Mittwoch, 24. April 2024

Archiv


Künstler im Dienst des NS-Regimes

Viele bedeutende Künstler ließen sich vom NS-Regime zur Mitarbeit gewinnen. Mit der Gründung der sogenannten Reichskulturkammer gelang es Propagandaminister Joseph Goebbels, die Hoffnung auf soziale Sicherheit und künstlerische Freiheit zu wecken - eine Hoffnung, die sich bald als trügerisch erwies.

Von Bert-Oliver Manig | 22.09.2008
    Der Mann der Stunde hieß Joseph Goebbels: Mit der am 22. September 1933 vom Reichskabinett beschlossenen Gründung der Reichskulturkammer erhielt der Propagandaminister fast grenzenlose Kompetenzen auf dem Gebiet der Kultur: Alle bildenden und darstellenden Künstler, Musiker, Schriftsteller, Journalisten und Verleger wurden zwangsweise in die Goebbels unterstehende Mammutorganisation, ihre Unterkammern und Fachverbände eingegliedert.

    In der Zwangsmitgliedschaft lag eine gefährliche Drohung: Der mögliche Kammerausschluss wegen fehlender "Eignung" oder "Zuverlässigkeit" bedeutete Berufsverbot. Doch bei der feierlichen Eröffnung der Reichskulturkammer am 15. November 1933 wurde nicht gedroht, sondern gelockt:

    "Nicht einengen wollen wir die künstlerisch-kulturelle Entwicklung, sondern fördern. Der Staat will seine schützende Hand darüber halten."

    Damit versprach Goebbels nicht nur soziale Fürsorge - auch die wilden Aktionen gegen missliebige Künstler im Zuge der "Machtergreifung" der NSDAP sollten beendet sein. Die Boykottaktionen gegen jüdische Musiker, die Verfolgung sozialkritischer Schriftsteller, die Diffamierung avantgardistischer Strömungen und die Bücherverbrennungen am 10. Mai 1933 hatten zahlreiche Künstler ins Exil getrieben, die Übrigen eingeschüchtert. Diese Terrorwelle hatte dem Ansehen der neuen Regierung, nicht zuletzt im Ausland, schweren Schaden zugefügt, wie Goebbels zugab:

    "Kein Vorwurf hat uns in der Vergangenheit so zu treffen vermocht wie der, dass der Nationalsozialismus geistige Barbarei sei und am Ende zur Vernichtung des kulturellen Lebens unseres Volkes führen müsse."

    Um den neuen Staat von diesem Stigma zu befreien, war Goebbels auf die Mitarbeit der Künstler angewiesen. Der Propagandaminister versprach den Kulturschaffenden weitgehende Freiheit von politischer Bevormundung:

    "Im Rahmen der Reichskulturkammer soll jede Konjunkturhascherei von vornherein ausgeschlossen sein. Niemand fürchte, dass hier die Gesinnungsriecherei eine Heimstätte finden könnte."

    Goebbels gab sich als weitherziger Schirmherr der Kunst. Selbst Vertreter moderner Kunstrichtungen hofften nun auf den Schutz des mächtigen Propagandaministers gegen die Nazi-Kunstideologen. Der Maler Karl Schmidt-Rottluff, von Goebbels zur Eröffnungsfeier der Kulturkammer eingeladen, atmete auf:

    "Die Gründung der Reichskunstkammer hat sehr viel Spuk weggeblasen - es sitzen sehr vernünftige Leute dort, die sehr modern gesinnt sind und das Beste wollen. Die Diffamierung der modernen Kunst ist offiziell abgeblasen."

    Auch etablierte Künstler wie der Schauspieler Werner Krauß oder der Regisseur Heinz Hilpert setzten Hoffnungen in Goebbels und übernahmen repräsentative Aufgaben in der Reichstheaterkammer. Der weltberühmte Komponist Richard Strauss ließ sich sogar zum Präsidenten der Reichsmusikkammer ernennen.

    Für Goebbels war das ein großer propagandistischer Erfolg. Doch die Hoffnungen der Künstler wurden großenteils enttäuscht: Die mehrfach von Goebbels angekündigte Altersversorgung für Künstler wurde nie verwirklicht. Seinen "Kunst am Bau"-Erlass, der einen Teil der öffentlichen Investitionen für die Kunstförderung reservierte, beachtete kaum jemand. Und im Richtungsstreit in der bildenden Kunst unterlag Goebbels seinem Rivalen, dem NS-Parteiideologen Alfred Rosenberg.

    Auf dessen Linie einer Diffamierung aller modernen Kunstrichtungen schwenkte Goebbels endgültig erst 1937 mit der Münchener Ausstellung "Entartete Kunst" ein. 1941 verhängte die Reichskammer für die bildenden Künste schließlich ein Berufsverbot über die Expressionisten Emil Nolde und Karl Schmidt-Rottluff.

    Vom Mittel des Berufsverbots machte man nur in Einzelfällen Gebrauch, der wachsende Konformitätsdruck tat auch so seine Wirkung. Ganz anders verfuhr man gegenüber Juden, bei deren Verdrängung aus dem Wirtschaftsleben die Kulturkammer 1935 eine Vorreiterrolle übernahm. Goebbels brüstete sich 1937:

    "Wenn man sich vergegenwärtigt, dass wir seit 1933 annähernd 3000 Juden aus dem deutschen Kulturleben beseitigt, gleichzeitig aber die leer gewordenen Stellen mit Deutschen besetzt haben, so kann man sich ungefähr eine Vorstellung davon machen, wie viel Arbeit hier geleistet wurde. Und die Welt hat den Beweis vor Augen, dass das Kulturleben eines Volkes ausschließlich von seinen eigenen Söhnen verwaltet, geführt und repräsentiert werden kann."