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Künstlicher Fledermauskopf

Technik. - Wenn Wissenschaftler Konstruktionen aus der Natur nachahmen, dann nennt man das Biomimetik. Der Klettverschluss beispielsweise wurde von den Kletten inspiriert, Saugnäpfe wurden den Kraken abgeschaut. Zwei recht einfache Beispiele für diese Disziplin. Dass biomimetische Systeme aber auch recht komplex aufgebaut sein können, das beweist das EU-Projekt . sich ein ganz besonderes Ziel gesetzt hat: einen künstlichen Fledermauskopf zu erschaffen.

    Die Fledermaus ist in der Biologie das System, das am leistungsfähigsten mit Ultraschall umgehen kann. Und Sie wissen: Die Fledermaus kann Miniaturinsekten orten, im Flug orten und kann die Beute fangen. Diese Leistungsfähigkeit ist bisher von technischen Systemen noch nicht erreicht worden. Und wir versuchen halt, die Leistungsfähigkeit jetzt nachzubilden, indem wir den Kopf jetzt möglichst naturgetreu nachbauen.

    Professor Reinhard Lerch vom Lehrstuhl für Sensorik an der Universität Nürnberg-Erlangen möchte verstehen, wie Fledermäuse ihre Umgebung erkennen. Dazu hat er zusammen mit anderen Wissenschaftlern aus Europa einen Roboterkopf konstruiert, der die Welt wahrnimmt wie eine echte Fledermaus. Verstehen durch Nachahmen, sozusagen. Das Prinzip ist klar: Das Tier sendet Ultraschall aus und orientiert sich an den Wellen, die von seiner Umgebung zurückgeworfen werden. Herzstück des künstlichen Kopfes sind daher die Ultraschallwandler. Kleine Mikrofone und Lautsprecher, die mit so hohen Tönen arbeiten, dass Menschen sie schon gar nicht mehr hören können. Kaufen kann man solche Wandler nicht, erläutert Alexander Streicher:

    Bis zum jetzigen Zeitpunkt gibt es noch keine Wandler, die diesen großen Frequenzbereich abdecken, den wir erreichen möchten. Wir möchten ziemlich tiefen Ultraschall von 20 Kilohertz bis relativ hohen Ultraschall bis 200 Kilohertz senden und empfangen können. Und hierfür mussten besondere Materialien gefunden werden, mit denen diese Wandler aufgebaut werden können.

    Dieses besondere Material ist eine ganz normale Plastikfolie aus Polypropylen. Die allerdings einer ganz besonderen Behandlung unterzogen wurde. Einer sogenannten Coronabehandlung nämlich. Dabei wird das Material mit einem Lichtbogen kurz erhitzt. In der Folie entstehen kleine längliche Bläschen, so dass sie im Querschnitt aussieht wie Blätterteig. Und auf den Wänden der Bläschen bilden sich feste elektrische Ladungen. Mit einer elektrischen Spannung kann man die Folie nun zu hochfrequenten Schwingungen anregen. Und diese Schwingungen übertragen sich dann als Ultraschall auf die Luft - ein winziger Fledermaus-Lautsprecher. Und die Mikrofone lassen sich mit derselben Folie herstellen. Zu einem künstlichen Fledermauskopf fehlen dann aber noch ein paar Bestandteile, zum Beispiel die Ohrmuscheln, die den Schall wie ein Trichter auf das Mikrofon lenken. Alexander Streicher:

    Naja, wir orientieren uns natürlich an den natürlichen Ohrformen der Fledermaus. Hierfür werden dann die Ohren der toten Fledermäuse mittels Computertomographie eingescannt. Und aus diesen Modellen, Computermodellen, werden dann Kunststoffmodelle generiert, diese dann vermessen und mittels bestimmter Verfahren optimiert.

    Die Kunststoff-Ohren lassen sich sogar mit kleinen Motoren bewegen. Ganz so, wie eine richtige Fledermaus es auf einem Beutezug tut. Die Steuerung des Kopfes stammt von der Katholischen Universität Leuven in Belgien. Andere Komponenten, wie etwa die Elektronik für die Auswertung und Verarbeitung der Signale wurden in Dänemark und England entwickelt. Im Februar sollen alle Bestandteile zusammengesetzt werden. Dann wird der künstliche Fledermauskopf erstmals beweisen können, ob er Gegenstände rein mit Ultraschallsignalen erkennt. Wenn es funktioniert, könnte das System beispielsweise in Fabriken eingesetzt werden, um Fertigungsstraßen zu überwachen. Oder es könnte blinden Menschen helfen, sich in ihrer Umgebung zu orientieren. Indem es beispielsweise vor Hindernissen mit einem Piepston warnt. Objekterkennung mit Ultraschall hat einige Vorzüge gegenüber Verfahren, die mit Kameras arbeiten, so Professor Reinhard Lerch:

    Optische Bildsysteme sind wesentlich aufwändiger. Sie brauchen, um Tiefeninformationen, also räumliche Informationen im Raum zu bekommen, mindestens mal zwei Kameras, brauchen eine sehr aufwändige Bildverarbeitung, weil die Informationen, die Ihnen ein optisches Bild liefert, natürlich wesentlich umfangreicher ist, als was Ihnen ein akustisches Signal gibt.

    Ein weiterer großer Vorteil: Die Objekterkennung mit Ultraschall funktioniert natürlich auch im Dunkeln.