Über 500 Bilder aus bedeutenden Museen mit Reisenotizen und Inspirationen von Künstlern. Und wir beginnen in einer Kulisse des südamerikanischen Urwaldes. Da fragt man sich, ist das vielleicht der roten Faden zu Alexander von Humboldts Reisenotizen vor 200 Jahren? Zu seinen "Orten der Sehnsucht"?
Nein, erfahren wir. Es soll die Vernichtung des Regenwaldes, das Brandroden angeprangert werden. Natürlich, verqualmter, abgeholzter Regenwald, kein Ort der Sehnsucht. Was ist überhaupt "Sehnsucht"? Ist es eine romantische Gefühlssoße, ergänzt mit etwas Exotik, vielleicht auch einem Spritzer Erotik. Klammer auf. Drüben hängen Paul Gauguins eingeborene Schönheiten seiner Trauminsel Tahiti. Vielleicht gehört überhaupt ein bisschen Träumerei zur Sehnsucht hinzu.
Oder bekommen wir die Antwort vom großen Albrecht Dürer, vor genau 500 Jahren. Sie steht hier in Zitaten an der breiten Treppe angeschrieben, die aus der Urwaldkulisse gradewegs in das schillernde Venedig von 1500 führt. Dürer ist bei seiner zweiten Venedig-Reise 35 Jahre alt, notiert im Oktober 1506:
/" Oh wie wird mir nach der Sonne frieren. Hier bin ich ein Herr, daheim ein Schmarotzer. "
Daheim ein Schmarotzer, mangelnde Anerkennung im biederlichen Nürnberg? Kann man in der enggassigen Reichsstadt überhaupt die Farben der italienischen Renaissance einfangen? Oder reicht es da nur zu Dürers "Hasen", oder zu "Ritter, Tod und Teufel? Dürer schreibt dann weiter aus Venedig...
" Ich habe auch alle Maler hier zum Schweigen gebracht, die sagten, ich sei ein guter Stecher, aber als Maler könnte ich nicht mit Farben umgehen. Jetzt spricht jedermann, sie hätten nie schönere Farben gesehen... Ich bin in Venedig ein Edelmann geworden. "
Orte der Sehnsucht, auch Orte der Anerkennung. Wir stehen hier vor einem großformatigen Stadtplan Venedigs aus 1500. Nicht von Dürer, von einem venezianischen Zeitgenossen gearbeitet. Ein Holzschnitt, imposante 1,5 mal 3 Meter groß. Jedes Gebäude, jede Seufzerbrücke einzeln eingeschnitzt, als wäre es mit einer Weltraumkamera aus großer Höhe aufgenommen. Der Canal Grande, der Dogenpalast. Und dieser Holzschnitt (Holz geschnitzt ) aus dem Rijksmuseum in Amsterdam riecht förmlich nach Lagune. Herman Arnhold, der Direktor des Westfälischen Landesmuseums:
" Dürer ist sicherlich der große deutsche Künstler, der aus eigenem Antrieb sich auf diese Reise gemacht hat, nach Italien. Dem großen Reiseziel eigentlich der europäischen Kunst, seit dem Mittelalter. Um dort wirklich die großen Maler der italienischen Malerei, die großen Künstler dort kennen zu lernen und sich auch davon beeinflussen zu lassen. "
Und sich an dieser Konkurrenz zu messen. Da war ein Markt. Venedig war eine Stadt, die Knete hat. Und wenn sich da Dürer auch mit (in Gänsefüßchen) "ausstellt":
" Eines der großen Kunstzentren. Austausch. Viele Künstler an einem Ort. Auftraggeber natürlich auch. Auch wirtschaftlich gesehen war Venedig sehr wichtig, auch im Austausch mit dem Orient. "
Und nun kommen wir zu einem Bild von Albrecht Dürer, das er in Venedig und nirgendwo sonst- malen konnte. Ein feines Porträt einer jungen Dame, die mal durch viele deutsche Hände gegangen ist. Sie zierte rund 50 Jahre lang unseren 5-D-Mark-Schein.
" Und dieses Porträt einer Venezianerin, so heißt dieses Bild hier aus dem Kunsthistorischen Museum in Wien, zeigt eigentlich zum ersten Mal doch diesen sehr, sehr diesen starken italienischen Einfluss. Es ist eine Frau, in der Mode ihrer Zeit abgebildet. Wir wissen, damals, dass junge Venezianerinnen sich ihr Haar auf der Terrasse bleichen ließen, um dann dieses rote Haar einfärben zu können. "
Das Fünf-Mark-Mädchen. Und hier hängen auch einige der lieblichen Ansichten Dürers, die er unterwegs von Trient oder Innsbruck als seine Reisenotizen mitnimmt, die er koloriert, verkauft, damit seine Reise an Orte der Sehnsucht finanziert.
Und dann kommen wir zu einer imposanten, etwa 2 x 2 Meter großen Farben-"Explosion" Dürers. Von wegen, er könne nicht mit der Farbe umgehen. Ein Altarbild mit 24 wichtig aussehenden, porträtierten Personen, ich habe sie vorher durchgezählt. Einige tragen einen Kranz aus Rosenblüten auf dem Haupt. Im Zentrum sehen wir Maria, die von Engeln gekrönt wird. Mit einem etwa einjährigen Jesuskind, ohne Windeln. Engel spielen dazu die Laute.
" Ja, das ist das Hauptwerk Dürers in Venedig. Das so genannte Rosenkranzfest. Und die Marienkrönung zum Anlass nimmt, hier in einem Auftragsbild die führenden Köpfe der deutschen Kaufleute in Venedig abzubilden. Die Bedeutung dieses Bildes sieht man, dass rechts von der Maria der deutsche Kaiser (Red. Maximilian) kniet, am unteren Ende ist die Kaiserkrone abgelegt. Sie sprachen vorher von dem neuen Selbstbewusstsein des Künstlers. Dürer zeigt sich unter einem Baum stehend. Er ist die einzige Person ,in diesem Bild, der aus dem Bild heraus schaut und den Betrachter anschaut. "
Es ist an sich ein Bild wie ein laufendes Video. Man könnte hier eine halbe Stunde vor stehen, um all die feinen Nuancierungen.... Ich dachte, Rosenkranz, dachte ich an diese Gebetsperlen. Und stelle nun fest, es sind wörtlich Rosen Kränze. Die auch von dem Jesuskind für einen Bischof bereitgehalten werden....
" Künstlerisch gesehen wirkt dieses Bild natürlich über seine Komplementärfarben Rot und Blau. Vor allem dieses Blau ist auch im Original, immer noch sehr, sehr stark leuchtend. Aus dem Bild heraus leuchtend. Sicherlich das große, große Bild, in dem Dürer auch sicherlich seine Erfahrungen aus seiner Venedigzeit auch in der Porträtkunst betont. Er reist nach Venedig, weil er sagt, zu Hause gelte ich nichts, oder ich bin zu Hause an einem Punkt angekommen, wo ich an künstlerischer Inspiration anfange mich zu langweilen. Ich gehe nach Italien, in der Hoffnung auf Inspiration, auf Begegnung mit anderen Künstlern. Sicherlich auch in der Hoffnung auf Begegnung mit Klienten, mit Auftraggebern. Er übernimmt diese Anregungen der italienischen Malerei vor Ort schon in seinen Bildern. Und kehrt verändert dann zurück in seine Heimatstadt und beeinflusst seinerseits dann wiederum seine Zeitgenossen. "
Das ist Kulturtransfer. An diesem Bild, das von den potenten Auftraggebern gut honoriert wird, soll Dürer in Venedig 5 Monate gearbeitet haben. Aber auch Dürers Aussage wird erfassbar. Ich bin in Venedig ein Edelmann geworden. Nebenbei bemerkt, der kniende deutsch-römische Kaiser auf dem Altarbild ist Maximilian, der später Dürer fest engagiert.
Wenn man sich den Rundgang durch diese dreistöckige Ausstellung etwas strukturiert, dann trifft man nicht nur auf die großen Namen und deren Sehnsuchtsorte. Also Dürer/Venedig, Rubens/Rom, Gauguin/Tahiti. Deswegen jetzt bewusst ein Gegensatz. Werner Tübke, der große Maler unserer Zeit, aus Leipzig. Tübkes bekanntestes Bild ist das große rundum laufende Bauernkrieges-Panorama in Bad Frankenhausen. Und hier hängt ein junger Tübke von 1963, da ist er 33 Jahre alt, und malt einen sehr farben-prächtigen Bauernmarkt in Samarkand. Eva Marninger:
" Also, wir zeigen hier Werner Tübke, der ja 1961/62 eine große Reise durch die Sowjetunion unternommen hat. Das auf Wunsch der DDR-Regierung. Dieses Gemälde eines Bauernmarktes in Samarkand. Wir sehen wie sich die Bauern aus der Umgebung treffen, vor den Ruinen einer Moschee sammeln. Pelzbesetzte Mützen neben Turban, verschleierte Frauen.... Gleichzeitig dazu sowjetische Militärlaster, neben Karren. Also ein buntes Miteinander vor der Kulisse der verschneiten Berge... "
Orte der Sehnsucht? Das ist an sich hier keine Sehnsuchtslandschaft, das ist eine Reportage.
" Also was wir sehen, ist letztlich der Wunsch die Sowjetunion als Sehnsuchts-Ort der DDR-Reisenden zu etablieren. Und Bilder dieser, in einigen Teilen noch sehr fremden Welt, wie wir hier auch auf dem Bauernmarkt sehen, mit in die Heimat zu bringen. "
Dürfen wir das in die Schublade "bestellte Propaganda" abschieben? Jedes Bild der Michelangelos, der Raffaels oder Dürers hatte Auftraggeber oder Sponsoren, die auch durchsetzen konnten, auf gleicher Augenhöhe, beispielsweise mit der Gottesmutter ins rechte oder geschönte Licht gesetzt zu werden. Maler reisten häufig als Reisebegleiter oder bestellte Berichterstatter. Reisen, um darüber berichten zu können. Und es gibt hier im Museum eine auch begleitende Konzertreihe. Und wir hören eine kleine Probe aus Georg Friedrich Händel, der als noch nicht 21- Jähriger von 1706 bis 1710 in Florenz, Rom, Neapel und Venedig italienische Musik vor Ort studiert und komponiert.
Händel ist nun hier nicht als Objekt ausgestellt. Aus Literatur über seinen Italienaufenthalt knapp zusammengefasst:
Georg Friedrich Händel wird als sehr gut aussehender junger Mann, als sehr ehrgeizig, auch als etwas schnöselig gezeichnet. Er feiert, trotz seiner Jugend, in Italien schließlich Triumphe und finanziert seine Reisekosten schon aus eigener Tasche, schlägt sogar die großzügige Einladung eines Prinzen Ferdinando de Medici aus Florenz aus. Seine Mäzene, beispielsweise in Rom, sind Kardinäle, die (unter der Hand) als "ohne Moral, ohne Glauben, .....aber auch als Freunde der Künste... und als große Musiker bezeichnet werden. Händel ist halboffiziell als "Protege", als Komponist, Cembalist und Orgelvirtuoser angestellt. Einer dieser Kardinäle schreibt Händel auch ein Libretto für einer der Opern des "Sachsen", wie Händel in Italien bezeichnet wird. Händels Opern, die in Rom und Venedig Furore machen.
"Orte der Sehnsucht" auch im doppelten Sinn. Der junge Händel soll mit zickigen Primadonnen durchaus private Verhältnisse gepflegt haben. Und es ist auch etwas witzig, dass katholische Kardinäle dem evangelischen Händel in Rom ihre Paläste öffnen. Und wir wechseln in die Ausstellungsräume der Abeilung "Johann Wolfgang von Goethe, Italienische Reise, Johann Heinrich Wilhelm Tischbein, der Maler". Und wir sehen die bekannten Bilder von Tischbein. Den geruhsam hin gelagerten Dichterfürsten 1787, mit seinem breitkrempigen Hut. Oder Tischbeins Zeichnung, Goethe in billiger Kniebund-Buchse und Pantoffeln am Fenster seiner römischen "Maler-WG". Rom, das war des Ministers a. D. geplanter Ort der Sehnsucht. Und hier hängen auch Goethes durchaus gelungenen Landschaftsbilder. Er ist durch Ausbildung seiner Maler-WG ein talentierter Landschaftsmaler geworden. Und wir sehen hier auch ein Selbstporträt der Schweizer Malerin Angelika Kaufmann, deren Bekanntschaft Goethe in Rom macht. Angelika Lorenz:
" Angelika Kaufmann, zu ihrer Zeit eine der bekanntesten Persönlichkeiten in der Kunstwelt. Sie war für viele die Muse in Rom, hat einen Salon geführt. Es kamen in der Zeit sehr viele Fremden nach Rom, die sich von Angelika Kaufmann malen ließen. Goethe macht ihr seine Aufwartung. Aber es ist auch so, dass sie sehr interessiert natürlich an ihm ist. Sie weiß, wen sie vor sich hat. Er lernt durch die Vermittlung von Angelika Kaufmann auch Sammlungen kennen, in denen vor allem auch die Landschaftsmalerei stark vertreten sind. Und sie trifft auf einen sehr interessierten, mit allen Sinnen Rom wahrnehmenden Schriftsteller, Dichter und Wandersmann. "
Und die Kaufmann hat auch ihren prominenten Besucher aus Weimar porträtiert. Abschließend noch ein Sprung über das Mittelmeer in den Orient. Wir greifen die Reise des Malers August Macke im April 1914 auf. Drei befreundete Maler suchen das Land des Lichtes. Und ganze Kisten voll mit sehr bunten, expressionistischen Aquarellen und Skizzenbüchern als Reisenotizen. Und wir sehen hier u. a. auch Mackes bekanntes Aquarell "Blick auf Kairouan", der heiligen Stadt des Islam. Erich Franz
" Also, Macke und Klee, zusammen mit ihrem Freund Moilliet waren ja nur 14 Tage in Nordafrika, in Tunesien. Und Macke hat da über hundert Skizzen in diesen 14 Tagen geschaffen und außerdem noch genau 37 Aquarelle. Und eigentlich hat Macke Paul Klee dazu gebracht sich intensiv mit der Farbe zu befassen, bei dieser Reise. Und das führt dazu, dass Paul Klee am Schluss der Reise sagte, ich kenne mich jetzt wirklich mit der Farbe aus. Ich und die Farbe sind eins, ich bin Maler. "
Auch hier spricht die Kunstwelt, nach der Rückkehr der drei Freunde, von Farb-Explosionen. Da schließt sich auch etwas ein Kreis zu Dürers Reise, 400 Jahre zuvor nach Venedig. Und auch der Besucher der Ausstellung -heute- mag abschließend sagen, ich kenne mich jetzt mit den Farben der Sehnsucht aus. Und die Rubens und Humboldts und Gaugins und Noldes und die vielen anderen großen Namen, die wir leider hier nicht vorstellten können, sie warten noch bis zum 11. Januar in Münster auf weitere Sonntagsspaziergänger, auch an Werktagen.
Nein, erfahren wir. Es soll die Vernichtung des Regenwaldes, das Brandroden angeprangert werden. Natürlich, verqualmter, abgeholzter Regenwald, kein Ort der Sehnsucht. Was ist überhaupt "Sehnsucht"? Ist es eine romantische Gefühlssoße, ergänzt mit etwas Exotik, vielleicht auch einem Spritzer Erotik. Klammer auf. Drüben hängen Paul Gauguins eingeborene Schönheiten seiner Trauminsel Tahiti. Vielleicht gehört überhaupt ein bisschen Träumerei zur Sehnsucht hinzu.
Oder bekommen wir die Antwort vom großen Albrecht Dürer, vor genau 500 Jahren. Sie steht hier in Zitaten an der breiten Treppe angeschrieben, die aus der Urwaldkulisse gradewegs in das schillernde Venedig von 1500 führt. Dürer ist bei seiner zweiten Venedig-Reise 35 Jahre alt, notiert im Oktober 1506:
/" Oh wie wird mir nach der Sonne frieren. Hier bin ich ein Herr, daheim ein Schmarotzer. "
Daheim ein Schmarotzer, mangelnde Anerkennung im biederlichen Nürnberg? Kann man in der enggassigen Reichsstadt überhaupt die Farben der italienischen Renaissance einfangen? Oder reicht es da nur zu Dürers "Hasen", oder zu "Ritter, Tod und Teufel? Dürer schreibt dann weiter aus Venedig...
" Ich habe auch alle Maler hier zum Schweigen gebracht, die sagten, ich sei ein guter Stecher, aber als Maler könnte ich nicht mit Farben umgehen. Jetzt spricht jedermann, sie hätten nie schönere Farben gesehen... Ich bin in Venedig ein Edelmann geworden. "
Orte der Sehnsucht, auch Orte der Anerkennung. Wir stehen hier vor einem großformatigen Stadtplan Venedigs aus 1500. Nicht von Dürer, von einem venezianischen Zeitgenossen gearbeitet. Ein Holzschnitt, imposante 1,5 mal 3 Meter groß. Jedes Gebäude, jede Seufzerbrücke einzeln eingeschnitzt, als wäre es mit einer Weltraumkamera aus großer Höhe aufgenommen. Der Canal Grande, der Dogenpalast. Und dieser Holzschnitt (Holz geschnitzt ) aus dem Rijksmuseum in Amsterdam riecht förmlich nach Lagune. Herman Arnhold, der Direktor des Westfälischen Landesmuseums:
" Dürer ist sicherlich der große deutsche Künstler, der aus eigenem Antrieb sich auf diese Reise gemacht hat, nach Italien. Dem großen Reiseziel eigentlich der europäischen Kunst, seit dem Mittelalter. Um dort wirklich die großen Maler der italienischen Malerei, die großen Künstler dort kennen zu lernen und sich auch davon beeinflussen zu lassen. "
Und sich an dieser Konkurrenz zu messen. Da war ein Markt. Venedig war eine Stadt, die Knete hat. Und wenn sich da Dürer auch mit (in Gänsefüßchen) "ausstellt":
" Eines der großen Kunstzentren. Austausch. Viele Künstler an einem Ort. Auftraggeber natürlich auch. Auch wirtschaftlich gesehen war Venedig sehr wichtig, auch im Austausch mit dem Orient. "
Und nun kommen wir zu einem Bild von Albrecht Dürer, das er in Venedig und nirgendwo sonst- malen konnte. Ein feines Porträt einer jungen Dame, die mal durch viele deutsche Hände gegangen ist. Sie zierte rund 50 Jahre lang unseren 5-D-Mark-Schein.
" Und dieses Porträt einer Venezianerin, so heißt dieses Bild hier aus dem Kunsthistorischen Museum in Wien, zeigt eigentlich zum ersten Mal doch diesen sehr, sehr diesen starken italienischen Einfluss. Es ist eine Frau, in der Mode ihrer Zeit abgebildet. Wir wissen, damals, dass junge Venezianerinnen sich ihr Haar auf der Terrasse bleichen ließen, um dann dieses rote Haar einfärben zu können. "
Das Fünf-Mark-Mädchen. Und hier hängen auch einige der lieblichen Ansichten Dürers, die er unterwegs von Trient oder Innsbruck als seine Reisenotizen mitnimmt, die er koloriert, verkauft, damit seine Reise an Orte der Sehnsucht finanziert.
Und dann kommen wir zu einer imposanten, etwa 2 x 2 Meter großen Farben-"Explosion" Dürers. Von wegen, er könne nicht mit der Farbe umgehen. Ein Altarbild mit 24 wichtig aussehenden, porträtierten Personen, ich habe sie vorher durchgezählt. Einige tragen einen Kranz aus Rosenblüten auf dem Haupt. Im Zentrum sehen wir Maria, die von Engeln gekrönt wird. Mit einem etwa einjährigen Jesuskind, ohne Windeln. Engel spielen dazu die Laute.
" Ja, das ist das Hauptwerk Dürers in Venedig. Das so genannte Rosenkranzfest. Und die Marienkrönung zum Anlass nimmt, hier in einem Auftragsbild die führenden Köpfe der deutschen Kaufleute in Venedig abzubilden. Die Bedeutung dieses Bildes sieht man, dass rechts von der Maria der deutsche Kaiser (Red. Maximilian) kniet, am unteren Ende ist die Kaiserkrone abgelegt. Sie sprachen vorher von dem neuen Selbstbewusstsein des Künstlers. Dürer zeigt sich unter einem Baum stehend. Er ist die einzige Person ,in diesem Bild, der aus dem Bild heraus schaut und den Betrachter anschaut. "
Es ist an sich ein Bild wie ein laufendes Video. Man könnte hier eine halbe Stunde vor stehen, um all die feinen Nuancierungen.... Ich dachte, Rosenkranz, dachte ich an diese Gebetsperlen. Und stelle nun fest, es sind wörtlich Rosen Kränze. Die auch von dem Jesuskind für einen Bischof bereitgehalten werden....
" Künstlerisch gesehen wirkt dieses Bild natürlich über seine Komplementärfarben Rot und Blau. Vor allem dieses Blau ist auch im Original, immer noch sehr, sehr stark leuchtend. Aus dem Bild heraus leuchtend. Sicherlich das große, große Bild, in dem Dürer auch sicherlich seine Erfahrungen aus seiner Venedigzeit auch in der Porträtkunst betont. Er reist nach Venedig, weil er sagt, zu Hause gelte ich nichts, oder ich bin zu Hause an einem Punkt angekommen, wo ich an künstlerischer Inspiration anfange mich zu langweilen. Ich gehe nach Italien, in der Hoffnung auf Inspiration, auf Begegnung mit anderen Künstlern. Sicherlich auch in der Hoffnung auf Begegnung mit Klienten, mit Auftraggebern. Er übernimmt diese Anregungen der italienischen Malerei vor Ort schon in seinen Bildern. Und kehrt verändert dann zurück in seine Heimatstadt und beeinflusst seinerseits dann wiederum seine Zeitgenossen. "
Das ist Kulturtransfer. An diesem Bild, das von den potenten Auftraggebern gut honoriert wird, soll Dürer in Venedig 5 Monate gearbeitet haben. Aber auch Dürers Aussage wird erfassbar. Ich bin in Venedig ein Edelmann geworden. Nebenbei bemerkt, der kniende deutsch-römische Kaiser auf dem Altarbild ist Maximilian, der später Dürer fest engagiert.
Wenn man sich den Rundgang durch diese dreistöckige Ausstellung etwas strukturiert, dann trifft man nicht nur auf die großen Namen und deren Sehnsuchtsorte. Also Dürer/Venedig, Rubens/Rom, Gauguin/Tahiti. Deswegen jetzt bewusst ein Gegensatz. Werner Tübke, der große Maler unserer Zeit, aus Leipzig. Tübkes bekanntestes Bild ist das große rundum laufende Bauernkrieges-Panorama in Bad Frankenhausen. Und hier hängt ein junger Tübke von 1963, da ist er 33 Jahre alt, und malt einen sehr farben-prächtigen Bauernmarkt in Samarkand. Eva Marninger:
" Also, wir zeigen hier Werner Tübke, der ja 1961/62 eine große Reise durch die Sowjetunion unternommen hat. Das auf Wunsch der DDR-Regierung. Dieses Gemälde eines Bauernmarktes in Samarkand. Wir sehen wie sich die Bauern aus der Umgebung treffen, vor den Ruinen einer Moschee sammeln. Pelzbesetzte Mützen neben Turban, verschleierte Frauen.... Gleichzeitig dazu sowjetische Militärlaster, neben Karren. Also ein buntes Miteinander vor der Kulisse der verschneiten Berge... "
Orte der Sehnsucht? Das ist an sich hier keine Sehnsuchtslandschaft, das ist eine Reportage.
" Also was wir sehen, ist letztlich der Wunsch die Sowjetunion als Sehnsuchts-Ort der DDR-Reisenden zu etablieren. Und Bilder dieser, in einigen Teilen noch sehr fremden Welt, wie wir hier auch auf dem Bauernmarkt sehen, mit in die Heimat zu bringen. "
Dürfen wir das in die Schublade "bestellte Propaganda" abschieben? Jedes Bild der Michelangelos, der Raffaels oder Dürers hatte Auftraggeber oder Sponsoren, die auch durchsetzen konnten, auf gleicher Augenhöhe, beispielsweise mit der Gottesmutter ins rechte oder geschönte Licht gesetzt zu werden. Maler reisten häufig als Reisebegleiter oder bestellte Berichterstatter. Reisen, um darüber berichten zu können. Und es gibt hier im Museum eine auch begleitende Konzertreihe. Und wir hören eine kleine Probe aus Georg Friedrich Händel, der als noch nicht 21- Jähriger von 1706 bis 1710 in Florenz, Rom, Neapel und Venedig italienische Musik vor Ort studiert und komponiert.
Händel ist nun hier nicht als Objekt ausgestellt. Aus Literatur über seinen Italienaufenthalt knapp zusammengefasst:
Georg Friedrich Händel wird als sehr gut aussehender junger Mann, als sehr ehrgeizig, auch als etwas schnöselig gezeichnet. Er feiert, trotz seiner Jugend, in Italien schließlich Triumphe und finanziert seine Reisekosten schon aus eigener Tasche, schlägt sogar die großzügige Einladung eines Prinzen Ferdinando de Medici aus Florenz aus. Seine Mäzene, beispielsweise in Rom, sind Kardinäle, die (unter der Hand) als "ohne Moral, ohne Glauben, .....aber auch als Freunde der Künste... und als große Musiker bezeichnet werden. Händel ist halboffiziell als "Protege", als Komponist, Cembalist und Orgelvirtuoser angestellt. Einer dieser Kardinäle schreibt Händel auch ein Libretto für einer der Opern des "Sachsen", wie Händel in Italien bezeichnet wird. Händels Opern, die in Rom und Venedig Furore machen.
"Orte der Sehnsucht" auch im doppelten Sinn. Der junge Händel soll mit zickigen Primadonnen durchaus private Verhältnisse gepflegt haben. Und es ist auch etwas witzig, dass katholische Kardinäle dem evangelischen Händel in Rom ihre Paläste öffnen. Und wir wechseln in die Ausstellungsräume der Abeilung "Johann Wolfgang von Goethe, Italienische Reise, Johann Heinrich Wilhelm Tischbein, der Maler". Und wir sehen die bekannten Bilder von Tischbein. Den geruhsam hin gelagerten Dichterfürsten 1787, mit seinem breitkrempigen Hut. Oder Tischbeins Zeichnung, Goethe in billiger Kniebund-Buchse und Pantoffeln am Fenster seiner römischen "Maler-WG". Rom, das war des Ministers a. D. geplanter Ort der Sehnsucht. Und hier hängen auch Goethes durchaus gelungenen Landschaftsbilder. Er ist durch Ausbildung seiner Maler-WG ein talentierter Landschaftsmaler geworden. Und wir sehen hier auch ein Selbstporträt der Schweizer Malerin Angelika Kaufmann, deren Bekanntschaft Goethe in Rom macht. Angelika Lorenz:
" Angelika Kaufmann, zu ihrer Zeit eine der bekanntesten Persönlichkeiten in der Kunstwelt. Sie war für viele die Muse in Rom, hat einen Salon geführt. Es kamen in der Zeit sehr viele Fremden nach Rom, die sich von Angelika Kaufmann malen ließen. Goethe macht ihr seine Aufwartung. Aber es ist auch so, dass sie sehr interessiert natürlich an ihm ist. Sie weiß, wen sie vor sich hat. Er lernt durch die Vermittlung von Angelika Kaufmann auch Sammlungen kennen, in denen vor allem auch die Landschaftsmalerei stark vertreten sind. Und sie trifft auf einen sehr interessierten, mit allen Sinnen Rom wahrnehmenden Schriftsteller, Dichter und Wandersmann. "
Und die Kaufmann hat auch ihren prominenten Besucher aus Weimar porträtiert. Abschließend noch ein Sprung über das Mittelmeer in den Orient. Wir greifen die Reise des Malers August Macke im April 1914 auf. Drei befreundete Maler suchen das Land des Lichtes. Und ganze Kisten voll mit sehr bunten, expressionistischen Aquarellen und Skizzenbüchern als Reisenotizen. Und wir sehen hier u. a. auch Mackes bekanntes Aquarell "Blick auf Kairouan", der heiligen Stadt des Islam. Erich Franz
" Also, Macke und Klee, zusammen mit ihrem Freund Moilliet waren ja nur 14 Tage in Nordafrika, in Tunesien. Und Macke hat da über hundert Skizzen in diesen 14 Tagen geschaffen und außerdem noch genau 37 Aquarelle. Und eigentlich hat Macke Paul Klee dazu gebracht sich intensiv mit der Farbe zu befassen, bei dieser Reise. Und das führt dazu, dass Paul Klee am Schluss der Reise sagte, ich kenne mich jetzt wirklich mit der Farbe aus. Ich und die Farbe sind eins, ich bin Maler. "
Auch hier spricht die Kunstwelt, nach der Rückkehr der drei Freunde, von Farb-Explosionen. Da schließt sich auch etwas ein Kreis zu Dürers Reise, 400 Jahre zuvor nach Venedig. Und auch der Besucher der Ausstellung -heute- mag abschließend sagen, ich kenne mich jetzt mit den Farben der Sehnsucht aus. Und die Rubens und Humboldts und Gaugins und Noldes und die vielen anderen großen Namen, die wir leider hier nicht vorstellten können, sie warten noch bis zum 11. Januar in Münster auf weitere Sonntagsspaziergänger, auch an Werktagen.