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Künstliche Lebern im Miniaturformat

Medizin. - Die US-Schauspielerin Pamela Andersson ist derzeit wohl die berühmteste Patientin. Im März vorigen Jahres bekannte sie öffentlich: Ich habe Hepatitis C. Vor allem durch Bluttransfusionen, unsaubere Piercings, Tattoo- und Fixernadeln breitet sich die Leberinfektion derzeit rasant aus und löst Vergiftungen als Ursache akuten Leberversagens ab. Weil Spenderlebern aber rar sind und die Transplantations-Wartelisten lang, bemüht sich die Forschung darum, künstliche Lebern zu entwickeln, die die Funktion des kranken Organs zumindest teilweise ersetzen können.

Von Grit Kienzlen |
    Aus dem Organismus einer Stadt sind die Müllabfuhr und das produzierende Gewerbe nicht wegzudenken. Im Organismus des Menschen übernimmt die Leber diese beiden Aufgaben. Sie fischt alle Abfallprodukte und Gifte aus dem Blut und versorgt den Körper gleichzeitig mit Energie, mit wichtigen Proteinen und Hormonen. Doch im Falle eines akuten Leber-Versagens können die Kliniken bislang nur die Müllabfuhr-Funktion der Leber ersetzen und zwar mit Geräten, die aus dem Blut der Patienten gezielt schädliche Abbauprodukte herausfischen. Professor Jörg Viencken von der Fresenius Medical Care zum Stand der Technik:

    Diese Adsorbertechnologien sind marktreif, wir haben im Markt bereits zwei Systeme, die entsprechend arbeiten, erfolgreich arbeiten, klinisch getestet sind, die aber am Ende nicht die gesamte Funktion der Leber simulieren können.

    Alles was über die Filterfunktionen der Leber hinausgeht, lässt sich technisch nicht so leicht nachahmen. Jede Leberzelle ist eine kleine Fabrik. Sie stellt ständig Hunderte verschiedener Produkte her. Die Biotechnologie setzt daher auf Geräte, die mit lebenden Leberzellen bestückt sind und durch die das Blut des Patienten hindurchgeschleust wird. Viencken:

    Und dazu gibt es zur Zeit Ansätze, die auch schon sehr weit gediehen sind, im klinischen Test sind, speziell in Deutschland, in Berlin, Hannover und in anderen Städten, die für die synthetische Funktion der Leberzellen einen Bioreaktor einsetzen und dieser Bioreaktor ist ein Gefäß so groß wie eine Kaffeekanne und enthält etwa zehn hoch zehn, also das ist eine sehr große Zahl von Leberzellen, die man aus Organen gewonnen hat, die aus dem Transplantationsprogramm ausgeschieden sind.

    Doch solche Leberzellen aus unbrauchbaren Spenderorganen sind fast ebenso knapp wie die Spenderorgane selbst und oft nicht ideal geeignet. Der Leberspezialist Achilles Demetriou vom kalifornischen Cedars Sinai Center ist deshalb bei seinen Apparaturen auf Schweinezellen ausgewichen und hat damit das Blut von 171 akuten Leberpatienten an 19 Kliniken behandelt. Die Ergebnisse, sagt er, sehen gut aus:

    Wenn wir uns bestimmte Patientengruppen ansehen, mit einem besonders heftig verlaufenden Leberversagen, sei es aufgrund einer Vireninfektion oder durch chemische Verletzungen, dann sehen wir eine statistisch signifikante Zunahme in den Überlebenszeiten verglichen mit anders behandelten Patienten.

    Und genau darum geht es: Jeden Patienten so lange am Leben zu halten, bis auch für ihn eine Spenderleber gefunden ist. Doch tierische Zellen sind in Europa nicht für die Therapie von Menschen zugelassen. Zu groß erscheint den Behörden die Gefahr, dass auf diesem Weg Viren vom Tier auf den Menschen übergehen, zumal wenn sein Immunsystem schon durch Medikamente geschwächt ist. Weil der menschliche Körper ohnehin schnell Abwehrstoffe gegen die Proteine und Hormone aus den Schweinezellen entwickelt, hält auch Demetriou sie nur für eine Notlösung:

    Wir betrachten die künstliche Leber mit Schweinezellen als Überbrückung zur Behandlung der kränksten Patienten mit akutem Leberversagen. Auf keinen Fall sehen wir darin einen Ersatz für Transplantationen oder auch nur eine Therapie für Patienten mit langandauernden, chronischen Leberleiden.

    Langfristig setzen die Mediziner in Europa wie in den USA daher auf adulte Stammzellen. Aus dem Knochenmark oder Nabelschnurblut gewonnen, sollen sie im Labor in Leberzellen umgemünzt werden und dann in der künstlichen Leber zum Einsatz kommen. Der Plan scheitert bislang daran, dass sich die adulten Stammzellen schwer vermehren lassen. Jörg Viencken von Fresenius Medical Care:

    Sie können Stammzellen heute in der Größenordnung von zehn hoch sechs, also eine Million Zellen isolieren, aber wir brauchen zehn hoch zehn, das heißt vier Größenordnungen mehr, und man kann zur Zeit diese großen Mengen reproduzierbar noch nicht herstellen.

    Das ist auch die Erfahrung von Achilles Demetriou in Kalifornien. Sobald er die Zellen dazu bewegen kann, sich zu vermehren, verlieren sie ihre charakteristische Leberfunktion. Sie reichen dann zwar mengenmäßig für den Bioreaktor aus, stellen aber kaum noch die gewünschten Produkte her. Kein triviales Problem. Die Lösung könnte noch viele Jahre auf sich warten lassen. Jörg Viencken ist dennoch überzeugt:

    Langfristig wird man ein solches Lebersystem haben.