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Kultur als Arbeitsmarkt für Geisteswissenschaftler

Die Möglichkeiten des Broterwerbs für Geisteswissenschaftler sind darum ein Dauerthema unter Studenten und Absolventen. Was machen diejenigen, die sich nicht mehr nur im rein akademischen Milieu bewegen, sondern deren Arbeit an den Schnittstellen zwischen Wissenschaft, Kultur und Bildung liegt? Sind sie für solche Berufe hinreichend ausgebildet und außerdem in der Lage, ihren eigenen Ansprüchen gerecht zu werden? Eine Tagung des Deutschen Kulturrats suchte Antworten.

Von Eva-Maria Götz |
    Annette Schavan: " Eine Welt, die so spezialisiert ist, eine Welt, in der die Menschen soviel können, weil der technische Fortschritt es ihnen möglich macht, der medizinische Fortschritt es ihnen möglich macht, dass ist eine Welt, in der es auch Menschen braucht, die innerlich eine gewissen Stabilität haben, die mit Zweifel und Verzweiflung umgehen können, die einen Blick in die Geschichte haben, die die Dinge durchdringen, die reflexiv und aktiv umgehen können mit dem, was an Chancen, aber auch an Grenzen da ist. "

    So beschreibt Bildungs- und Forschungsministerin Annette Schavan, auf der Tagung des deutschen Kulturrates, die besonderen Vorzüge von Geisteswissenschaftlern. Ob diese durch die genannten Attribute attraktiv für den Arbeitsmarkt werden? Nur die wenigsten Wissenschaftler können sich an den Universitäten der hehren Forschung widmen, für das Gros beginnt nach dem Studium die mühsame Stellensuche, die manchmal an Arbeitsplätzen endet, von deren Existenz man bisher gar nichts wusste, wie Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des deutschen Kulturrates erläutert:

    " Nehmen wir zum Beispiel einen im Moment unglaublich boomenden Bereich: die Computerspielbranche. Fast alle diese Spiele haben irgendwelche Beziehungen zur Geschichte. Ob das "World of Warcraft" ist, ob das "Anno 1701" ist, die im Moment bekanntesten Spiele, die einen haben sich der griechischen Mythologie verpflichtet, die anderen versuchen eine historische Simulation aufzubauen- ohne den Input des Geisteswissenschaftlers geht es in diesem Bereich nicht. In diesem Bereich werden heute Geisteswissenschaftler beschäftigt, obwohl man sich das vor wenigen Jahren gar nicht vorstellen konnte, das sie dort arbeiten würden. "

    Um ungewöhnliche Biographien von Geisteswissenschaftlern aus den unterschiedlichsten Disziplinen, um den ständigen Kampf um eine feste oder zumindest regelmäßige Anstellung mit halbwegs angemessenem Einkommen, und um das Bemühen, trotz anderslautender Anforderungen im Beruf noch einen Rest an wissenschaftlicher Arbeit leisten zu können, drehte sich die Tagung zum Jahr der Geisteswissenschaften. So berichtete Dr. Simone Eick, Direktorin des Deutschen Auswandererhauses in Bremerhaven von der Besonderheit, dass ihr Museum sich wie ein Privatunternehmen wirtschaftlich selbst tragen muss und die Auswirkung davon auf die Arbeit der dort angestellten Wissenschaftler:

    " Der andere Blick auf ihre Arbeit , den Geisteswissenschaftler am Deutschen Auswandererhaus auf ihre Arbeit bekommen, der liegt darin dass, alles was wir tun, sehr zielgerichtet ist, das heißt, das pure Forschen, wovon manch einer sicher träumt, wenn er sich vorstellt, was er später macht als Geisteswissenschaftler, das findet bei uns nicht statt. Und insofern bekommt die Arbeit bei uns eine ganz andere Wertschätzung, im wahrsten Sinne des Wortes: sie wird wert- geschätzt, und damit ist sie, denke ich auch sehr befriedigend, denn man arbeitet nicht im freien Raum, sondern alles was man tut wird entweder ein Veranstaltungsprogramm oder eine Sonderausstellung oder eine Veränderung in der Dauerausstellung. "

    Auf die wissenschaftliche Arbeit kann und will die gelernte Historikerin und Philosophin an ihrem Museum aber nicht verzichten, deswegen wurde vor einiger Zeit die Stiftung Auswandererhaus gegründet, die die Forschung finanziert. Eick:

    " Es ist so, es gibt zwei oder drei Migrationsforschungsinstitute in Deutschland, die haben aber wenig mit Museen zu tun. Das heißt, was wir brauchen ist die Verknüpfung des Themas Migration mit dem Museum und deswegen fördern wir zwei Doktoranden, um dann wirklich konkret aktuelle Forschungsarbeit einfließen lassen zu können bei uns ins Haus. Und es ist natürlich grade das Thema Migrationsforschung erst in den letzten 10 Jahren richtig populär geworden. Da gibt es noch ganz viele offene Fragen und wer, wenn nicht wir sollte sich damit beschäftigen. "

    Wie vielfältig die Anforderungen an Geisteswissenschaftler im Berufsalltag sind, beschreibt auch Prof. Hartmut Dorgerloh, Direktor der Berlin- Brandenburgischen Stiftung preußischer Schlösser und Gärten. Da sind die Wissenschaftler oft als Projektmanager tätig, haben mehr mit Verhandlungen mit Gärtnern, Baufachleuten, Versicherungsmanagern und Spediteuren zu tun als mit wissenschaftlichen Expertisen. Weshalb schon bei Einstellungsgespräch nicht nur auf die wissenschaftliche Qualifikation geachtet wird, so Dorgerloh:

    " Wir achten vor allen Dingen und das steht an erster Stelle auf soziale Kompetenz, denn wenn ich in so vernetzten kooperativen Strukturen arbeite, dann muss ich erstmal in der Lage sein, mich sozial zu verhalten und das heißt mit anderen vom Hausmeister bis zum internationalen Fachkollegen mit allen gleichermaßen zu kommunizieren, meine Interessen zu formulieren, auf deren Bedürfnisse zu hören, gemeinsame Erfahrungen zu bilden. "

    Eine klassische wissenschaftliche Bildung möglichst bis zur Promotion hält Hartmut Dorgerloh trotzdem für unverzichtbar für eine Anstellung bei öffentlichen Museen.

    " Das große Ziel muss es sein, dass man die klassischen Aufgaben von Museen und Sammlungen nicht aus dem Blick verliert, das heißt, dass das Bewahren, das Pflegen, das Erforschen von Sammlungen, weil das die Grundlage für alle weiteren Aktivitäten ist im Bereich Vermittlung und Marketing. Wenn das Produkt nicht stimmt, dann kann ich auch nichts verkaufen und das merken wir auch immer wieder. Wenn man Ausstellungen zu schnell produziert und nicht richtig mit wissenschaftlicher Arbeit verbindet, dann kommen die beim Publikum auch nicht so gut an. Die wollen eben auch was sehen, was nicht nur schön ist, sondern auch einen Inhalt hat. Und das setzt voraus, das die Grundlagenarbeit nicht verloren geht. "

    Doch Stellen im Auswandererhaus oder bei der Schlösserstiftung sind nur die wenigen Rosinen im großen Kuchenteig, in dem Geisteswissenschaftler nach einer Arbeits- und Forschungsmöglichkeit suchen. Unbefristete Verträge , da waren sich alle Referenten sicher, wird es immer weniger geben, dafür nimmt der Anteil an Freiberuflern weiter zu. Dass man auch dann forschend tätig sein kann, erläuterte die Historikerin Beate Schreiber. Sie hat sich vor 8 Jahren mit dem Dienstleistungsunternehmen "Facts & Files" selbständig gemacht und recherchiert nun im Bereich Provinienzforschung nach verschollen Kunstwerken, sie erforscht Familien- und Firmenbiographien., sie arbeitet Archive auf oder lektoriert Filmdrehbücher auf historische Glaubwürdigkeit. Eine Erfolgsgeschichte, denn mittlerweile beschäftigen sie und ihr Partner 10 Angestellte und blicken optimistisch in die geschäftliche Zukunft.

    Für Olaf Zimmermann vom deutschen Kulturrat ist dies ein Beispiel für eine Arbeitsbiographie , auf die man sich in Zukunft öfter einstellen muss.

    " Die, die im kulturellen Bereich arbeiten wollen, die werden in Zukunft eher im freiberuflichen Bereich arbeiten, die werden Recherche machen, die werden Unternehmen darauf vorbereiten, im Ausland eine Dependance zu eröffnen, indem sie ihnen erstmal erläutern, wie sieht es denn da überhaupt aus, mit welchen gesellschaftlichen Besonderheiten werde ich da konfrontiert, wie verlief die Geschichte in diesem Land, welche Fettnäpfchen sollte ich nach Möglichkeit unbedingt umschiffen. "

    Dieses Szenario beinhaltet viele Risiken, eröffnet aber auch Chancen für neue, interessante und abwechslungsreiche Arbeit. Je früher sich die Geisteswissenschaftler bereits an den Universitäten darauf einstellen, so ein Resümee der Tagung, desto besser. Olaf Zimmermann:

    " Wir im Kulturbereich und vielleicht kann man davon auch was lernen, sind es immer gewohnt gewesen, im klassischen Bereich, wenn es keine Stellen gibt, dann müssen wir sie uns selber schaffen. Denken sie an den großen Bereich der Soziokultur, das ist einfach eine Idee gewesen, das ist genauso im Kulturmanagement gewesen, das gab es früher auch nicht, jetzt gibt es ganze Studiengänge, es gibt ne ganze Menge Arbeitsplätze. Man muss heute eben initiativ sein, man kann nicht erwarten, dass man eine Stelle angeboten bekommt, und da müssen eben Geisteswissenschaftler für auch ausgebildet sein, dass sie das auch können. "