"Also euch zum empfehlen, wenn ihr mal Fische sehen wollt: Reusen voll und hier bei dem Telemetriemast ist viel Steinbutt und Scholle."
Tauchlehrer Frank Stefan weist die unerfahrenen Rifftaucher ein. Die kommen aus Münster und Köln und tauchen normalerweise im heimischen Baggersee. Im vier Hektar großen künstlichen Riff, dem größten Deutschlands, geht ohne den Kompass gar nichts.
Was an der Wasseroberfläche durch kleine gelbe Fähnchen unspektakulär abgetrennt ist, das wirkt unter Wasser schon mal wie eine überdimensionierte Panzersperre. 800 Tetrapoden, jeweils zwei Tonnen schwer, liegen ineinander verkeilt auf dem Grund der Ostsee. Die Betonelemente mit vier Kegelstümpfen sind in drei Schichten aufgeschüttet, Betonringe und Riffkegel komplettieren den etwas anderen Bauplatz in zwölf Metern Wassertiefe. Thomas Mohr ist der Projektleiter für die wissenschaftliche Untersuchung des künstlichen Riffs, das sich in einer Fischereizone befindet. Die Besiedlung vor mittlerweile zehn Jahren verlief wie im Lehrbuch:
"Wir haben hier einen sehr großen Bestand an Miesmuscheln, die zwar nicht für die menschliche Ernährung nützlich sind, weil wir hier den Salzgehalt nicht haben, aber die sind sehr früh auf den Strukturen. Aber die werden dann gleich verfolgt von den Seesternen. Die Seesterne fressen die Miesmuscheln, haben selbst keine natürlichen Feinde und beeinflussen so das Ökosystem künstliches Riff dann auch erheblich. Aber wir haben eben auch Algen und Kleinsttiere. Und natürlich kommen dann auch die Klein- und Jungfische, die sich dann in den Strukturen verstecken. Und nachher auch die Räuber, die größeren Fische."
Und auch Exoten wurden schon gesichtet: etwa der Froschdorsch und die Goldmaid. Unter besonderer Beobachtung steht allerdings der Dorsch. Gegner des künstlichen Riffs monierten schon bei Baubeginn: Künstliche Strukturen würden die Fische nur konzentrieren, sie woanders weglocken. Daraufhin untersuchte Thomas Mohr von der Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei auch ein Referenzgebiet in einiger Entfernung vom künstlichen Riff:
"Es liegt so in etwa vier Kilometer entfernt und wird am gleichen Tag, wenn wir Fischerei durchführen an den Strukturen auch dort beprobt. Und bei den Beprobungen haben wir festgestellt, dass wir diese Großfische nicht konzentrieren. Wir fangen mal im Referenzgebiet oder auch im Untersuchungsgebiet Riff mal mehr mal weniger größere Tiere. Was wir aber an den künstlichen Strukturen fangen, sind sehr viele Kleinfische und sehr viele Jungfische. Und da sieht man, dass wir hier mehr eine Kinderstube für die Fische geschaffen haben."
Eine Art Feldlabor ist das künstliche Riff auch für Norbert Schulz vom mecklenburgischen Verein "Fisch und Umwelt". Ihn interessiert besonders die Wanderungsbewegung und Standorttreue der Dorsche. In speziellen Kastenfallen wurden die Fische im künstlichen Riff gefangen:
"Diese Tiere, die wir in diesen Fischfallen lebendig gefangen haben, sind markiert worden und es gibt einige Tiere, die wiederholt, nach Monaten in diesen Fischfallen wieder gefangen sind. Sie haben also immer wieder zu diesem Gebiet zurückgefunden. Allein die Tatsache, dass ein Dorsch bis zu vier Mal wieder in einer Fischfalle gefangen wurde, wieder ausgesetzt wurde, zeugt doch davon, dass das Riff eine gewisse Attraktivität darstellt und das das auch sich den Dorschen in irgendeiner Art und Weise einprägt, dass man nicht weit wandern muss, um genügend Nahrung vorzufinden."
Aber auch ganz andere Geschäftsfelder taten sich bei dem wissenschaftlichen Großprojekt auf. Eine besondere Untersuchung läuft momentan mit den zirka 15 Zentimeter großen Rotalgen vom künstlichen Riff. Die Universität Kiel prüft, ob die Großalgen für pharmazeutische Zwecke nutzbar sind. Thomas Mohr:
"Wir haben also schon Ergebnisse vorliegen, dass mit den Polysachariden, die wir in den Algen finden, wir Produkte auf dem Markt ablösen können, Heparin zum Beispiel was aus tierischen Substraten gewonnen wird, können wir hier durch pflanzliche Substrate ablösen."
Das zu 75 Prozent aus EU Mitteln finanzierte Projekt "Großriff Nienhagen" läuft Ende des Jahres aus. Projektleiter Thomas Mohr hofft auf eine Anschlussförderung. Gerade die Mehrfachnutzung des Riffs ist für ihn eine Erfolgsgeschichte:
Fischereiwissenschaft, Umweltschutz und behutsame touristische Nutzung schließen sich hier nicht aus. Für den Hobbytaucher Rolaf Erik Schulze jedenfalls ist das künstliche Riff ein einzigartiger Unterwassergarten in der Ostsee:
"Es war super. Tauchen ist ja hier wirklich eine super Sache am Riff. Man muss sich das ganz anders vorstellen als in südlichen Ländern, ist mehr alles grünlich, gräulich gehalten, aber da tummeln sich halt unheimlich viele Seesterne, Klippenbarsche, Flundern waren unten, ich habe Steinbutt gesehen, ziemlich große Gundeln, war ich ganz erstaunt und habe ein paar schöne Fotos gemacht, immer wieder toll hier."
Tauchlehrer Frank Stefan weist die unerfahrenen Rifftaucher ein. Die kommen aus Münster und Köln und tauchen normalerweise im heimischen Baggersee. Im vier Hektar großen künstlichen Riff, dem größten Deutschlands, geht ohne den Kompass gar nichts.
Was an der Wasseroberfläche durch kleine gelbe Fähnchen unspektakulär abgetrennt ist, das wirkt unter Wasser schon mal wie eine überdimensionierte Panzersperre. 800 Tetrapoden, jeweils zwei Tonnen schwer, liegen ineinander verkeilt auf dem Grund der Ostsee. Die Betonelemente mit vier Kegelstümpfen sind in drei Schichten aufgeschüttet, Betonringe und Riffkegel komplettieren den etwas anderen Bauplatz in zwölf Metern Wassertiefe. Thomas Mohr ist der Projektleiter für die wissenschaftliche Untersuchung des künstlichen Riffs, das sich in einer Fischereizone befindet. Die Besiedlung vor mittlerweile zehn Jahren verlief wie im Lehrbuch:
"Wir haben hier einen sehr großen Bestand an Miesmuscheln, die zwar nicht für die menschliche Ernährung nützlich sind, weil wir hier den Salzgehalt nicht haben, aber die sind sehr früh auf den Strukturen. Aber die werden dann gleich verfolgt von den Seesternen. Die Seesterne fressen die Miesmuscheln, haben selbst keine natürlichen Feinde und beeinflussen so das Ökosystem künstliches Riff dann auch erheblich. Aber wir haben eben auch Algen und Kleinsttiere. Und natürlich kommen dann auch die Klein- und Jungfische, die sich dann in den Strukturen verstecken. Und nachher auch die Räuber, die größeren Fische."
Und auch Exoten wurden schon gesichtet: etwa der Froschdorsch und die Goldmaid. Unter besonderer Beobachtung steht allerdings der Dorsch. Gegner des künstlichen Riffs monierten schon bei Baubeginn: Künstliche Strukturen würden die Fische nur konzentrieren, sie woanders weglocken. Daraufhin untersuchte Thomas Mohr von der Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei auch ein Referenzgebiet in einiger Entfernung vom künstlichen Riff:
"Es liegt so in etwa vier Kilometer entfernt und wird am gleichen Tag, wenn wir Fischerei durchführen an den Strukturen auch dort beprobt. Und bei den Beprobungen haben wir festgestellt, dass wir diese Großfische nicht konzentrieren. Wir fangen mal im Referenzgebiet oder auch im Untersuchungsgebiet Riff mal mehr mal weniger größere Tiere. Was wir aber an den künstlichen Strukturen fangen, sind sehr viele Kleinfische und sehr viele Jungfische. Und da sieht man, dass wir hier mehr eine Kinderstube für die Fische geschaffen haben."
Eine Art Feldlabor ist das künstliche Riff auch für Norbert Schulz vom mecklenburgischen Verein "Fisch und Umwelt". Ihn interessiert besonders die Wanderungsbewegung und Standorttreue der Dorsche. In speziellen Kastenfallen wurden die Fische im künstlichen Riff gefangen:
"Diese Tiere, die wir in diesen Fischfallen lebendig gefangen haben, sind markiert worden und es gibt einige Tiere, die wiederholt, nach Monaten in diesen Fischfallen wieder gefangen sind. Sie haben also immer wieder zu diesem Gebiet zurückgefunden. Allein die Tatsache, dass ein Dorsch bis zu vier Mal wieder in einer Fischfalle gefangen wurde, wieder ausgesetzt wurde, zeugt doch davon, dass das Riff eine gewisse Attraktivität darstellt und das das auch sich den Dorschen in irgendeiner Art und Weise einprägt, dass man nicht weit wandern muss, um genügend Nahrung vorzufinden."
Aber auch ganz andere Geschäftsfelder taten sich bei dem wissenschaftlichen Großprojekt auf. Eine besondere Untersuchung läuft momentan mit den zirka 15 Zentimeter großen Rotalgen vom künstlichen Riff. Die Universität Kiel prüft, ob die Großalgen für pharmazeutische Zwecke nutzbar sind. Thomas Mohr:
"Wir haben also schon Ergebnisse vorliegen, dass mit den Polysachariden, die wir in den Algen finden, wir Produkte auf dem Markt ablösen können, Heparin zum Beispiel was aus tierischen Substraten gewonnen wird, können wir hier durch pflanzliche Substrate ablösen."
Das zu 75 Prozent aus EU Mitteln finanzierte Projekt "Großriff Nienhagen" läuft Ende des Jahres aus. Projektleiter Thomas Mohr hofft auf eine Anschlussförderung. Gerade die Mehrfachnutzung des Riffs ist für ihn eine Erfolgsgeschichte:
Fischereiwissenschaft, Umweltschutz und behutsame touristische Nutzung schließen sich hier nicht aus. Für den Hobbytaucher Rolaf Erik Schulze jedenfalls ist das künstliche Riff ein einzigartiger Unterwassergarten in der Ostsee:
"Es war super. Tauchen ist ja hier wirklich eine super Sache am Riff. Man muss sich das ganz anders vorstellen als in südlichen Ländern, ist mehr alles grünlich, gräulich gehalten, aber da tummeln sich halt unheimlich viele Seesterne, Klippenbarsche, Flundern waren unten, ich habe Steinbutt gesehen, ziemlich große Gundeln, war ich ganz erstaunt und habe ein paar schöne Fotos gemacht, immer wieder toll hier."