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Künstler der zwei Welten

Der italienische Komponist Gian Carlo Menotti ist tot. Er starb im Alter von 95 Jahren in Monte Carlo. Menotti, der 28 Jahre lang in den USA gelebt hatte, hat in seiner langen Karriere zahlreiche Opern besonders in der Tradition von Giacomo Puccini geschrieben, darunter 1950 das Werk "The Consul". Später gründete er als Orte der Begegnung für Musiker der Alten und Neuen Welt die "Festivals der zwei Welten" in Spoleto, Charleston und Melbourne.

Von Thomas Migge |
    Im Probensaal des Teatro Nuovo in Spoleto. Eine Probe für die Oper "The Saint of the Blecker Street" für das "Festival dei due Mondi" im Jahr 2001. Komponist Gian Carlo Menotti führte selbst die Regie und das, obwohl er bereits 90 Jahre alt war.

    Menotti besaß keinen Schulabschluss. Vor seinem Abitur schickte ihn seine musikbegeisterte Mutter auf Rat von Arturo Toscanini nach Philadelphia in die USA. Am Curtis-Institute, wo er nicht nur Komposition studierte, sondern auch seinen Lebenspartner, den später ebenfalls berühmt gewordenen Komponisten Samuel Barber kennen lernte. Mit nur 18 Jahren komponierte Menotti am Curtis "Amelia al Ballo", eine Opera Buffa, die von der Kritik so gut aufgenommen wurde, dass der junge Komponist kurze Zeit später an die Metropolitan Opera in New York gerufen wurde, um auch dort dieses erste Werk aufzuführen .- eine Oper, die noch heute weltweit eine der am häufigsten Uraufgeführten ist. Der junge Italiener war in den USA auf einen Schlag zum Star geworden.

    Ihn nur, wie viele Musikkritiker, als Post-Puccini abzutun, ist eine grobe Fehleinschätzung. In den ersten Jahren seines Amerikaaufenthaltes löste Menotti sich von europäischen Musiktraditionen. Seine Musik wurde, wie er es nannte, demokratisch, damit meinte Menotti: verständlich weil melodisch. Und weil er melodische Musik komponierte und die atonale Musik entschieden ablehnte, setzte er sich immer schon großer Kritik aus. Menotti selbst lachte nur darüber. Der immense Erfolg seiner Opern scheint ihm recht zu geben.

    "Vielleicht kann man den Erfolg einer Oper wie 'Amelia', die sich an die italienische Opera buffa anlehnt, damit erklären, dass das Publikum davon überrascht war. Von einer musikalischen Tradition, die man tot glaubte. Das war schon eine Überraschung, damals als zeitgenössische Opern selten waren. Und dann war es ja die Zeit der Zwölfton-Musik, eine Zeit in der alle ganz tiefschürfend, intellektuell sein wollten. Meine Oper, die war hingegen wie ein Glas Champagner."

    Im Unterschied zu anderen modernen Komponisten hat Menotti sein Können in verschiedenen Fächern bewiesen: Schauspiel, Ballette, Kammermusik und die ersten Opern für das Radio und für das Fernsehen. Doch seine ganze Faszination galt der Oper für die Bühne. Eines der ergreifendsten Bühnenwerke Menottis ist "The Consul". Die Oper in drei Akten von 1950 wurde zu einem internationalen Erfolg. Sie schildert das Drama von Menschen, die aus einer Diktatur ausreisen wollen - ein noch heute aktuelles Werk.

    Menotti suchte die musikalische Form der Oper vom Stofflichen her zu aktualisieren. Sein neoveristisches Opernkonzept ist das Bestreben nach absoluter musikalischer Einfachheit. Die Musik, die so Menotti aus dem Herzen kommen muss, um den Zuhörer gefangen zu nehmen, ist eine Bereicherung des Bühnengeschehens. Libretto und Musik sind nicht voneinander zu trennen. Seine Libretti schrieb er sich selbst, zweimal gewann er für seine Texte den begehrten Pulitzer Preis. 1957 gründete Menotti im umbrischen Spoleto das "Festival dei due Mondi", das "Festival der zwei Welten".

    "Man muss der Gemeinschaft klarmachen, dass sie dem Künstler einen Platz geben muss. Der Künstler der nach Spoleto kommt, fühlt sofort, dass er wie ein Held behandelt wird. Die Leute wissen, dass sie dank des Künstlers essen, trinken und ruhig schlafen, denn er lockt Interessierte und damit Geld an. Also muss man dem Künstler dafür danken."

    Aus dem verschlafen Dorf Spoleto ist eine reiche Ortschaft geworden - dank des Festivals und dank Gian Carlo Menottis, der die Bürger in sein Festival mit einbezog. Das "Festival dei due Mondi" ist zum künstlerischen Sprungbrett großer Namen geworden: darunter der französische Pianist Jean-Ives Thibaudet und die amerikanische Sopranistin Renèe Flemming. Menotti kann die 50. Ausgabe seines Festivals in diesem Juli nicht mehr erleben. Donnerstagnachmittag starb er in Monte Carlo, wo am 9. Februar seine Oper "The Medium" Premiere hat, ein Werk von 1946.