Comics in der DDR, das heißt für die meisten, die damit überhaupt etwas anfangen können: das "Mosaik". Eine Fortsetzungsgeschichte von drei Kobolden, die Abenteuer in der ganzen Welt erleben. Mitte der 50er-Jahre von Hannes Hegen erfunden – und als einziges Comic aus der DDR-Zeit heute noch auf dem Markt. Von den Digedags, den drei Helden im Mosaik, schwärmen noch heute die, die es damals als Kind gelesen haben. Thomas Heinicke z.B., er ist der wichtigste Leihgeber der Geraer Ausstellung. Ihn faszinierte bei Dig, Dag und Digedag …
"Schon frühzeitig die Verbindung zur Geschichte! So eine Rückführung auf Rom, mit solchen Dingen hatte man ja bisher keinen Kontakt gehabt, also kaum was gehört, was römische Antike betrifft. Wissenschaft: Otto von Guericke, noch nie was davon gehört vorher! Und man konnte dann natürlich auch in der Schule mit solchem Wissen punkten, wenn es darum ging: Otto von Guericke, Magdeburger Halbkugeln, schon mal gehört, wußte, um was es ging. Da war dann natürlich das Staunen groß beim Physiklehrer, dass ich mich mit solchen Dingen schon befasst habe!"
Bildung schön und gut. Dennoch bleibt die Frage: Warum gab es ab Mitte der 50er-Jahre überhaupt Comics in der DDR? Schließlich galt die Welt von Walt Disney, Superman und Marvel doch eigentlich als "Schund und Schmutz" aus dem Westen? Immerhin war aber das Angebot so knapp und die Nachfrage so groß, dass der monatliche Erwerb eines Mosaiks schon ein Abenteuer war. Doch nicht einmal Thomas Heinickes systemkonformen Mosaiks waren sicher vor den Ideologiewächtern.
"Ich hatte schon Anfang der 60er-Jahre fast komplett die ersten 30 Hefte. Die hatte ich aus freudigem Ereignis heraus auch mal mit in die Schule genommen. Und obwohl es sich um ein DDR-Heft handelte, hat mir damals ein Lehrer die Hefte weggenommen, die sind dem Hausmeister übergeben worden und wurden verbrannt. Da habe ich dann lange Jahre gebraucht, um die frühen Hefte dann wieder zu vervollständigen."
Comic mit kommunistischer Gesinnung?
Konkret: gut 50 Jahre. Vor vier Wochen konnte Heinicke das letzte fehlende, das Mosaik Nr. 1 von 1955, kaufen – für ziemlich viel Geld. Die Summe will er nicht nennen. Nun liegt es in der Geraer Ausstellung, ganz allein präsentiert in einer Vitrine. "Dig, Dag, Digedag. Auf der Jagd nach dem Golde". Vor orientalischer Kulisse rauben die drei gewitzten Kobolde den Schatz des Sultans, verteilen ihn unter dem Volk und müssen fliehen. Nun kann man den Digedags eine kommunistische Gesinnung unterstellen; aber andererseits funktionieren ja viele Abenteuergeschichten auf diese Weise. Der Kurator der Geraer Ausstellung, Matthias Wagner, findet, dass Mosaik-Erfinder Hannes Hegen seine Geschichten für DDR-Verhältnisse ganz gut erzählen konnte – aber nicht ohne Einfluss der Kulturfunktionäre.
Ganz deutlich, im Heft 25: Die Digedags sind gerade im antiken Rom – werden sie plötzlich von einer Weltraumrakete entführt und kommen auf einen anderen Planeten! Und auf diesem Planeten sind erstaunlich erdähnliche Zustände: Es gibt die Bösen, ein böses Reich. Es gibt die gute Seite, und die beiden liegen im Kampf miteinander. Da gibt es Agenten, da wird spioniert. Der ganze Lebensalltag ist verblüffend ähnlich den 50er-Jahren hier auf der Erde.
Die Ausstellung im Stadtmuseum Gera zeigt eine verblüffende Vielfalt von 90 Comics aus der DDR. Sie präsentiert 300 Objekte in Vitrinen oder an der Wand, mit weiterführenden Informationen zu Zeichnern, Autoren und Kontext der Comics.
Erschreckend banal und platt ideologisch
Neben dem Mosaik und dem zweiten reinen Comic-Heft ATZE gab es Comics auch in Kinder-, Pionier-, Frauenzeitschriften, in Illustrierten und Wochenzeitungen. Die Qualität der Geschichten und Darstellungen ist sehr unterschiedlich, manches ist erschreckend banal und platt ideologisch. Wenn sich etwa Arbeiter, gerade im Jahr des Arbeiteraufstands 1953, gegen Saboteure in ihrer Fabrik wehren. Auch wenn die Partei-Ideologie fast überall in den Geschichten zu finden war, so war es die DDR-Realität höchst selten, findet Matthias Wagner.
Eine große Ausnahme ist die Serie "Rolf und Robert" aus der "Trommel". Rolf und Robert, zwei Klassenkameraden, tragen natürlich brav das Halstuch, wenn es auf Pionierexpedition geht. Dennoch: bröckelnde Fassaden, Plattenbauten, Altbauwohnungen, Kohlenkeller, Hinterhöfe und Litfaßsäulen und ganz leise Kritik …
Die meisten Comics der Ausstellung sind sehr bieder gezeichnet, Sprechblasen z.B. galten als westlich-dekadent und waren den Autoren in den 60er-Jahren zeitweise sogar verboten. Die Bildfolgen der ostdeutschen Comics sind weniger dynamisch als westliche Vorbilder, Superhelden gab es in DDR-Comics überhaupt nicht. Die Ausstellung zeigt, welche Welten Geschichtenerzähler erschaffen können, wenn man sie denn machen lässt – auch im Sozialismus. Und sie zeigt, welche Einfältigkeit dabei herauskommt, wenn die "Idee" aus der Ideologie erwächst. Das haben in der DDR schon Kinder gemerkt – und Seiten einfach überblättert.