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Künstler im Wahlkampf

Bei den Parlamentswahlen im April wird in Italien über die Fortsetzung der Berlusconi-Ära entschieden. Kulturschaffende beziehen im Wahlkampf teils sehr deutlich Stellung gegen den Ministerpräsidenten, und einige proben schon den Abgesang. Doch noch sei nichts entschieden, sagt unter anderem Umberto Eco.

Von Henning Klüver |
    Jetzt wird zum Endspurt geblasen. Einen Monat vor den Parlamentswahlen in Italien hat die Politik auch die Kultur erreicht. Jedenfalls mischen sich immer mehr Intellektuelle in den Wahlkampf ein. Franca Rame, Schauspielerin und mit dem Literaturnobelpreisträger Dario Fo verheiratet, bewirbt sich mit ihren 77 Jahren als Kandidatin einer Bürgerrechtsliste für einen Platz im Senat. Andere wie Umberto Eco treten auf Diskussionsveranstaltungen zusammen mit Spitzenpolitikern der Parteien der linken Mitte auf. Die Stimmung ist gut, Meinungsumfragen geben ihnen einen leichten Vorsprung vor der Regierungskoalition Berlusconis. Umberto Eco jedoch warnte zum Beispiel sein Publikum in Mailand:

    "Kinder, seid bitte nicht zu fröhlich aufgeregt. Es ist nicht gesagt, dass wir gewonnen haben. Es ist besser, einen gesunden Pessimismus zu behalten und bis zum Schluss zu kämpfen. Vor fünf Jahren ist ein Phänomen eingetreten, durch das unser Land kulturell, politisch und wirtschaftlich auf ein Dritte-Welt-Niveau gesunken ist. Sollten sich in einem Monat weitere fünf Jahre dieser Art ankündigen, sind wir geliefert."

    Sogar der Corriere della Sera, das Flaggschiff des liberalkonservativen Journalismus Italiens, hat jetzt offen dazu aufgerufen, die Anti-Berlusconi-Parteien zu wählen. Fünf Jahre lang habe sich diese Regierung vor allem den persönlichen Problemen ihres Ministerpräsidenten und dem Wohlergehen seiner Medienunternehmen gewidmet. Es sei höchste Zeit, sich um Italien zu kümmern. Doch wer hört noch auf Intellektuelle, wie einflussreich können Zeitungen in einem Land sein, dessen öffentliche Meinung vor allem durch das Fernsehen bestimmt wird? Und wie reagiert gerade das öffentlich-recht-liche Fernsehen auf diese Auseinandersetzungen? Enrico Deaglio, Chefredakteur des Mailänder Kulturblattes "Diario", geht mit den staatlichen Sendern der RAI hart ins Gericht:

    "Die italienischen Fernsehsender sind auf dem Tiefstpunkt ihrer Geschichte angekommen. Die Mitarbeiter sind verängstigt, besonders jetzt, wo niemand genau weiß, wer demnächst politisch das Sagen haben wird. Jeder Fernsehsender der Welt hätte doch vor den Wahlen eine Bilanz der Berlusconi-Jahre in Auftrag gegeben, vielleicht mit verschiedenen Autoren. Doch unglaublich, hier macht das niemand."

    Also hat sich Enrico Deaglio zusammen mit Kollegen daran gemacht, diese Film-Bilanz privat herzustellen. Schlitzohrig, manchmal tollpatschig und als Kommunikator ein Naturtalent - so wird uns der Mailänder Medienzar und italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi in der Filmdokumentation "Quando c’era Silvio" präsentiert.

    "Als Silvio da war", so könnte man den Titel des Films übersetzen, der in einigen Kinos gezeigt werden soll. Weil er im Fernsehen nicht laufen darf, wird er als DVD über die Zeitungskioske oder die 89 Feltrinelli-Buchhandlungen des Lan-des vertrieben.

    Bei einer Voraufführung bricht im Saal immer wieder teilweise ungläubiges Lachen aus. Zum Beispiel als Berlusconi bei einer hitzigen Debatte im Europaparlament den deutschen Abgeordneten Martin Schulz zunächst mit einem KZ-Kapo vergleicht und anschließend Schulz auffordert, sich wegen seines aggressiven deutschen Tons bei ihm, Berlusconi, zu entschuldigen.

    Unglaublich aber wahr, denn die gezeigte Sequenz aus dem Europaparlament gab es im italienischen Fernsehen nie zu sehen. Der Film bewegt sich formal in der Tradition von Arbeiten wie Michael Moores "Fahrenheit 9/11". Richtige Spielfilme werden dagegen Ende des Monats im Kino erwartet. Nanni Moretti nennt seinen neuesten Film "Il Caimano", also "Der Kaiman". Die Handlung des Films wird noch streng geheim gehalten. Man weiß nur, dass Nanni Moretti ebenfalls eine Abrechnung mit Silvio Berlusconi gedreht hat. Zugleich startet auch die Filmsatire des deutschen Regisseurs Jan Henrik Stahlberg, die bereits auf der Berlinale vorgestellt worden war. Ihr Titel: "Bye, bye, Berlusconi." Viele Italiener sind derweil mit Umberto Eco überzeugt:

    "Anführer wie Fassino und die Oppositionsparteien sind eine Bande von Toren, aber glaubt mir, die anderen, die sind schlimmer."