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Kürzung von EU-Forschungsgeldern
"Britische Universitäten wären stark betroffen"

Die EU-Kommission will möglicherweise Gelder aus der Forschungsförderung für ihren Investitionsplan verwenden. Deutsche und britische Hochschulen kritisieren den Plan. Besonder britische Universitäten sind auf die Gelder angewiesen, sagte Georg Krawietz vom Londoner DAAD-Büro im DLF.

Georg Krawietz im Gespräch mit Benedikt Schulz |
    Studenten sitzen in einem Hörsaal bei der Erstsemesterbegrüßung der Universität Koblenz-Landau im April 2014 im Hörsaal.
    Studenten sitzen in einem Hörsaal bei der Erstsemesterbegrüßung der Universität Koblenz-Landau im April 2014 im Hörsaal. (dpa / picture-alliance / Thomas Frey)
    Benedikt Schulz: Die EU-Kommission will Europas Wirtschaft in Gang bringen. Kommissionschef Juncker, der hat dazu ja eine groß angelegte Investitionsoffensive angekündigt. Heißt also: Irgendwo muss Geld herkommen. Und wenn es nach der Kommission und den meisten Mitgliedsstaaten geht, dann soll ein nicht unbeträchtlicher Teil dieses Geldes, nämlich 2,7 Milliarden Euro, aus der Forschungsförderung Horizon 2020 abgezwackt werden. Das EU-Parlament, das will da nicht mitmachen, derzeit sind die zuständigen Ausschüsse dabei, eine Gegenposition zu formulieren, und jetzt haben sich die Deutsche Hochschulrektorenkonferenz und ihr britisches Pendant, Universities UK, zusammengetan und die Pläne in einer gemeinsamen Erklärung in der "Financial Times" ebenfalls scharf kritisiert. Das Ganze sei kurzsichtig, und die Bedeutung der Forschung für die EU, die werde da völlig verkannt, heißt es. Schulterschluss zwischen deutschen und britischen Hochschulen als. Georg Krawietz ist Leiter des DAAD-Büros in London, und mit ihm spreche ich jetzt. Ich grüße Sie!
    Georg Krawietz: Schönen guten Tag!
    Schulz: Warum ist das Interesse auch von britischer Seite so groß, dass die EU-Fördermittel nicht gekürzt werden?
    Krawietz: Man muss sagen, dass die britischen Universitäten in Sachen Forschung international eine Ausnahmestellung haben, sicherlich vergleichbar etwa mit den USA. Sie haben zudem in den letzten Jahren, wenn man etwa das siebte Forschungsrahmenprogramm sich anschaut, das 2013 beendet wurde, denkbar erfolgreich abgeschnitten bei der Einwerbung von Forschungsmitteln. Man muss dazu sagen, dass die außeruniversitäre Forschung, wie wir sie aus Deutschland kennen mit Institutionen wie etwa der Max-Planck-Gesellschaft oder die Helmholtz-Insititute, die Leibniz-Gesellschaft, so etwas gibt es im United Kingdom oder im Vereinigten Königreich nicht, sondern hier ist auch die Grundlagenforschung ganz, ganz stark an den Universitäten selbst eben etabliert. Das heißt, wenn eine Kürzung von Forschungsmitteln der EU-Kommission in Rede steht, würden die britischen Universitäten natürlich ganz, ganz stark betroffen sein, und es würde ihren Erfolg, den sie in der Vergangenheit erzielt haben, natürlich in Zukunft fraglich erscheinen lassen. Insofern ist es verständlich, dass sie da entsprechend gegen aufbegehren.
    "Anteil aus internationalen Quellen ist sehr, sehr hoch"
    Schulz: Kann man denn so weit gehen, zu sagen, dass die Hochschulen nicht von den Mitteln profitieren, sondern teilweise darauf angewiesen sind?
    Krawietz: Für bestimmte Vorhaben würde ich das schon so sagen, weil wenn man sich die Förderungen insgesamt anschaut, dann ist sicherlich der Anteil der aus internationalen Quellen, vor allen Dingen auch aus dem Bereich der EU-Kommission kommt, in Großbritannien sicherlich sehr, sehr hoch. Vielleicht einige Vergleichsdaten: Wenn man sich etwa anschaut, die Russell-Group, das ist eine Institution hier im Vereinigten Königreich, die die 24 forschungsstärksten Universitäten von etwas über 100 einschließt, von diesen 24 Universitäten waren 14 von 50 insgesamt so erfolgreich im siebenten Forschungsrahmenprogramm, dass das also europaweit seinesgleichen gesucht hat. Insofern wird man natürlich dann befürchten, dass ein ähnlicher Erfolg sich jetzt mit dem neuen Programm Horizon 2020, wenn es denn reduziert werden sollte im Umfang, sich nicht wiederholen lässt. Und das ist nicht im Interesse der britischen Universitäten.
    Schulz: Wollen wir noch allgemeiner über die finanzielle Situation der Hochschulen sprechen. Also, 2010 hat ja die Regierung David Cameron die Studiengebührenhöchstgrenze drastisch nach oben verschoben, von 3.000 auf 9.000 Pfund. Da wurde damals befürchtet, dass möglicherweise ein Studierendenschwund deswegen einsetzen würde. Hat sich das bewahrheitet?
    Krawietz: Das hat sich in der Form nicht bewahrheitet. Die Zahlen, die bisher bekannt sind, lassen darauf schließen, dass die Zahl der Studierenden sich insgesamt nicht verringert hat, sondern sie ist gleich geblieben, in manchen Teilen sogar geringfügig angestiegen. Das Interesse an einem Studium in Großbritannien ist, sowohl, was internationale Studierende angeht, als auch, was einheimische Studierende angeht, nach wie vor ungebrochen, was sicherlich damit zu tun hat, dass man sich eben bessere Karrieremöglichkeiten - in welchem Beruf auch immer - später davon eben erhofft. Zu Denken geben muss natürlich, dass, wenn man es etwa mit der deutschen Situation vergleicht, wo ja noch nicht einmal Studiengebühren in der Höhe von 1.000 Euro pro Jahr durchsetzbar waren, ein britischer Studierender nach einem klassischen dreijährigen Bachelorstudium mit 27.000 Pfund an Schulden oder einem Loan erst mal da steht. Da sind die Lebenshaltungskosten noch nicht einmal eingerechnet. Und dieser Loan oder dieser Kredit, dieser Studienkredit muss natürlich in irgendeiner Art und Weise abbezahlt werden. Und das ist natürlich schon auch eine finanzielle Herausforderung in einer Lebensphase, wo man ja nun gerade mal angefangen hat, seinen beruflichen Werdegang eben zu beginnen. Und das ist natürlich etwas, was aus deutscher Sicht schon bemerkenswert ist, aber in Großbritannien hat es jedenfalls nicht zu einer Verringerung der Studierendenzahlen geführt.
    "Nur am Rande ein Wahlkampfthema"
    Schulz: Aber es hat sich ja doch der Staat aus der Hochschulfinanzierung zumindest teilweise faktisch zurückgezogen. Wie stehen denn die Hochschulen dadurch jetzt inzwischen finanziell dar? Ist das Ganze - konnte das durch Gebührenzahlungen oder durch die erhöhten Gebühren ausgeglichen werden?
    Krawietz: Das konnte weitgehend ausgeglichen werden, allerdings haben die Hochschulen auch ganz klar gesagt, wenn eine zukünftige Regierung die Studiengebühren reduzieren wollte von etwa 9.000 auf 6.000 Pfund pro Jahr, so wie es etwa Labour vorgeschlagen hat, dann müsste dieses Geld definitiv aus anderer Quelle eben zugeschossen werden. Die Hochschulen haben relativ klar hier geäußert, dass sie auf diese Einnahmen, den Verlust von Einnahmen in Höhe von 3.000 Pfund pro Jahr definitiv nicht verzichten können. Hintergrund ist, dass sich der Staat aus der Finanzierung des Studiums vor allen Dingen im Bachelorbereich, größeren Teils aber auch im Masterbereich nahezu komplett zurückgezogen hat. Diese Einnahmen werden eben aus Studiengebühren von britischen Studierenden, aber dann auch von Internationals - da sind die Studiengebühren noch einmal erheblich höher, wenn man aus einem Land von außerhalb der EU kommt - dass die dadurch eben gedeckt werden. Und darauf können die britischen Universitäten nicht verzichten.
    Schulz: Sie sprechen jetzt gerade schon die politische Situation an. Weil es sind ja Unterhauswahlen am 7. Mai. Wie weit ist das Ganze denn Wahlkampfthema?
    Krawietz: Es ist nur am Rande ein Wahlkampfthema. Es spielen andere Themen eine größere Rolle, aber immerhin: Keine der politischen Parteien, vor allen Dingen nicht Labour, wird darauf verzichten, dieses Argument ins Feld zu führen. Denn immerhin, eine Reduktion um ein Drittel, von 9.000 auf 6.000 Pfund ist natürlich ein Argument, mit dem man auch Eltern oder zukünftige Studierende sicherlich beeinflussen kann hinsichtlich ihrer Entscheidung, für welche Partei sie dann ihre Stimme abgeben.
    Schulz: Zur finanziellen Situation der britischen Hochschulen waren das Einschätzungen von Georg Krawietz, Leiter des DAAD-Büros in London. Ganz herzlichen Dank!
    Krawietz: Gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.