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Künstlerin Rosalía
Flamenco mit Krallen

In Spanien ist sie ein Superstar, im Rest Europas ist sie auf dem besten Weg dahin: Die katalanische Sängerin Rosalía mischt traditionelle Flamenco-Musik mit Pop, R&B und Electro. Sie tritt selbstbewusst und mystisch auf – und spielt mit den Konventionen.

Von Julian Ignatowitsch | 13.07.2019
Rosalia Auftritt beim diesjährigen Primavera Festival
"Flamenco ist spanisch, das ist, was ich von Kindesbeinen an gelernt habe" - sagt Rosalía (Sergio Albert)
Rosalía trägt einen rosa Jumpsuit, gleichfarbige Plateau-Sandalen, goldene Ohrringe. Das Haar hat sie zu einem Pferdeschwanz gebunden. Lächelnd nimmt sie auf dem braunen Sofa (zwischen den Journalisten) Platz und greift direkt zur Wasserflasche. Der Blick fällt dabei zwangsläufig auf ihre Nägel - lang, aufwendig verziert - sie wird gleich darauf angesprochen.
"Jeder Nagel ist ein Kunstwerk, es steckt viel Handarbeit in der Maniküre. Seit vielen Jahren interessiere ich mich dafür und lerne Nail Artists kennen. Da liegt eine ganze Welt, eine kreative Welt, die ich liebe."
Von Spanien aus die Musikwelt erobern
Diese langen, spitzen Nägel, mit Juwelen und Farbe überzogen - vielleicht sind sie Rosalías Antwort auf die Goldketten und SUVs amerikanischer Gangster-Rapper. Das Symbol einer jungen, emanzipierten Frau, die mit ihrer Mischung von Pop, R&B und Flamenco ganz Spanien verzaubert und dabei ist - von hieraus - die Musikwelt zu erobern.
"Ich bin aus Barcelona, bin hier geboren, fühle mich von hier und möchte spanische Musik machen. Flamenco ist spanisch, das ist, was ich von Kindesbeinen an gelernt habe."
Mit 7 kam sie durch ihren Vater zur Musik, mit 13 studierte sie an der renommierten Escuela Superior de Música de Cataluña bei Flamenco-Lehrer Chiqui de La Línea, der jedes Jahr nur einen Schüler aufnimmt. Mit 15 trat sie bei einer spanischen TV-Casting-Show auf. Mit 22 dann veröffentlichte sie ihre erste Single "Catalina", noch ganz im klassischen Flamenco-Stil.
Rosalía singt bei den Latin Grammy Awards ihren Song "Malamente".
Rosalía singt bei den Latin Grammy Awards ihren Song "Malamente". (dpa / picture-alliance)
Ein Stilmix der Gegensätze
Seitdem experimentiert die 25-Jährige mehr und mehr, mischt die Rhythmen und Genres, die Symbole und Traditionen. Sie mag das Mystische, die Metaphorik der "Gitanas", der spanischen Roma, deren Dialekt sie nachahmt.
Ihre Musik - ein ganz besonderer Stilmix der Gegensätze! High und Low, alt und neu, religiös und säkular, Straße und Konzertsaal. So wie in ihren Musikvideos: Dort kämpfen Toreros mit Motorrädern, "Capuchones" - Kuttenträger mit Spitzhaube - fahren Skateboard, und die "Palmeros", die klatschend den Takt vorgeben, sitzen - klar, alles Frauen, mit langen Nägeln - im Führerhaus eines LKWs.
"Ich bin in eine wahnsinnig neugierige Person. Ich interessiere mich für Architektur, für Fashion, für Literatur und Filme. All das spielt in meine Musik, in meine Musikvideos, in meine ganze Arbeit mit hinein."
Ihr zweites Album "El Mal Querer" ("Die schlechte Liebe"), das in Spanien bereits Platin-Rang hat, ist inspiriert von der okzitanischen Novelle "Le Roman de Flamenca" aus dem 13. Jahrhundert. Die Lieder entsprechen Kapiteln.
Künstler-Ko-Produktionen mit Stars in Planung
"Ein Großteil der kreativen Arbeit zu ‚El Mal Querer’ hat direkt im Studio stattgefunden. Ich mag es, mich dort einfach auszuprobieren, so mache ich es jetzt auch wieder. Ich bin immer noch an dem Punkt, wo ich es einfach genieße Musik zu machen, einfach ins Studio zu gehen und Spaß zu haben."
Bislang beschränkt sich ihr Erfolg noch auf Spanien. Das soll sich ändern. Ihre neuesten Veröffentlichungen sind poppiger. Für "Con Altura" arbeitete Rosalía mit dem kolumbianischen Reggaeton-Star J Balvin zusammen, "Aute Cuture" klingt stellenweise mehr nach Eurodance als Flamenco.
Neue Künstler-Ko-Produktionen mit Stars wie Billie Eilish, Pharrell und Dua Lipa sind schon geplant. Es ist wohl nur eine Frage von wenigen Monaten, bis Rosalía, die Frau mit den Nägeln und der ganz eigenen Musikhandschrift, auch jenseits der Iberischen Halbinsel bekannt wird. Ob nun mit oder ohne Flamenco!