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Künstler für Berlusconi

Kurz vor der Wahl in Italien scheint es durchaus möglich, dass Silvio Berlusconi zum dritten Mal zum Ministerpräsident gewählt wird. Die meisten Intellektuellen - wie der Schriftsteller Umberto Eco oder der Fotograf Oliviero Toscani - sind zwar entschiedene Gegner von Berlusconi. Doch seine Partei "Volk der Freiheit" hat durchaus auch intellektuelle Befürworter aufzuweisen.

Von Thomas Migge |
    "Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich mich mit meinen Ideen in der Partei von Silvio Berlusconi wohl fühle. Hier wird mein Denken repräsentiert. Dazu gehört der entschiedene Antikommunismus, die Möglichkeit, sich frei für etwas zu entscheiden, das absolute liberale Denken. Das repräsentiert dieser Politiker für mich."

    Franco Zeffirelli spricht sich offen für Silvio Berlusconi aus. Der berühmte Opernregisseur ist vor zwei Jahren sogar als Kandidat für Berlusconis Partei "Forza Italia" bei den Parlamentswahlen angetreten und wurde Mitglied des Senats. Heute existiert "Forza Italia" nicht mehr, Berlusconi hat seiner politischen Bewegung den Namen "Volk der Freiheit" gegeben, aber Zeffirelli steht immer noch erklärtermaßen an der Seite des Unternehmers.

    Viele Künstler und Intellektuelle, die sich ohne Vorbehalte für Berlusconi und seine Partei aussprechen, scheint es in Italien nicht zu geben. Die ganz großen Namen der Intellektuellen- und Kulturszene, darunter der Semiologe Umberto Eco, der Schriftsteller Andrea Camilleri, der Philosoph Gianni Vattimo oder auch der Fotograf Oliviero Toscani - sie alle erklären sich als entschiedene Gegner der politischen Ideen Berlusconis und unterstützen dessen politischen Kontrahenten, den Chef der neuen Linkspartei Walter Veltroni.

    Dieser linke Mainstream hat in Italien eine lange Geschichte. Sie hat ihren Ausgang im kommunistisch dominierten antifaschistischen Widerstand während des Zweiten Weltkriegs und in der nach Kriegsende starken KPI. Sie verstand es wie keine andere Partei, Italiens Intellektuelle und Künstler an sich zu binden. So erkläre es sich auch, davon ist die Schriftstellerin Lidia Ravera überzeugt, dass Künstler und Intellektuellen in Italien immer noch vor allem links und berlusconikritisch seien:

    "Die ersten beiden Regierungen Berlusconi waren dramatisch für dieses Land. Deshalb kann jemand, der seinen Kopf zum denken benutzt, nicht diesen Mann wählen. Ich hoffe, dass er bei den Wahlen verliert und die Gefahr einer neuer Berlusconiregierung ein Ende hat."

    Doch schaut man genau hin, wird deutlich, dass es doch schon Künstler und Intellektuelle gibt, die pro-Berlusconi sind. Dabei handelt es sich nicht um die auch im Ausland bekannten Kulturpromis, sondern um Personen, die nur in Italien einen Namen haben. Darunter auffallend viele Wirtschaftswissenschafter, wie zum Beispiel Giulio Tremonti, Finanzminister in der letzten Regierung Berlusconi. Der Professor der Ökonomie an der Mailänder Universität versuchte, als Minister das wirtschaftsliberale Denken seines Parteichefs in die Realität umzusetzen versuchte. Ihn nicht als Intellektuellen zu bezeichnen, nur weil er Berlusconianhänger ist, meint der Soziologe Giuseppe De Rita, Präsident des Sozialforschungsinstituts CENSIS, sei absurd und dumm:

    "Italien ist ein Land der großen Widersprüche und der Leute, die aus ideologischen Gründen nicht einsehen wollen, dass auch der politische Gegner Intellektuelle auf seiner Seite hat. So verteufelt Berlusconi die Intellektuellen der Linken als dumme Altkommunisten, und die Linken wollen nicht erkennen, dass auch Berlusconi Vordenker und Kulturleute auf seiner Seite hat. Das sind, nicht unschwer nachzuvollziehen bei der Partei eines Unternehmers, primär Intellektuelle aus den Bereichen Wirtschaft und Finanzen."

    Der Journalist und Buchautor Daniele Scalise, der jahrelang die Schwulenrubrik von Berlusconis Newsmagazin "Panorama" betreut hat, ist davon überzeugt, dass die Linken vor allem Zuspruch unter den Kulturrepräsentanten aus Literatur, Philosophie, Musik, bildenden Künsten et cetera finden:

    "Berlusconis Partei hingegen wird zum Sammelbecken von Intellektuellen aus ganz anderen Disziplinen: Wirtschaft, Finanzen, Industrie et cetera. Aber seine Partei verfügt auch über Mitglieder aus den Bereichen Theater und Journalismus. Und: Er förderte sogar eine eigene parteiinterne Schwulensektion. Zu behaupten, diese Rechte sei nur dumpf, intolerant und etwas für intellektuell nicht gerade ausgeprägte Menschen, ist Schwachsinn und entspricht nicht der Realität. Auch bei Berlusconi gibt es Leute aus der Kultur."

    Darunter der Schriftsteller Giancarlo Lehner. Er wie auch die prominenten Journalistinnen Diana De Feo und Fiamma Nierenstein kandidieren für die Partei "Volk der Freiheit" bei den anstehenden Parlamentswahlen. Für Berlusconi und seine Politik spricht sich der Schauspieler Luca Barbareschi aus wie auch die populäre TV-Journalistin Gabriella Giammanco. Italiens wohl berühmtester Bibliophiler ist übrigens nicht nur Fan von Berlusconi, sondern auch einer seiner engsten Mitarbeiter. Es war dem Werbefachmann Marcello Dell'Utri zu verdanken, dass Ende 1993 in nur sechs Monaten die Partei "Forza Italia" aus dem Nichts geschaffen und nach weiteren vier Monaten zum Wahlsieg geführt wurde.

    Gegen Dell'Utri wird wegen des Verdachts der Kungelei mit der Mafia auf Sizilien, der Cosa Nostra, ermittelt. Auch wenn es nicht in das überaus negative Bild dieses Mannes passt: Er ist ein passionierter Sammler antiquarischer Bücher - und in puncto Literatur gehört er zu den ersten Ansprechpartnern auch linker Intellektueller, wie zum Beispiel Umberto Eco: Nicht selten diskutiert er mit ihnen bei Podiums- und Fernsehdiskussionen.