Mit einem kleinen Boot lässt er sich zur Küste rudern und wird empfangen von einem Landsmann, der hundert Kilometer weiter wohnt. Er ist zwei Tage lang gelaufen, um seinen Kollegen zu begrüßen und fragt, was er denn so bei sich habe, wie viel Alkohol.
Die Menge übertrifft seine Erwartungen, obwohl ich ihm die Hälfte verschweige, sonst ist er in vierzehn Tagen noch hier, und wenngleich es möglich, ja wahrscheinlich ist, dass ich in einem Monat jedem schwitzenden Europäer um den Hals fallen werde, weil ich die ganze Zeit keinen Weißen mehr gesehen habe, ist mein Bedarf fürs erste noch gedeckt.
So beginnt der Erzählband Die Inseln von A. Alberts. In wenigen Zeilen hat Albers schon alles angedeutet, die Postkartenidylle, die keine ist. Die Einsamkeit, die den Ich - Erzähler erwartet, der Trost, den er im Alkohol suchen wird und die leise Selbstironie mit der er sich die Tage auf den Inseln leichter machen will.
Die Inseln, dass sind eine handvoll der vielen einst niederländisch – indischen Inseln, die heute zu Indonesien gehören. A. Alberts hatte 1939 eine Verwaltungsstelle auf Java angenommen. Da war er 28 Jahre alt. Drei Jahre lebte er auf der kleinen Insel Madoera. 1942 wurde er von den Japanern interniert. Ein Jahr nach Ende des zweiten Weltkrieges kehrte er in die Niederlande zurück und hat sich fortan für die Unabhängigkeit Indonesiens ausgesprochen. Er wurde Journalist und schrieb Erzählungen über seine indonesische Zeit. 1952 debütierte er mit Die Inseln. Über 50 Jahre lang blieben die elf Kurzgeschichten aus den Tropen unübersetzt.
Joseph Conrad hat große Romane über die Kolonialzeit und die Kolonialbeamten geschrieben, über Almayer in Borneo, den nur eine Wahnidee von einer besseren Zukunft das öde Leben ertragen lässt.
Fast 60 Jahre später lässt A. Alberts seinen Ich – Erzähler auf eine kleine Insel kommen. Er verweigert genaue Angaben, der Mann auf der Insel bleibt namenlos. Das Dorf, in dem er lebt, ist "das Dorf", das Büro, in dem er arbeitet, "das Büro". Vor der Kulisse des üppigen grünen Regenwaldes und der brütenden, feuchten Hitze, beschreibt A. Alberts die Geschehnisse beinahe kühl. Das ist ein sehr reizvoller Gegensatz.
Die Menschen, die hier leben, wissen nicht wirklich etwas voneinander. Die Einheimischen stehen den Kolonialisten abweisend gegenüber und unter den Holländern kommt keine wirkliche Freundschaft auf. Sie besuchen sich regelmäßig, trinken miteinander, bleiben einander aber fremd.
Es ist eine Welt ohne Frauen, in der A. Alberts Protagonisten leben und es gelten die Regeln und Rituale einer Männergesellschaft. In "Das Mahl" will der Ich – Erzähler dem Fürsten seine Aufwartung machen, aber er bekommt ihn gar nicht zu Gesicht. Gut bewirtet wird er dennoch, eine Gastfreundschaft ganz eigener Art.
Das einheimische Militärkorps spielt den Trauermarsch von Chopin für Mijnherr Salomon, den sie König nennen. Fast jeden Monat proben die Musiker für dessen Beerdigung, den jeden Monat einmal liegt der pensionierte Feldwebel in der Erzählung "Der König ist tot" im Sterben.
Der Großvater Taroggis des III. ist vor siebzig Jahren als Schiffbrüchiger auf der großen Insel an Land geschwemmt worden und hat es schnell zu Reichtum und Ansehen gebracht hat. Die Taroggonis erzählen – und schließlich glauben sie es sogar - dass sie aus Tarragona stammen und dort in einer großen Villa gelebt haben. "Das Haus des Großvaters", nach dem die Erzählung benannt ist, ist eine Lüge. Doch es ist diese Lebenslüge, die den Tarrogonis ihr Dasein in den Tropen erleichtert, vielleicht sogar erst möglich macht.
In "Die Jagd" soll der Ich – Erzähler den Rebellen Hauptmann Florines stellen. Niemand wieß, warum Florines Kämpfer geworden ist und der Kolonialbeamte bezweifelt, ob Florines selbst einen Grund dafür hat. Denn eigentlich ist er Handlanger wohlhabender Jäger, veranstaltet zwielichtige Partys, schießt Wildschweine. Jetzt soll er mit seinen Männern zwei Dörfer niedergebrannt haben.
Florines war mir Sicherheit nicht der normale Messias - Rebell, der sich in ein weißes Laken hüllte, Jünger um sich scharte und sich am Ende auf einen sinnlosen Kampf einließ, um darin umzukommen. Wer hat jemals von einem Zuhälter gehört, der so zu Tode kam ? Noch dazu in einem weißen Laken? Dagegen wäre so jemand vielleicht durchaus fähig, Dörfer in Brand zu stecken.
Während er Florines mit geladener Pistole jagt, erinnert sich der Ich – Erzähler, an eine andere, seine erste – und bis dahin einzige Jagd. Von dieser Jagd hatte er nichts zurückbehalten als das Gefühl einer Verwandtschaft mit dem gehetzten Wild. Dieses Gefühl wird er wieder haben, als er sich in den Bergen unter einen eisigen Wasserfall stellt:
In diesen wenigen Augenblicken, als ich dort hockte, mit animalischem Wohlbehagen das schneidend kalte Wasser genoss, war ich das Wild, das Wildschwein, doch Florines würde mich nicht jagen.
Jäger und Gehetzter zugleich stolpert der Ich – Erzähler durch die Berge. Hier schildert A. Alberts das Innenleben seines Protagonisten, er lässt ihn träumen, sich erinnern, verwirrt sein.
A. Alberts macht keine großen Worte. Allenfalls aus Andeutungen vermag der Leser erfahren, dass in den unzugänglichen Wäldern der Inseln so manches Geheimnis verborgen ist. Entschlüsseln werden es die Kolonialbeamten nie.
In der letzten Geschichte "Hinter dem Horizont" kehrt der Ich - Erzähler nach Hause zurück. Am liebsten möchte er gar nicht von Bord des Schiffes gehen. Er ahnt, dass ihm Holland nach den Jahren auf den Inseln fremd geworden sein wird. Wie die Figuren Joseph Conrads hat auch A. Alberts Kolonialbeamter keine Heimat mehr.
Fahrräder und Autos fahren am Kanal entlang. Die Leute, die darauf oder darin sitzen, sind hier geblieben. Sie waren nicht auf den Inseln. Sie sind in diesem Land geblieben und nun Fremde für uns geworden. Für uns. Für alle Menschen auf diesem Schiff. Und wir sind Fremde für sie geworden, und das scheint uns, die Passagiere, im letzten Moment einander näher zu bringen. Die Reise hat vier Wochen gedauert und ich bin nicht der einzige, der sich danach sehnt, auf einem leeren Schiff allein weiterzufahren. Wir haben zuviel voneinander gesehen. Wir haben zu viele Bekenntnisse ausgetauscht.
Über diese Bekenntnisse, über die Verlorenheit der Heimkehrer erfährt der Leser nichts, und doch kann er sich lebhaft vorstellen, worüber die Männer gesprochen haben, wie einsam sie sich auch in Holland fühlen müssen.
Alberts Stil ist schnörkellos und unaufdringlich. Vielleicht sind seine Erzählungen deshalb in Vergessenheit geraten und so lange nicht übersetzt worden. Viel zu lange. Denn gerade in ihrer Knappheit sind A. Alberts Erzählungen so eindringlich, wirken sie so modern.
A. Alberts
Die Inseln
Suhrkamp, 155 S. , EUR 17.90
Die Menge übertrifft seine Erwartungen, obwohl ich ihm die Hälfte verschweige, sonst ist er in vierzehn Tagen noch hier, und wenngleich es möglich, ja wahrscheinlich ist, dass ich in einem Monat jedem schwitzenden Europäer um den Hals fallen werde, weil ich die ganze Zeit keinen Weißen mehr gesehen habe, ist mein Bedarf fürs erste noch gedeckt.
So beginnt der Erzählband Die Inseln von A. Alberts. In wenigen Zeilen hat Albers schon alles angedeutet, die Postkartenidylle, die keine ist. Die Einsamkeit, die den Ich - Erzähler erwartet, der Trost, den er im Alkohol suchen wird und die leise Selbstironie mit der er sich die Tage auf den Inseln leichter machen will.
Die Inseln, dass sind eine handvoll der vielen einst niederländisch – indischen Inseln, die heute zu Indonesien gehören. A. Alberts hatte 1939 eine Verwaltungsstelle auf Java angenommen. Da war er 28 Jahre alt. Drei Jahre lebte er auf der kleinen Insel Madoera. 1942 wurde er von den Japanern interniert. Ein Jahr nach Ende des zweiten Weltkrieges kehrte er in die Niederlande zurück und hat sich fortan für die Unabhängigkeit Indonesiens ausgesprochen. Er wurde Journalist und schrieb Erzählungen über seine indonesische Zeit. 1952 debütierte er mit Die Inseln. Über 50 Jahre lang blieben die elf Kurzgeschichten aus den Tropen unübersetzt.
Joseph Conrad hat große Romane über die Kolonialzeit und die Kolonialbeamten geschrieben, über Almayer in Borneo, den nur eine Wahnidee von einer besseren Zukunft das öde Leben ertragen lässt.
Fast 60 Jahre später lässt A. Alberts seinen Ich – Erzähler auf eine kleine Insel kommen. Er verweigert genaue Angaben, der Mann auf der Insel bleibt namenlos. Das Dorf, in dem er lebt, ist "das Dorf", das Büro, in dem er arbeitet, "das Büro". Vor der Kulisse des üppigen grünen Regenwaldes und der brütenden, feuchten Hitze, beschreibt A. Alberts die Geschehnisse beinahe kühl. Das ist ein sehr reizvoller Gegensatz.
Die Menschen, die hier leben, wissen nicht wirklich etwas voneinander. Die Einheimischen stehen den Kolonialisten abweisend gegenüber und unter den Holländern kommt keine wirkliche Freundschaft auf. Sie besuchen sich regelmäßig, trinken miteinander, bleiben einander aber fremd.
Es ist eine Welt ohne Frauen, in der A. Alberts Protagonisten leben und es gelten die Regeln und Rituale einer Männergesellschaft. In "Das Mahl" will der Ich – Erzähler dem Fürsten seine Aufwartung machen, aber er bekommt ihn gar nicht zu Gesicht. Gut bewirtet wird er dennoch, eine Gastfreundschaft ganz eigener Art.
Das einheimische Militärkorps spielt den Trauermarsch von Chopin für Mijnherr Salomon, den sie König nennen. Fast jeden Monat proben die Musiker für dessen Beerdigung, den jeden Monat einmal liegt der pensionierte Feldwebel in der Erzählung "Der König ist tot" im Sterben.
Der Großvater Taroggis des III. ist vor siebzig Jahren als Schiffbrüchiger auf der großen Insel an Land geschwemmt worden und hat es schnell zu Reichtum und Ansehen gebracht hat. Die Taroggonis erzählen – und schließlich glauben sie es sogar - dass sie aus Tarragona stammen und dort in einer großen Villa gelebt haben. "Das Haus des Großvaters", nach dem die Erzählung benannt ist, ist eine Lüge. Doch es ist diese Lebenslüge, die den Tarrogonis ihr Dasein in den Tropen erleichtert, vielleicht sogar erst möglich macht.
In "Die Jagd" soll der Ich – Erzähler den Rebellen Hauptmann Florines stellen. Niemand wieß, warum Florines Kämpfer geworden ist und der Kolonialbeamte bezweifelt, ob Florines selbst einen Grund dafür hat. Denn eigentlich ist er Handlanger wohlhabender Jäger, veranstaltet zwielichtige Partys, schießt Wildschweine. Jetzt soll er mit seinen Männern zwei Dörfer niedergebrannt haben.
Florines war mir Sicherheit nicht der normale Messias - Rebell, der sich in ein weißes Laken hüllte, Jünger um sich scharte und sich am Ende auf einen sinnlosen Kampf einließ, um darin umzukommen. Wer hat jemals von einem Zuhälter gehört, der so zu Tode kam ? Noch dazu in einem weißen Laken? Dagegen wäre so jemand vielleicht durchaus fähig, Dörfer in Brand zu stecken.
Während er Florines mit geladener Pistole jagt, erinnert sich der Ich – Erzähler, an eine andere, seine erste – und bis dahin einzige Jagd. Von dieser Jagd hatte er nichts zurückbehalten als das Gefühl einer Verwandtschaft mit dem gehetzten Wild. Dieses Gefühl wird er wieder haben, als er sich in den Bergen unter einen eisigen Wasserfall stellt:
In diesen wenigen Augenblicken, als ich dort hockte, mit animalischem Wohlbehagen das schneidend kalte Wasser genoss, war ich das Wild, das Wildschwein, doch Florines würde mich nicht jagen.
Jäger und Gehetzter zugleich stolpert der Ich – Erzähler durch die Berge. Hier schildert A. Alberts das Innenleben seines Protagonisten, er lässt ihn träumen, sich erinnern, verwirrt sein.
A. Alberts macht keine großen Worte. Allenfalls aus Andeutungen vermag der Leser erfahren, dass in den unzugänglichen Wäldern der Inseln so manches Geheimnis verborgen ist. Entschlüsseln werden es die Kolonialbeamten nie.
In der letzten Geschichte "Hinter dem Horizont" kehrt der Ich - Erzähler nach Hause zurück. Am liebsten möchte er gar nicht von Bord des Schiffes gehen. Er ahnt, dass ihm Holland nach den Jahren auf den Inseln fremd geworden sein wird. Wie die Figuren Joseph Conrads hat auch A. Alberts Kolonialbeamter keine Heimat mehr.
Fahrräder und Autos fahren am Kanal entlang. Die Leute, die darauf oder darin sitzen, sind hier geblieben. Sie waren nicht auf den Inseln. Sie sind in diesem Land geblieben und nun Fremde für uns geworden. Für uns. Für alle Menschen auf diesem Schiff. Und wir sind Fremde für sie geworden, und das scheint uns, die Passagiere, im letzten Moment einander näher zu bringen. Die Reise hat vier Wochen gedauert und ich bin nicht der einzige, der sich danach sehnt, auf einem leeren Schiff allein weiterzufahren. Wir haben zuviel voneinander gesehen. Wir haben zu viele Bekenntnisse ausgetauscht.
Über diese Bekenntnisse, über die Verlorenheit der Heimkehrer erfährt der Leser nichts, und doch kann er sich lebhaft vorstellen, worüber die Männer gesprochen haben, wie einsam sie sich auch in Holland fühlen müssen.
Alberts Stil ist schnörkellos und unaufdringlich. Vielleicht sind seine Erzählungen deshalb in Vergessenheit geraten und so lange nicht übersetzt worden. Viel zu lange. Denn gerade in ihrer Knappheit sind A. Alberts Erzählungen so eindringlich, wirken sie so modern.
A. Alberts
Die Inseln
Suhrkamp, 155 S. , EUR 17.90