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Künstlicher Brustkorb schont Tierleben

Medizin. - Ein Problem bei der Krebs-Diagnose war bisher, dass kleine Tumore auf Röntgen-Bildern oder Aufnahmen im Computer-Tomographen häufig kaum zu erkennen sind. Für die Diagnose muss daher die Auswertungssoftware geeicht werden. Für den Vergleich der Bilder mit der Realität benutzten die Forscher bisher immer Schweine als Versuchsobjekte: Denn ihre Brustkörbe sind denen von Menschen sehr ähnlich. Ein Kieler Forscher hat nun ein künstliches Modell eines menschlichen Brustkorbs entworfen.

Von Jens Wellhöner |
    Der Computer-Tomograph der Kieler Uni-Klinik ist in Aktion: Radiologe Jürgen Biederer studiert die Bilder einer Krebs-Patientin. Die neueste Technik kommt hier zwar schon zum Einsatz. Aber, so Biederer,

    "wir untersuchen an diesen Geräten noch weiter, wie man es besser machen kann. Bei der Computer-Tomographie, wie wir mit noch weniger Strahlung auskommen. Und bei der Magnet-Resonanz-Tomographie MRT, wie wir überhaupt die Lunge vernünftig untersuchen können. Denn das ist dort Neuland!"

    Krebs-Metastasen in der Lunge schon im Frühstadium zu erkennen, kann Leben retten. Auf den meisten Tomographen-Bildern sind diese Mini-Tumore aber häufig kaum zu erkennen. Deshalb entwickeln die Forscher neue Software, durch die das Tomographen-Auge quasi schärfer gestellt wird. Dafür studierten die Radiologen bisher echte Brust-Tumore, die Ergebnisse flossen in die Software-Programmierung ein. Versuchsobjekte waren dabei Schweine. Denn die Brustkörbe von Schweinen sind den menschlichen sehr ähnlich. Um in Zukunft ohne Tierversuche auszukommen, hat Radiologe Jürgen Biederer ein Brustkorbmodell entworfen. Und schon mehrmals benutzt:

    "Hunderte von Tieren haben wir damit ersetzt!"

    Der Kieler Forscher führt sein Brustkorbmodell vor: Ein Kasten aus durchsichtigem Kunststoff. Geformt wie ein menschlicher Brustkorb: Oben etwas breiter, unten schmaler. Jürgen Biederer nimmt eine Schweinelunge und legt sie in den künstlichen Brustkorb hinein. Die Lunge ist normaler Abfall aus einem Schlachthof. Biederer:

    "Das ist genau der springende Punkt: Wir müssen für unseren Versuch kein einziges Tier schlachten. Sondern wir bekommen Reste der Lebensmittelproduktion, die wir hier verwenden können."

    Bevor er sie untersuchen kann, muss der Radiologe die Lunge erst noch mit Luft füllen. Biederer:

    "Dafür nehme ich einen einfachen Beatmungstubus, wie man ihn auch vom Menschen kennt. Und außen ist der normale Luftdruck, der füllt die Lunge auf. Und die ist dann so, wie wir es auch beim Tier und beim Menschen haben."

    Aber damit sich das Organ voll entfalten kann, muss Jürgen Biederer erst noch die Luft um die Lunge herum aus dem Modell heraussaugen. Dazu benutzt er einen Haushalts-Staubsauger. Biederer:

    "So, jetzt kommt die Lunge, langsam entfaltet sie sich. Jetzt muss man noch die Schrauben nach ziehen, damit der Behälter richtig dicht ist. Jetzt kommt das schon ganz hübsch!?"

    Dann folgt der zentrale Teil des Versuchs: Biederes Mitarbeiterin Beata Hoffmann nimmt eine weißliche Masse und spritzt sie in die Schweinelunge, durch eine Membran in der Außenhülle des künstlichen Brustkorbs. Hoffmann:

    "Die Masse besteht hauptsächlich aus Palmin. Dazu kommt noch ein bisschen Stearin, wir haben also Teelichter zweckentfremdet. Damit dass auch visuell sichtbar ist, haben wir auch Ruß beigefügt und Kontrastmittel."

    Die Masse wird schnell hart. Und bildet in der Versuchs-Lunge kleine Kügelchen, die echten Tumoren täuschend ähnlich sehen. Beata Hoffmann:
    "Und wenn es fertig ist, wird das mit verschiedenen Röntgen-Methoden untersucht. Also mit CT, MRT, konventionellem Röntgen. Da kann man sich radiologisch so richtig austoben!"

    Die Versuchs-Tumore nehmen die Radiologen später wieder aus dem Modell heraus. Und vergleichen sie mit ihren Computer-Bildern. So können die Forscher Fehler in der Aufnahmetechnik der Tomographen erkennen. Und mit einer neuen Software für die Geräte Krebs-Diagnosen in Zukunft noch präziser und schneller stellen. Das neue Brustkorbmodell macht also nicht nur Tierversuche überflüssig. Sondern soll in Zukunft auch das Leben der Patienten retten.