Der Augenschein lässt kein anderes Urteil zu: Das Markanteste am "Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen" im Tiergarten ist die gestalterische Anlehnung an das Holocaust-Mahnmal auf der anderen Seite der Ebertstraße. Im Internet wurde auch die Namengebung rasch angepasst. Suchmaschinen kennen bereits das "Schwulen-Mahnmal".
Die Künstler Michael Elmgreen und Ingar Dragset haben sich für einen Pavillon entschieden, der beim besten Willen wie die 2712te Stele des Holocaust-Mahnmals aussieht, wenn diese auch an einem lauschig-romantischen Plätzchen untergebracht wurde. Das ist ästhetisch befriedigend - falls denn solche Mahnmale etwas befriedigen können - und auch rücksichtsvoll gegenüber dem benachbarten Über-Mahnmal. Aber der ideele Preis ist so hoch wie das Risiko, Erinnerungen zu schematisieren.
Seit Jahren wird darum gestritten, ob die Holocaust-Zentrierung des Gedenkens an NS-Verbrechen nicht letztlich eine Hierarchisierung der Opfer bedeutet. Seit Jahren mühen sich andere Opfergruppen - beziehungsweise Nachgeborene - um Aufmerksamkeit und Anerkennung. Das Denkmal für die verfolgten Sinti und Roma ist im Bau. Und nun erinnert ein gestalterisch extrem unselbständiges Denkmal an die über 50.000 vom NS-Regime verurteilten Homosexuellen. Die Parzellierung des Gedenkens - von den einen gefordert, von anderen wegen der aufkommenden Unübersichtlichkeit schon wieder bekrittelt - bleibt auf halbem Wege stehen.
Natürlich, die Stele von Elmgreen und Dragset ist größer als die Eisenmannschen nebenan und sie ist auch nicht massiv. Im ausgehöhlten, düsteren Inneren läuft ein Film, in dem sich zwei Männer innig umarmen und küssen - zu besichtigen durch eine kleine rechteckige Öffnung. Die Verborgenheit der homophilen Liebe ist historisch sinnträchtig - und ebenso der Kontrast, wenn heute Männer Arm in Arm und knutschend das Mahnmal besichtigen. Die Konzeption ist ja in Wirklichkeit souverän, angemessen und zeitgemäß - warum dann diese formale Unterordnung?
Vielleicht liegt die Stärke des neuen Schwulen-Denkmals darin, dass es - neben seinem eigentlichen, ins Innere verbannten Anliegen - den Problemstand des heutigen Gedenkens reflektiert. Inwieweit muss jegliche Erinnerung an die NS-Gräuel im Schatten des Holocaust stehen? Inwieweit kann sich das öffentliche Gedenken um alle Opfergruppen kümmern, ohne in Opfer-Lobbyismus abzugleiten, der tagespolitischen Einflüssen unterliegt?
Die Gefahr ist ja durchaus da - und wird ebenfalls am neuen Denkmal manifest. Der Film der schwulen Männer, der an die Untaten im Zeichen des Homosexuellen-Paragrafen 175 erinnert, soll alle zwei Jahren von einem historisch viel weniger angemessenen Lesbenfilm ersetzt werden. Eine peinliche politische Korrektheit, die das Anliegen des Denkmals radikal verwässert. Joachim Müller, einen der ersten Initiatoren und Experte für die Verfolgung der Homosexuellen im Nationalsozialismus, titulierte bereits vor Jahren solches Ansinnen als "Mythos von der NS-Lesbenverfolgung" und verließ die ursprünglich sogenannte "Initiative Schwulendenkmal."
Berlins Mahnmalstopografie wird also noch vielfältiger. An den heilsamen Ernst der KZ-Gedenkstätten reicht jedoch kein künstlicher Gedenkort heran. Immerhin, durch die Vereinzelung der einen Stele als Schwulen-Denkmal haben Elmgreen und Dragset erreicht, dass die bedrückende Menge der benachbarten Eisenmannschen Stelen umso sichtbarer oder vielleicht erstmals wirklich sichtbar wird. Viele Auswärtige sagen ja: "Ich habe mir das alles größer vorgestellt." In dieser Hinsicht wandelt sich die Perspektive aufs Günstigste.
Ansonsten muss man realistischerweise damit rechnen, dass das Denkmal für die verfolgten Homosexuellen den gleichen Nutzungsbedingungen unterliegt wie das Holocaust-Mahnmal. Dort klagen selbst eigens ausgebildete Stadtführer, dass im Hochsommer ein Aufenthalt zwischen den aufgeheizten Stelen wie "der Vorhof zur Hölle" sei. Und die Touristen lachen erfreut über soviel Humor.
Die Künstler Michael Elmgreen und Ingar Dragset haben sich für einen Pavillon entschieden, der beim besten Willen wie die 2712te Stele des Holocaust-Mahnmals aussieht, wenn diese auch an einem lauschig-romantischen Plätzchen untergebracht wurde. Das ist ästhetisch befriedigend - falls denn solche Mahnmale etwas befriedigen können - und auch rücksichtsvoll gegenüber dem benachbarten Über-Mahnmal. Aber der ideele Preis ist so hoch wie das Risiko, Erinnerungen zu schematisieren.
Seit Jahren wird darum gestritten, ob die Holocaust-Zentrierung des Gedenkens an NS-Verbrechen nicht letztlich eine Hierarchisierung der Opfer bedeutet. Seit Jahren mühen sich andere Opfergruppen - beziehungsweise Nachgeborene - um Aufmerksamkeit und Anerkennung. Das Denkmal für die verfolgten Sinti und Roma ist im Bau. Und nun erinnert ein gestalterisch extrem unselbständiges Denkmal an die über 50.000 vom NS-Regime verurteilten Homosexuellen. Die Parzellierung des Gedenkens - von den einen gefordert, von anderen wegen der aufkommenden Unübersichtlichkeit schon wieder bekrittelt - bleibt auf halbem Wege stehen.
Natürlich, die Stele von Elmgreen und Dragset ist größer als die Eisenmannschen nebenan und sie ist auch nicht massiv. Im ausgehöhlten, düsteren Inneren läuft ein Film, in dem sich zwei Männer innig umarmen und küssen - zu besichtigen durch eine kleine rechteckige Öffnung. Die Verborgenheit der homophilen Liebe ist historisch sinnträchtig - und ebenso der Kontrast, wenn heute Männer Arm in Arm und knutschend das Mahnmal besichtigen. Die Konzeption ist ja in Wirklichkeit souverän, angemessen und zeitgemäß - warum dann diese formale Unterordnung?
Vielleicht liegt die Stärke des neuen Schwulen-Denkmals darin, dass es - neben seinem eigentlichen, ins Innere verbannten Anliegen - den Problemstand des heutigen Gedenkens reflektiert. Inwieweit muss jegliche Erinnerung an die NS-Gräuel im Schatten des Holocaust stehen? Inwieweit kann sich das öffentliche Gedenken um alle Opfergruppen kümmern, ohne in Opfer-Lobbyismus abzugleiten, der tagespolitischen Einflüssen unterliegt?
Die Gefahr ist ja durchaus da - und wird ebenfalls am neuen Denkmal manifest. Der Film der schwulen Männer, der an die Untaten im Zeichen des Homosexuellen-Paragrafen 175 erinnert, soll alle zwei Jahren von einem historisch viel weniger angemessenen Lesbenfilm ersetzt werden. Eine peinliche politische Korrektheit, die das Anliegen des Denkmals radikal verwässert. Joachim Müller, einen der ersten Initiatoren und Experte für die Verfolgung der Homosexuellen im Nationalsozialismus, titulierte bereits vor Jahren solches Ansinnen als "Mythos von der NS-Lesbenverfolgung" und verließ die ursprünglich sogenannte "Initiative Schwulendenkmal."
Berlins Mahnmalstopografie wird also noch vielfältiger. An den heilsamen Ernst der KZ-Gedenkstätten reicht jedoch kein künstlicher Gedenkort heran. Immerhin, durch die Vereinzelung der einen Stele als Schwulen-Denkmal haben Elmgreen und Dragset erreicht, dass die bedrückende Menge der benachbarten Eisenmannschen Stelen umso sichtbarer oder vielleicht erstmals wirklich sichtbar wird. Viele Auswärtige sagen ja: "Ich habe mir das alles größer vorgestellt." In dieser Hinsicht wandelt sich die Perspektive aufs Günstigste.
Ansonsten muss man realistischerweise damit rechnen, dass das Denkmal für die verfolgten Homosexuellen den gleichen Nutzungsbedingungen unterliegt wie das Holocaust-Mahnmal. Dort klagen selbst eigens ausgebildete Stadtführer, dass im Hochsommer ein Aufenthalt zwischen den aufgeheizten Stelen wie "der Vorhof zur Hölle" sei. Und die Touristen lachen erfreut über soviel Humor.