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Künstler der leisen Töne - und dennoch ein Mahner

Georg Meistermann gilt als einer der bedeutendsten Glasmaler der Nachkriegsmoderne, der in Kirchen und Profanbauten bleibende Akzente setzte. Als Mensch, Akademielehrer und Künstler gehörte er zu denjenigen, die vor einem Wieder-Erstarken des Nationalsozialismus beharrlich warnten.

Von Rainer Berthold Schossig | 16.06.2011
    "Kirchen in Trümmern" – "Der Künstler und die Gesellschaft" – "Was abstrakte Maler lehren"

    Schon die Titel einiger Aufsätze des Glaskünstlers und Malers Georg Meistermann deuten an, worauf es ihm ankam: Er suchte nach einem Platz in der Geschichte, einer Definition der Rolle der Kunst in seiner Zeit, ein geradezu altmodisches Profil des "engagierten Künstlers". Am 16. Juni 1911 in Solingen geboren, begann Meistermann 1931 ein Studium an der Kunstakademie Düsseldorf bei dem Bildhauer Ewald Mataré. Doch den jagten die Nationalsozialisten schon 1933 davon, auch Georg Meistermann wurde das Weiter-Studieren untersagt.

    "Ich war mit 22 Jahren bereits 'entarteter Künstler', flog von der Düsseldorfer Akademie heraus, von dem Augenblick war ja klar, dass mit den Nazis und mir keine Verbindung möglich war. Außerdem hatte ich ja 1926 bereits Hitlers 'Mein Kampf' gelesen; ich war also durch nichts, was im Dritten Reich passiert ist, überrascht."

    Meistermann taucht ins Innere Exil ab, schlägt sich als Zeichenlehrer durch. 1937 besucht er die Pariser Weltausstellung, wo er nicht nur die moderne französische Malerei kennenlernt, sondern auch die gotischen Kathedralen und ihre Glaskunst:

    Die überirdische Pracht der Kirchenfenster fasziniert den jungen Katholiken. Er beginnt, sich intensiv mit der Wirkung farbigen Glases zu beschäftigen. Sein gesamtes Frühwerk geht im Krieg verloren; die Erfahrung der NS-Diktatur aber prägt ihn ein Leben lang. Meistermann bleibt der Glaskunst treu, der Wiederaufbau nach dem Krieg bietet ihm dafür ein weites Betätigungsfeld. Feiningers Heiterkeit und Mackes Strenge sind Bezugspunkte seiner Glas-Kunst, die im Laufe der Jahrzehnte einen vollendeten Schwebezustand von Stille, Licht und Farbe erreicht. Der Kubismus Picassos und Klees steht Pate für seinen verspätet abstrahierenden Malstil:

    "Propaganda für Gott machen mit christlichen Inhalten – erschöpfend ist das für mich nicht. Das ist eine meiner Seiten, aber jedenfalls habe ich manchmal noch mehr Lust, freie Bilder zu malen, einfach den Eingebungen zu folgen, die mir die Fantasie zur Verfügung stellt, und dieses Produkt ist mir genauso lieb, wie das Produkt eines Kirchenfensters."

    Blatt- und Kreuzformen und spinnwebartige Verspannungen wechseln ab mit fächerförmigen Raumkonstruktionen – starkfarbige Bilder mit meditativ-monochromen Kompositionen. Sakrale und säkulare Werke behandelt er gleichberechtigt. Vor Meistermanns Treppenhaus-Verglasung im WDR-Funkhaus Köln erlebt man noch heute eine ebenso merkwürdige Verzauberung wie angesichts der triumphierenden Farbkaskaden der Fenster, die er zum Neubau der Kaiser-Friedrich-Gedächtniskirche im Westberliner Hansaviertel beigesteuert hat. Der Aufbruch der Kunst nach 1945, die neue Freiheit ist ihm aber auch Verpflichtung.

    "Ich bin zunächst einmal Maler, und wenn ich ein Talent habe, dann habe ich die Verpflichtung, wie mit einem Kapital damit umzugehen. Das heißt, ich muss mir darüber klar sein, dass ich für dieses Kapital – Talent – Zinsen bringen muss; und diese Zinsen bringen ist: Arbeiten!"

    Dies tut Meistermann nicht nur als Künstler, sondern auch als Lehrer, zunächst an der Frankfurter Städelschule, später in Düsseldorf, Karlsruhe und München. Als langjähriger Präsident des Deutschen Künstlerbundes ist er ein unermüdlicher Streiter für die Belange seiner Zunft.

    ""Ich habe versucht klar zu machen, dass es gut wäre, wenn sich Künstler zusammenschließen würden, um einen besseren Ausgangspunkt zu haben. Die Künstler haben eine furchtbare Versuchung, sich selber ungeheuer wichtig zu nehmen."

    Meistermann erreichte alles, was sich ein deutscher Nachkriegskünstler erträumen konnte: Die Kasseler "documenta", die Biennale von Venedig, öffentliche Anerkennung und viele Preise; von all dem aber ließ er sich nicht beirren.

    Sein Spätwerk ist reine Malerei, Darstellung des Unsichtbaren, des Geistigen und Immateriellen – das wohl konsequente Ende eines Weges, der mit Verweigerung und Unangepasstheit begann. Georg Meistermann starb im Jahre 1990. Auch als Erfolgreicher war er ein Künstler der leisen Töne geblieben. Sein Credo hat er 1967 formuliert:

    "Predigen und Befehlen sollten wir endlich lassen. Stattdessen aber unermüdlich das Gespräch suchen, das uns erst zu Menschen macht."