Die Vielfalt seiner Talente erschwert es manchen Kritikern, Rodney Graham einzuordnen. Er malt und fotografiert nicht nur, er dreht auch Filme, in denen er selbst als durchaus ernstzunehmender Schauspieler auftritt, er schreibt und er komponiert und spielt Musik, vornehmlich Rock oder Country. In einer Band zu spielen sei nichts Ungewöhnliches für einen Künstler seiner Generation, sagt der 57-Jährige. Zudem habe er "eine ausgeprägte Begabung für die Collage". Der Kanadier verweist auf seine auch hierzulande bestens bekannten Künstlerfreunde im Vancouver der 60er und 70er Jahre, wie Ian Wallace oder Jeff Wall, die mit ihm die Begeisterung für das Collagieren von Beginn an geteilt hätten.
Von solchen Multitalenten denkt man gelegentlich, wenn sie noch jung sind, dass sie sich vielleicht irgendwann verzetteln könnten und wartet lieber erst einmal die weitere Entwicklung ab. Aber Graham hat es nie für nötig befunden, sich zu entscheiden, sondern mit großem Spieltrieb seine gesammelten Begabungen zu einer beziehungsreichen Collage miteinander verbunden. Vielleicht ist das aber ein Grund, weshalb er, wie er von sich sagt, mehr Zeit gebraucht habe für seine Entwicklung als andere. Weil er beinahe fünfzig war, als er 1997 auf der Biennale von Venedig seine erste internationale Anerkennung erhielt, bezeichnet Graham sich heute als Spätstarter. Damals zeigte er im prämierten kanadischen Pavillon sein Video "Vexation Island", das auch jetzt im Sprengel Museum zu sehen ist und das nicht von seiner Eindrücklichkeit eingebüßt hat. Graham komponiert seine Videos als Loop, als Wiederholungsschleife, weil er findet, dass das gegenüber einem Museumsbesucher ein Entgegenkommen darstellt. Denn so kann man jederzeit dazukommen.
Solcherlei Freundlichkeiten passen durchaus zu Grahams netter Ausstrahlung – vor allem aber faszinieren ihn bei seinen Videos die Themen der langsam vergehenden Zeit und der ewigen Wiederkehr des Gleichen. Allein das Anschauen seiner Videos verlangsamt die Zeit für den Besucher spürbar, wenn er danach auf die Straße tritt, unwillkürlich steigt die Aufmerksamkeit für die Umgebung, und man fühlt sich wie ein Alter Ego Grahams aus den Filmen, dem in einer unterschwellig spannungsgeladenen Atmosphäre immer irgendein Ereignis zu drohen scheint.
In "Vexation Island" versetzt Graham den Betrachter in eine klassische Robinson-Crusoe-Szenerie, eine einsame Insel im blauen Ozean. Ein Pirat oder Schiffsbrüchiger, gespielt von Graham, liegt schlafend auf dem Strand, man erkennt, dass er eine Wunde auf der Stirn trägt und fragt sich, ob er nicht vielleicht sogar tot ist. Viel Zeit vergeht, um den Liegenden aus allen möglichen Ansichten zu zeigen, man hört nur das gewaltige Meeresrauschen. Schließlich weckt ein Papagei den Schlafenden, der sich daraufhin erhebt und beginnt, eine Kokospalme zu schütteln. Prompt löst sich eine Nuss, streckt den Mann nieder, der daraufhin wie vorher im Sand liegt, und das ganze Spiel beginnt von neuem.
Nach demselben Prinzip funktionieren auch die anderen, ebenfalls äußerst atmosphärischen Videos von Rodney Graham: Wenn er sich als einsamer Cowboy zur Pferde durch eine Wildwestlandschaft bewegt, auf demselben Weg wieder zurückkehrt und einen Country-Song auf der Gitarre anstimmt. Oder wenn er in einem seiner Kostümfilme sich die Wege eines Dandys aus der Stadt und eines Bauerntölpels kreuzen und der Städter dem Landmann einen Fußtritt verpasst. Allen gemeinsam ist Grahams ironisches Spiel mit unseren zeitlosen Bildfantasien: der Ozeaninsel, der Wildwesteinsamkeit, der mittelalterlichen Stadt mit der Pferdekutsche. Sie haben als moderne kulturelle Urbilder gleichsam Unendlichkeitscharakter, die Rolle von Mythen, die sich ständig und bei weitem nicht nur in Grahams Filmen wiederholen, sondern überall, denn sie spielen allesamt mit der Utopie des Natürlichen und Einfachen.
Zugespitzt hat Graham dies in seinen großformatigen Schwarz-Weiß-Fotografien von Bäumen, den "Flanders Trees" die 1989 begonnen und 2001 fertig gestellt wurden – Bäume, die er auf den Kopf gedreht hat. Bäume als Ikonen der ewigen Erneuerung, als uralter Metaphern-Topos für das Leben selbst. Auf den Kopf gestellt verdeutlicht Graham die Konstruktion dieser Ur-Bilder im Kopf - und bringt sich dadurch in unvermutete Nähe zu dem in einem benachbarten Saal gezeigten Georg Baselitz, der seine berühmten Über-Kopf-Bilder ja auch deshalb erfand, um eine "perfekte Abstraktion" zu erzeugen. Graham freilich kommt als Künstlerpersönlichkeit ungleich smarter, eleganter daher als der Deutsche. Das sollte einen aber nicht zu dem Fehlschluss verleiten, seine Bilder seien deswegen harmloser.
Von solchen Multitalenten denkt man gelegentlich, wenn sie noch jung sind, dass sie sich vielleicht irgendwann verzetteln könnten und wartet lieber erst einmal die weitere Entwicklung ab. Aber Graham hat es nie für nötig befunden, sich zu entscheiden, sondern mit großem Spieltrieb seine gesammelten Begabungen zu einer beziehungsreichen Collage miteinander verbunden. Vielleicht ist das aber ein Grund, weshalb er, wie er von sich sagt, mehr Zeit gebraucht habe für seine Entwicklung als andere. Weil er beinahe fünfzig war, als er 1997 auf der Biennale von Venedig seine erste internationale Anerkennung erhielt, bezeichnet Graham sich heute als Spätstarter. Damals zeigte er im prämierten kanadischen Pavillon sein Video "Vexation Island", das auch jetzt im Sprengel Museum zu sehen ist und das nicht von seiner Eindrücklichkeit eingebüßt hat. Graham komponiert seine Videos als Loop, als Wiederholungsschleife, weil er findet, dass das gegenüber einem Museumsbesucher ein Entgegenkommen darstellt. Denn so kann man jederzeit dazukommen.
Solcherlei Freundlichkeiten passen durchaus zu Grahams netter Ausstrahlung – vor allem aber faszinieren ihn bei seinen Videos die Themen der langsam vergehenden Zeit und der ewigen Wiederkehr des Gleichen. Allein das Anschauen seiner Videos verlangsamt die Zeit für den Besucher spürbar, wenn er danach auf die Straße tritt, unwillkürlich steigt die Aufmerksamkeit für die Umgebung, und man fühlt sich wie ein Alter Ego Grahams aus den Filmen, dem in einer unterschwellig spannungsgeladenen Atmosphäre immer irgendein Ereignis zu drohen scheint.
In "Vexation Island" versetzt Graham den Betrachter in eine klassische Robinson-Crusoe-Szenerie, eine einsame Insel im blauen Ozean. Ein Pirat oder Schiffsbrüchiger, gespielt von Graham, liegt schlafend auf dem Strand, man erkennt, dass er eine Wunde auf der Stirn trägt und fragt sich, ob er nicht vielleicht sogar tot ist. Viel Zeit vergeht, um den Liegenden aus allen möglichen Ansichten zu zeigen, man hört nur das gewaltige Meeresrauschen. Schließlich weckt ein Papagei den Schlafenden, der sich daraufhin erhebt und beginnt, eine Kokospalme zu schütteln. Prompt löst sich eine Nuss, streckt den Mann nieder, der daraufhin wie vorher im Sand liegt, und das ganze Spiel beginnt von neuem.
Nach demselben Prinzip funktionieren auch die anderen, ebenfalls äußerst atmosphärischen Videos von Rodney Graham: Wenn er sich als einsamer Cowboy zur Pferde durch eine Wildwestlandschaft bewegt, auf demselben Weg wieder zurückkehrt und einen Country-Song auf der Gitarre anstimmt. Oder wenn er in einem seiner Kostümfilme sich die Wege eines Dandys aus der Stadt und eines Bauerntölpels kreuzen und der Städter dem Landmann einen Fußtritt verpasst. Allen gemeinsam ist Grahams ironisches Spiel mit unseren zeitlosen Bildfantasien: der Ozeaninsel, der Wildwesteinsamkeit, der mittelalterlichen Stadt mit der Pferdekutsche. Sie haben als moderne kulturelle Urbilder gleichsam Unendlichkeitscharakter, die Rolle von Mythen, die sich ständig und bei weitem nicht nur in Grahams Filmen wiederholen, sondern überall, denn sie spielen allesamt mit der Utopie des Natürlichen und Einfachen.
Zugespitzt hat Graham dies in seinen großformatigen Schwarz-Weiß-Fotografien von Bäumen, den "Flanders Trees" die 1989 begonnen und 2001 fertig gestellt wurden – Bäume, die er auf den Kopf gedreht hat. Bäume als Ikonen der ewigen Erneuerung, als uralter Metaphern-Topos für das Leben selbst. Auf den Kopf gestellt verdeutlicht Graham die Konstruktion dieser Ur-Bilder im Kopf - und bringt sich dadurch in unvermutete Nähe zu dem in einem benachbarten Saal gezeigten Georg Baselitz, der seine berühmten Über-Kopf-Bilder ja auch deshalb erfand, um eine "perfekte Abstraktion" zu erzeugen. Graham freilich kommt als Künstlerpersönlichkeit ungleich smarter, eleganter daher als der Deutsche. Das sollte einen aber nicht zu dem Fehlschluss verleiten, seine Bilder seien deswegen harmloser.