Freitag, 29. März 2024

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Kultur-Aktivist Hamidy
Grönemeyer an den Hindukusch

Gewalt, Anschläge und Korruption prägen in den Medien bei uns das Bild von Afghanistan. Von Festivals ist eher selten die Rede. Der Deutsch-Afghane Basir Hamidy arbeitet seit acht Jahren daran, dass Großkonzerte am Hindukusch Einzug halten. Gerne würde er auch Herbert Grönemeyer oder Franz Beckenbauer einladen.

Basir Hamidy im Corsogespräch mit Martin Gerner | 05.07.2014
    Basir Hamidy: Ich habe lange in Deutschland gelebt, seit 2077, aufgrund meines Berufs und meiner Erfahrungen, die ich in diesem Bereich hatte. Bevor ich nach Deutschland gekommen bin - ich habe in einer Jugendorganisation, so ähnlich wie die FDJ der DDR, das hieß Afghanistans Jugendorganisation, da habe ich als Kulturleiter gearbeitet. Sehr jung, aber damals haben wir schon große Veranstaltungen organisiert und von damals habe ich schon gewisse Erfahrungen gehabt.
    In Deutschland habe ich dann auch mich nicht nur inspirieren lassen, ich habe große Festivals wie das (Kölner) Fühlinger Summer-Jam oder Chiemsee-Festival oder andere große Musikkonzerte einfach miterlebt und gesehen wie das Ganze organisiert wird. Ich habe auch einen zehnmonatigen Kurs belegt für Veranstaltungskaufmann. Und daher, als ich 2007 um Urlaub zu machen hier nach Kabul kam, mir kam durch den Kopf "warum nicht das Ganze hier?". Und das war eine sehr gute Entscheidung. Ich bin dann hier geblieben und habe eine kleine Firma aufgebaut namens "Orange Media Forum". Und wir machen jetzt Eventmanagement, Mediaproduction und Mediaconsulting. Und ich bin mit meinen 20 Mitarbeitern sehr gut beschäftigt.
    Martin Gerner: Also aus dem Urlaub ist jetzt eine jahrelange Tätigkeit geworden. Jetzt würde ja jeder denken, das ist ja rein sicherheitsmäßig eine kranke Idee hier Konzerte zu machen unter freiem Himmel. Wie ist es mit der Sicherheit?
    Hamidy: Also es ist tatsächlich so, sobald eine Menschenmenge zusammen kommt, gibt es ein Risiko, dass etwas passiert. Aber da ich grundsätzlich mit jungen Leuten arbeite, für junge Leute arbeite - in Afghanistan ist die Bevölkerung sehr jung, über 60 Prozent der Menschen hier in Afghanistan sind zwischen 18 und 35 - die brauchen einfach eine gesunde Beschäftigung.
    17.000 Leute bei einem Konzert
    Gerner: Ist da so wie man in Deutschland sagt, sie von der Straße wegholen, damit sie nicht auf dumme Gedanken kommen?
    Hamidy: Ganz genau. Allein zur Schule, allein zur Moschee zu gehen, das reicht nicht. Mein Gedanke ist auch, die Menschen, nachdem sie aus der Schule, aus der Hochschule, aus den Moscheen oder von der Arbeit rauskommen, die haben keine Beschäftigung. Musik, Theater, Sport, das sind die Dinge, die diese Leute auch in ihrer Freizeit sehr gut beschäftigen können. Etwas den jungen Menschen oder Jugendlichen in ihrer Freizeit anzubieten. Zum Beispiel war ich vor drei Jahren beim Kulturminister. Ich habe die Ehre gehabt. Er sagte mir einfach, ob ich verrückt sei. Ob ich richtig meine Tassen im Schrank hab. Als ich aufgestanden und weggegangen bin, habe ich gesagt: "Herr Minister, nee, bei mir ist alles in Ordnung, aber ich mache das alleine." Drei Jahre später am 7. November 2011 haben wir in Dschalalabad eine Veranstaltung gehabt.
    Gerner: Dschalalabad ist im Osten, eine sehr konservative Gegend.
    Hamidy: Ja, eine sehr konservative Gegend. Da sind auch die Risiken viel großer als in Kabul. Und wir haben nur gedacht, da kommen dann so ungefähr 5.000 junge Menschen und wir werden ein Musikkonzert machen. Da kamen 17.000 Leute! Drei Wochen später haben wir das in Kabul gemacht allein für die Frauen. Da kamen 13.000 junge Frauen und Mädchen zu einem Konzert mit einer jungen Sängerin und einem Mann, die in Afghanistan sehr bekannt sind. Das gleiche haben wir in Masar-i-Scharif gemacht und die Welle ist dann richtig durch das Land.
    Gerner: Wie bekommt ihr für solch eine Veranstaltung die Frauen raus (aus dem Haus)? Denn tatsächlich ist das ein Problem.
    Hamidy: Ein bisschen später, Anfang Mai, haben wir eine große Feier um Babur-Garten gemacht. Das ist ein abgeschlossener Ort. Und da haben wir wirklich einen Platz, wo man kontrollieren kann und auch nur Frauen dorthin einladen kann. Und wir haben wirklich mehr als erwartet. Das war ein richtiges Fest und viele Leute haben Essen mitgebracht. Der Bürgermeister von Kabul hat jeder Frau einen Baum geschenkt. Und einen Blumentopf für jedes Zuhause. Und die Bäume für vor das Haus.
    Wir müssen lernen, wie man das Land aufbaut
    Gerner: Du hast etwas mitgebracht.
    Hamidy: Ja genau, das war in Bamiyan im August 2013 vor der Buddha-Statue. Wir haben dort gefeiert, da kamen auch 15.000 Leute zusammen. Das ist (ein Musikausschnitt) nicht unbedingt von der Feier, aber von der Vorbereitungsphase. Afghanische Rapper, afghanische Popmusiker, und die haben einfach die Vorfreude gehabt, am nächsten Tag die Feier zu haben.
    Gerner: Was singen die hier?
    Hamidy: Der heißt Martin, der hat wirklich auf dem Herzen, was die Probleme von Jungend hier in Afghanistan sind. Warum unsere Frauen, unsere Schwestern nicht zur Schule gehen können. Warum ist die Korruption da und wir haben keine Kraft dagegen zu kämpfen. Warum sollen wir nicht unser Land endlich selber an die Hand nehmen? Über solche Sachen singen die und was sie singen, kommt bei jungen Leuten auch sehr gut an. Und ich denke, wenn man solche Veranstaltungen macht und junge Leute mit Kunst und Bühne erstmal anspricht, dann kann man sie auch für eine Sache motivieren. Was in den letzten 13 Jahren passiert ist, die sind einfach draußen geblieben die jungen Leute.
    Gerner: Wenn man dich so reden hört, denkt man, Afghanistan ist ein Land von vielen Möglichkeiten, nur wir Westler sehen die häufig gar nicht.
    Hamidy: So ist das! Ich kann jetzt nicht von anderen Ländern reden. Aber ich habe so ein Gefühl zu Deutschland, ich habe dort gelebt, ich habe dort gelernt. Es ist schade, dass die Realität in Afghanistan, die überwiegend durch Medien dorthin gebracht wird oder dort ankommt, ist nicht das, was Afghanistan wirklich ist. In den letzten 13 Jahren, was Deutschland oder die europäischen Länder oder die internationale Gemeinschaft konnte, das haben sie gemacht, um Afghanistan zu helfen. Aber das Problem ist, in Afghanistan sollten die Afghanen selbst die Verantwortung für ihr Land übernehmen. Die Militärgeschichten, das sollen die afghanische Polizei und das afghanische Militär machen. Die haben gezeigt in der Wahlkampfperiode, dass sie in der Lage sind, wenn sie wirklich kräftig sind, wenn sie eine große Zahl haben, sie alle Dinge haben, was ein Militär braucht. Dann sollen sie sich um diese Sachen kümmern und Deutschland soll uns Zivildienst, mit der großen Erfahrung der letzten 50 Jahre nach dem 2. Weltkrieg, uns zur Verfügung stellen. Das wir lernen, wie man das Land aufbaut.
    Beckenbauer oder auch Peter Maffay
    Gerner: Gibt´s einen Traum, wen oder was du auf die Bühne holen willst in Afghanistan?
    Hamidy: Ich hätte sehr gerne Herbert Grönemeyer. Ich liebe seine Musik, vor allem seine die Lieder, die er nach seinen eigenen Problemen, die Krankheit von seiner Frau, gesungen hat und dann große Konzerte gemacht hat. Den würde ich sehr gerne nach Afghanistan holen. Oder, wie heißt der große Fußballer aus München?
    Gerner: Beckenbauer
    Hamidy: Ja, den Herrn Beckenbauer, der am Anfang der Karsai-Zeit mal hier war. Der wollte hier ein Stadion aufbauen und man hatte ihm blöderweise vorgeschlagen, ein altes russisches Stadion umzubauen. Und er war dann nicht unbedingt begeistert davon. Oder Peter Maffay, der sehr viel getan hat für afghanische Kinder 1981 und 1986. Dann wollte er 2003 uns helfen. Wir hatten ein sehr gutes Treffen, er war sehr nett, sehr eindrucksvoll. Eigentlich ein Festival mit diesen großen Kulturmenschen aus Deutschland zu haben.
    Gerner: Ich pick noch mal ganz kurz raus den Grönemeyer. Warum Grönemeyer und warum würde das die Leute hier interessieren?
    Hamidy: Ich bin fest davon überzeugt, dass es in ganz Afghanistan, vor allem unter jungen Leuten, eine sehr große Sympathie für Deutschland gibt. Alle denken, Deutschland ist hier um uns zu helfen. Nicht etwas aus Afghanistan rauszunehmen, was über andere Nationen gedacht wird. Also Deutschland ist sehr beliebt hier in Afghanistan.