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Künstler-Stipendien

Guckeisen: Ein wichtiger Treibstoff für die Kunst ist die Inspiration. Deshalb ist jeder Künstler dankbar für eine anregende Umgebung. Und die findet man ganz besonders auch auf Schloss Solitude in Stuttgart. Dort gibt es eine Akademie und die bietet Platz für Künstler aus aller Welt: Architekten, Maler und Musiker, Filmschaffende und Literaten leben und arbeiten hier zusammen unter einem Dach. Und seit dem 1. Juli läuft wieder die Bewerbungsrunde für die begehrten Stipendien. Jean-Baptiste Joly, Direktor der Akademie Schloss Solitude, was bekommt man eigentlich mit einem Stipendium bei Ihnen geboten.

    Joly: Guten Tag. Man bekommt monatlich 1000 Euro für einen Aufenthalt von sechs bis zwölf Monaten, auch das Studio frei, in dem man wohnen kann und auch einen kleinen Mietkostenzuschuss, denn die meisten Künstler oder Gäste des Hauses behalten auch ihre Wohnung in ihrer Heimatstadt und dann kann man im Haus auch Projekte realisieren, die wir auch noch fördern. Je nach Bedarf zwischen 1500 und 4000, 5000 Euro.

    Guckeisen: Für das tägliche Auskommen ist also gesorgt, aber wie muss man sich den Alltag bei Ihnen vorstellen? Leben und arbeiten unter so einem schönen Dach...

    Joly: Wenn ein Stipendiat am Anfang seines Stipendiums mein Büro betritt, erzähle ich immer die gleiche Geschichte und die lautet: ich weiß nicht, was mit Ihnen passieren wird, Sie sind hier zu keinerlei verpflichtet, wir erwarten von Ihnen nur zwei Dinge: dass Sie zwei Drittel des Stipendiums bei uns verbringen und dass Sie jeden Monat an dem Abendessen teilnehmen, zu dem wir alle Kollegen, Stipendiaten und auch einige Gäste aus der Gegend einladen. Das sind die Verpflichtungen. Alles andere bleibt offen. Wir wissen auch nie, was mit den Stipendiaten passieren wird. Die Erfahrung ist eigentlich so stark mit den meisten Stipendiaten im Haus, dass sie nach ihrem Aufenthalt meistens noch lange Jahre mit uns in Kontakt sind.

    Guckeisen: Da entstehen also auch bleibende Kontakte über das Stipendium hinaus?

    Joly: Es ist eigentlich das Netzwerk genau das Kapital einer Einrichtung wie Solitude. Am Anfang haben wir gedacht, es ist das schöne Schloss, dann der Erfolg der Künstler, die hier waren und jetzt wissen wir: der eigentliche Erfolg, das eigentliche Kapital sind die prägenden Momente hier, die dazu führen, dass wir ein lebendiges Netzwerk haben von inzwischen über 650 ehemaligen Stipendiaten weltweit, die mir jeden Tag Emails schicken, die unter sich in Kontakt sind, die unter sich gemeinsam Projekte realisieren und so gibt es weltweit so kleine Inseln von Solitude- Stipendiaten. In San Diego, an der University, wo sehr viele Stipendiaten herkommen oder in Buenos Aires, wo wir auch viele Ehemalige haben. Aber die größte Insel ist natürlich Berlin, wo jeder fünfte ehemalige Solitude- Stipendiat lebt. Sie wissen, wie stark Berlin Künstler anzieht weltweit und da sind im Moment über 120 ehemalige Solitude- Stipendiaten. Die Solitudianer in Berlin gelten so ein bisschen als Clique innerhalb der Szene.

    Guckeisen: Es ist also keine Akademie, wo Dozenten lehren, sondern die Künstler sind sich selbst überlassen und sollen sich gegenseitig befruchten und entwickeln.

    Joly: Genau. Das entspricht auch dem ursprünglichen Modell der Akademie, so wie in der Renaissance gedacht. Ein Ort des Austauschs, der gegenseitigen Befruchtung und auch der Innovationsmöglichkeiten. Es geht um Innovationstransfer von unterschiedlichen Bereichen der Künste in andere Bereiche und wir arbeiten hier ohne Stundenplan. Es gibt weder Unterricht noch geregelte Arbeitszeiten, tagsüber wird das Leben im Haus natürlich von der Präsenz der Verwaltung zwischen 8 Uhr und abends, wenn wir Veranstaltungen haben. Zu später Stunde und nachts gehört das Haus natürlich voll den Stipendiaten, die unter sich im Haus sind.

    Guckeisen: Welche Voraussetzungen braucht man als Bewerber?

    Joly: Erst mal nehmen wir keine Studenten auf. Wir wollen nicht mit Hochschulförderung konkurrieren. Das andere ist: man reicht uns Bewerbungsunterlagen ein, indem man auf unsere Internetseite findet, wenn man mit einer Suchmaschine das Wort Solitude eintippt, kommt meistens an erster Stelle Akademie Schloss Solitude und vorne auf der ersten Seite der Website steht Bewerbungsunterlagen und was man zuschicken soll. In der Regel sollten die Künstler nicht älter sein als 35 oder fünf Jahre nach Abschluss des Studiums, wenn ein Studium überhaupt vorhanden ist. Man braucht aber keinen akademischen Abschluss, es gibt viele Künstler, die nicht studiert haben und die in der Regel auch Erfolg haben, einige von ihnen waren auch auf Solitude. Aber keine Studenten.

    Guckeisen: Warum nicht älter als 35?

    Joly: Uns interessiert diese erste Phase nach fünf Jahren Ausbildung oder Berufserfahrung. In dieser Phase haben die Künstler eigentlich einen Punkt erreicht, wo sie eine Pause brauchen, um ihre eigene Arbeit reflektieren zu können. Wir haben festgestellt, dass diese Phase eine ganz wesentliche ist in der Entwicklung von Architekten und das ist eigentlich unsere Zielgruppe gegeben durch die Satzung der Stiftung Akademie Schloss Solitude, aber wir schauen natürlich auch nach Kandidaten, die etwas älter sind, weil wir sie auch brauchen, also die Erfahrung älterer Künstlerinnen und Künstler ist ganz wichtig fürs Haus und wir profitieren auch sehr davon. Aber mindestens zwei Drittel bis drei Viertel der Stipendiaten sind unter dem Limit 35.

    Guckeisen: Bis zum 31. Oktober kann man sich noch bewerben für diese Stipendien. Das war in Campus und Karriere Jean Baptiste Joly, Direktor der Akademie Schloss Solitude in Stuttgart. Informationen zur Bewerbung für diese Stipendien gibt es auf unserer Homepage.

    Zusatzinformationen

    Ab dem 1. Juli 2004 beginnt die neue Bewerbungsrunde der Akademie Schloss Solitude in Stuttgart. Stipendien von sechs oder zwölf Monaten werden an Künstlerinnen und Künstler vergeben, deren Studienabschluss nicht länger als 5 Jahre zurückliegt oder die noch nicht älter als 35 Jahre sind. Einige Stipendien werden ohne Altersbegrenzung vergeben. Im Rahmen eines Stipendiums besteht die Möglichkeit, ein Projekt zu realisieren. Alle 24 Monate werden 50 bis 60 Stipendiaten ausgesucht. Für sie stehen bis zu 45 Ateliers zur Verfügung.

    Bewerben können sich Künstler und Künstlerinnen in den Sparten Architektur, Bildende Kunst, Darstellende Kunst, Design, Literatur, Musik/Klang und Video/Film/Neue Medien.

    Das Solitude-Stipendium ist ein Anwesenheitsstipendium. Mindestens zwei Drittel des Stipendiums müssen auf Solitude verbracht werden.

    Das Stipendium umfasst folgende Leistungen:
    Ein möblierte Wohn/Arbeitsstudio inklusive Strom, Wasser und Heizung.
    Ein Stipendium in Höhe von Euro 1000,- pro Monat (inklusive einmalige Reisekosten für An- und Abreise).
    Außerdem bietet die Akademie freiwillige Stipendienleistungen, deren Höhe der jeweiligen Haushaltslage angepasst wird.
    Zuschuss zu doppelter Haushaltsführung (Miet- oder Atelierkostenzuschuss); Transportkostenzuschuss für Material, Werkzeuge und Instrumente nach und von Stuttgart; Projektförderung und einmaliger Materialkostenzuschuss; Beteiligung an den Krankenversicherungskosten bei ausländischen Gästen, die nicht aus EU-Ländern kommen.

    Bewerbungsunterlagen und Informationen sind bei der
    Akademie Schloss Solitude
    Solitude 3
    D-70197 Stuttgart zu erhalten