dann auch schon mal so genannte Artefakte, also wirkliche störungsartige Effekte im Bild, wie bei einem großen Display dann auch noch besonders aufgezogen werden. Wenn man mit der selben Art der Technik nicht terrestrisch, sondern via Satellit arbeitet, und nicht etwa den Wechsel zum hochauflösenden Fernsehen vornimmt, sondern beim heutigen Fernsehen bleibt, dann bekommt man Bildqualitäten, die ein ganzes Stück besser sind, ein ganzes Stück besser angepasst auch an die Großbilddisplays. Und das liegt nur an einem einzigen Grund: man kann mehr Bits pro Sekunde für ein Programm spendieren, weil auf dem Satelliten einfach mehr Kapazität verfügbar ist, mehr Luft da ist sozusagen."

    Kloiber: Trotzdem gibt es doch sicherlich auch einen Zwang für die Fernsehanstalten, in HD-Qualität auszustrahlen. Gibt es da entsprechende Verbreitungswege mittlerweile?

    "Für das hochauflösende Fernsehen, also für HD oder HDTV gibt es diese Verbreitungswege in digitaler Form im Grunde schon immer. Das heißt, auch über DVBT, das terrestrische Fernsehen, wird zum Beispiel in Australien schon seit Jahren HDTV ausgestrahlt. Das gibt es auch natürlich per Satellit und das gibt es insbesondere auch im Kabel, immer über diese digitalen Verbreitungswege. Was neu dazugekommen ist, im Verlauf der letzten Jahre, sind Systeme, die wir die Systeme der zweiten Generation nennen, die nun ganz gezielt auch auf den Datenratenbedarf von HDTV-Programmen abgestimmt sind. Das erste Beispiel wäre DVB über Satellit, zweite Generation, wir nennen das DVBS-2. Das ist das, was wir hier in Deutschland nutzen, wann immer jemand HDTV empfangen möchte, geht er ganz automatisch über Satellit und dann ist ganz automatisch DVBS-2 im Spiel. Arte zum Beispiel wäre so ein Programm, das dieses DVBS-2 benutzt. Und da hat man dann, wenn man diesen Weg benutzt, diese hohe Bildqualität zur Verfügung und in Deutschland kann man absehen, dass in den kommenden Jahren der Satellit dann genau mit dieser hohen Bildqualität das HDTV-Übertragungsmedium der Wahl ist. Kabel wird dann sicherlich folgen. Wann terrestrisch und ob terrestrisch HDTV in Deutschland ausgestrahlt werden wird, ist noch überhaupt nicht entschieden."

    Kloiber: Die klassischen Telekom-Anbieter, die Deutsche Telekom AG, aber auch andere wie Arcor haben versucht, sich in diesem HDTV-Markt mit ihrem Internetfernsehen zu positionieren. Was halten Sie denn von diesem Übertragungsweg für HD-Inhalte?

    "Oh, das ist etwas sehr Spannendes. Die Frage ist nur, kann man das in den verschiedenen Ländern mit ihren völlig unterschiedlichen Mediensystemen und ihrer unterschiedlichen Programmvielzahl, die es dort schon gibt, auch entsprechend positionieren. Also, man nennt das Ganze ja IPTV für Internetprotokoll basiertes Fernsehen, und dieses IPTV wird hier in Deutschland zum Beispiel eben von der Telekom seit zwei Jahren auch hier auf der Funkausstellung aktiv beworben. Aber der Markterfolg ist sehr begrenzt geblieben. Ich persönlich führe das in Deutschland vor allen Dingen darauf zurück, dass es hier in Deutschland eben über Kabel, über Satellit und terrestrisch eine solche Programmvielfalt gibt, dass es kaum lohnt, zusätzlich auf IPTV zu setzen aus Sicht vieler Kunden. Das ist in Frankreich zum Beispiel ganz anders. Und wenn man dann erst einmal den schnellen Internetzugang hat, mit dem ein derartiges IPTV angeboten werden kann, dann ist HDTV ganz eindeutig die nächste wünschenswerte Stufe, denn man muss ja sehen, was diesen Zugang angeht, gibt es zwischen den heutigen Rundfunkmedien und dem IPTV einen ganz fundamentalen Unterschied: beim IPTV holen Sie sich genau nur die Programme ins Haus, die Sie wirklich im Moment sehen wollen, während zum Beispiel ein Kabelnetz Ihnen hunderte von Programmen gleichzeitig anbietet, von denen Sie vielleicht wirklich nur eines sehen wollen."

    Kloiber: Dann betrachten wir uns das andere Extrem: anstatt extrem guter Bilder jetzt extrem kleine Bilder - das mobile TV wurde ja auch hier schon auf der IFA sehr oft angekündigt. Dieses Jahr hätten wir eigentlich gedacht, dass es überall zu sehen ist, aber kein Mensch guckt Mobil-TV.

    "Ja, da landen wir gerade in Deutschland, wie ich denke, einen riesengroßen Flop, einen Flop, ich kann es gar nicht genug betonen. Dieses Mobil-TV-System DVBH, das sich auch aus Sicht der Europäischen Kommission Jahr jetzt als das System durchgesetzt hat, das in Österreich in Betrieb ist, das in Italien in Betrieb ist, das wie ich lese jetzt gerade in den Niederlanden in Betrieb geht, das haben wir hier in Deutschland in den Sand gesetzt. Die Organisation, die die Lizenz für die Ausstrahlung von DVBH bekommen hat, scheint nicht in der Lage zu sein, dieses DVBH hier in Deutschland zum Spielen zu kriegen. Mein Eindruck ist, da scheinen Geschäftsmodelle und die finanziellen Ausstattungen zu fehlen, und insofern muss ich befürchten, dass dieses Mobil-TV, hinter dem ich selber auch wirklich mit viel Entwicklungsaufwand und großen Teams in Braunschweig stecke, hier in Deutschland nicht stattfinden wird."

    Kloiber: Soweit Professor Ulrich Reimers von der TU Braunschweig. Ein Empfangsgerät für digitales Fernsehen ist jedenfalls der Computer. Eine Mini-Ausgabe zum Herumtragen ist das Notebook. Im vergangenen halben Jahr ist aus heiterem Himmel eine neue Klasse eingeschlagen, nämlich die der Netbooks.

    Zwergenparade
    Superkleine Notebooks sind mega-in

    Pasch: Netbooks sind erst einmal klein: wie ein DIN A4 Blatt. Sie sind leicht: Ihr Gewicht liegt zwischen 700 und 1200 Gramm. Netbooks brauchen wenig Strom: eine Akku-Ladung reicht bis zu 13 Stunden. Denn Stromfresser wie Festplatte oder DVD-Laufwerk fehlen. Und ein 10-Zoll-Display benötigt auch nicht so viel Energie. Dafür haben Netbooks jede Menge Slots für Speicherkarten, USB-Anschlüsse zum Beispiel für den DVB-T–Stick. Und Netbooks haben – wie der Name schon sagt – einen Netzwerkanschluss, drahtlos und drahtgebunden. Die Prozessorleistung dagegen spielt bei den Netbooks keine entscheidende Rolle. Eher schon das Aussehen. Da fragt man sich, wer so was nutzt und was er an Software einsetzen kann. Antworten gab mir Rainer Poppl, Chefstratege beim französischen Handelshaus Dexxon, das mit dem "Gdium" ein eigenes Netbook auf Lunixbasis anbietet:

    "Ich denke, an Softwarelösungen ist so ungefähr alles vorhanden, was man sich vorstellen kann. Die Open-Source-Gemeinde hat Lösungen für alle möglichen Anwendungen von Videoschnitt über Bildbearbeitung. Ich denke, es gibt keine Software, die es im Open-Source-Bereich nicht gibt. Natürlich funktionieren die ganzen klassischen Open-Source-Programme wie Thunderbird, Firefox, Open Office, und sie sind auch vorinstalliert auf dem Gerät. Aber der Kreativität des Anwenders oder was er sich dann installieren möchte, steht ihm komplett frei, das ist eine offene Plattform."

    Pasch: An wen richtet sich denn dann dieses Angebot?

    "Die Idee ist geboren worden aus dem klassischen Engagement in Frankreich, den Bildungsmarkt zu adressieren. Und Dexxon in Frankreich vertreibt Taschenrechner, es existiert eine Initiative, die ein Zusammenschluss von ungefähr 1000 Lehrern ist, die aktiv Content produzieren, die sich komplett um Inhalte kümmern. Der logische Schritt nach einem Taschenrechner ist eigentlich in der heutigen Zeit, was man einen einfachen Computer, PC, ein Netbook zur Verfügung stellt, mit dem man mit dem Content arbeiten kann, was man als Taschenrechner benutzen kann, oder was auch immer, Spaß haben in der Freizeit. Also das, denke ich, ist eine Zielgruppe, die wir auch in Deutschland natürlich adressieren wollen. Es wird ein Portal dazu geben, was mit klassischer Web 2.0-Technologie diesen Content zur Verfügung stellt, wir werden Social Networks und die ganzen Geschichten, die natürlich immer mit drin sein müssen, zur Verfügung stellen. Auf der anderen Seite ist das Gerät mit Sicherheit auch für einen Business-Mann interessant, der seine E-Mails lesen will und keine Lust hat, drei oder vier Kilogramm Notebook mit Zubehör mit sich herum zu schleppen. Ein E-Mail-Client ist dabei, VPN-Software haben wir auch mit drin und ich denke, so in dem klassischen Unternehmensumfeld kann man das Produkt durchaus einsetzen. Und dann gibt es mit Sicherheit auch noch Einstiegskunden, die, wenn wir uns preismäßig auf dem Level bewegen, was die Netbook im Moment kosten, was so um 300 Euro liegt, und natürlich auch als Einstiegsmodell taugen kann."

    Kloiber: Was Rainer Poppl da beschreibt, ist das untere Ende bei den Laptops. Und Laptops, das muss man an dieser Stelle einfach mal zwischenrufen, die gehören mittlerweile auch zum festen Ausstellungsinventar einer Funkausstellung. Und bei den High End – Laptops zeigt diese Messe dann auch Innovationen.

    Pasch: Ja, und zwar Notebooks mit Leistungsmerkmalen wie die bislang nur von Servern und Hochleistungsrechnern bekannt waren. Fans von Computerspielen brauchen mit diesen Laptops keine Performance-Einbrüche mehr hinnehmen, wenn sie unterwegs daddeln wollen. Denn in diesen Notebooks werkeln Quad-Core-Prozessoren, vier parallele Rechner-Kerne sorgen für jede Menge Geschwindigkeit. Bei manchen Anwendungen wie der Office-Software sind Teile des Prozessors unterfordert. Und dafür haben die Entwickler zum Beispiel bei Toshiba für ihre Quad-Core-Notebooks neue Aufgaben kreiert: die Gesichtererkennung statt Fingerprint oder die Gestik-Steuerung. Jens Böcking zeigte mir wie’s funktioniert:

    "Man ist in der Lage, das Notebook durch Handzeichen zusteuern. Also bequem beispielsweise zuhause auf der Couch. Man hat drei Hauptgesten, einmal die flache Hand, um einen Film anzuhalten aus der Distanz. Wir sind in der Lage, durch einen Daumenklick einen virtuellen Klick auszulösen. Wir können somit in Menüs hinein gehen und Eingaben bestätigen, Sie brauchen also keine Tastatur mehr. Und wir sind in der Lage, einen virtuellen Cursor zu führen, mit dem man verschiedene Menüpunkte ansteuern kann. Die Reize werden aufgenommen von der Kamera, die integriert ist, ohne Kamera ist das nicht möglich, durch unseren Quad-Core-Prozessor verarbeitet und dann umgesetzt. Mit der Gesichtserkennung sind Sie in der Lage, Ihr Gesicht dreidimensional zu registrieren und sich dann anzumelden, ohne ein Passwort einzugeben. Das heißt, man kann ganz leicht in Windows gelangen. Man hat bis zu zehn verschiedene Nutzerprofile, die man anlegen kann, das heißt, man könnte seine ganze Familie über diese Art und Weise registrieren. Das Gerät erkennt, ob es der richtige Nutzer ist oder der falsche, und ist dann in der Lage, ein Bild zu machen von dem falschen Benutzer. Und das kommt in ein so genanntes Logfile, das heißt, der Dieb kann auf frischer Tat ertappt werden sozusagen, so ist es gedacht."

    Pasch: Soweit Jens Böcking vom Notebook-Hersteller Toshiba, der neue Anwendungen für seine High-End-Geräte mit Quadcore-Prozessoren auf der IFA ausstellte.