Schäfer-Noske: Kultur als Fundament der deutsch-russischen Freundschaft - was macht denn dieses Fundament aus?
Meissner: Dieses Fundament basiert auf einem immensen Interesse an deutscher Kultur in Russland. Es ist so, dass zur Zeit über vier Millionen junge Menschen an Schulen aktiv deutsch lernen. Dazu kommen eine Millionen an den Universitäten. Wir haben quasi ein Drittel aller Deutschlerner weltweit, die dies in Russland tun. Wir haben natürlich nicht annähernd die Zahl der jungen Menschen, die Russisch und Deutsch lernen. Aber das wollen wir auch in der Kooperation mit den russischen Freunden und Partnern während der nächsten Jahre verstärken. Dieses Fundament reicht auch sehr weit zurück in die Geschichte. Dazu gehört zum Beispiel der kunst- und kulturschaffende Wissenschaftler, Alexander von Humboldt, der Sibirien für Europa entdeckt hat. Wichtig ist auch Tschaikowsky, der eine Vielzahl seiner Erstaufführungen von Deutschland selbst aus organisiert hat. Wir haben in den 20er und 30er Jahren die engen Verbindungen der Konstruktivisten. Wir haben vierzig Jahre enger Kooperation zwischen der DDR und der Sowjetunion. Diese wirken auf der Ebene der Hochschulkooperation nach. Wir haben in den letzten 10 bis 12 Jahren diese radikalen Umbrüche und Transformationsprozesse erlebt. Wir leben mitten in ihnen. Wir tun unser Bestes als einer der Akteure im Bereich der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik. Das heißt, die Vielzahl auch der Ausbildungsprogramme, die wir anbieten, in der Deutschlehrerfortbildung sind jeder für sich ein wichtiger Baustein, um auf diesen gut fundamentierten Beziehungen noch aufbauen zu können.
Schäfer-Noske: Ein Fundament sollte ja nun sehr solide sein. Inwieweit gibt es da nicht doch Gefahren, dass das Fundament wackelt? Stichwort: Raubkunst!
Meissner: Es gibt selbstverständlich seit Jahren einen Subtext, der auch alle kulturpolitischen offiziellen Beratungen durchwebt. Da gibt es sehr konstruktive, zielgerichtete Konzentrationen auf hoher politischer Ebene. Sie sprechen wahrscheinlich auch das Zugänglichmachen von wichtigen Kulturgütern in beiden Ländern für die großen Öffentlichkeiten speziell an. Auch da bieten wir 2003/2004 sehr schöne Ansätze. Wir haben die Rekonstruktion des Bernstein-Zimmers, die eindeutig Schwerpunkt der Begegnung ist. Wir haben auch die Rekonstruktion der großen Wackelorgel in der Philharmonie in Petersburg, beide co-finanziert durch Public Private, wie man das heute sagt. Das sind also öffentliche Gelder plus private große deutsche Unternehmen, die sich da engagieren. All diese ganz konkreten Projekte führen dazu, dass dieser sicher sehr diffizile Austausch auf der Ebene der Politik, der Kulturpolitik gefördert wird.
Schäfer-Noske: Die russische Seite möchte ja nun bei den Kulturbegegnungen gerne das Bild von einem modernen Russland vermittelt sehen. Inwieweit wird das denn überhaupt möglich sein, solange Russland in Tschetschenien weiter Krieg führt?
Meissner: Das ist ein Thema, das mit schwenkt, welche uns natürlich auch einige Sorgen bereitet. Es gibt die Politik, die ja in der eigenen repräsentativen Darstellung der beiden Länder ihre eigenen berechtigten Interessen verfolgt. Es gibt aber daneben die Akteure, die Literaten, die Intellektuellen, die Journalisten. Ich denke, es wird der eine oder andere Dokumentarfilm in einem der Symposien gezeigt werden und Teil der Diskussion sein. Ich würde mir wünschen, dass diese Diskussion unpolemisch geführt wird und nicht von Vorurteilen und Klischees geprägt ist. Ich hoffe, dass den Intellektuellen, den Künstlern und vor allem auch den jungen Besuchern von Ausstellungen und von Filmwochen die Möglichkeit gegeben wird, sich konkret mit den Bildern, mit den Symbolen auszutauschen.
Schäfer-Noske: Für das deutsch-russische Verhältnis werden ja auch diese historischen gewachsenen Beziehungen angeführt. Gleichzeitig will man nun von russischer Seite nicht nur mit dem Bolschoi-Ballett glänzen. Inwieweit droht Russland, kulturell auszubluten, was die junge künstlerische Generation angeht?
Meissner: Das ist eine ganz wichtige Frage, die sich auch in anderen Ländern im Zuge der Globalisierung stellt. In Russland wird folgendes festgestellt. Die Immigrationsbewegungen sind inzwischen zu Pendelbewegungen geworden. Es gibt inzwischen Tausende junger Freiberufler, junger Wissenschaftler und Künstler, die sich zwischen zwei Metropolen, eine im alten Westen und in Russland, im Osten bewegen. Der Film ist ein sehr gutes Beispiel. Es gibt im Augenblick eine wunderschöne Kooperation, die zwischen der Hochschule für Film und Fernsehen Konrad Wolf in Potsdam, Babelsberg und der staatlichen Musikhochschule in Moskau angebahnt wird, wo sich über einen Zeitraum von zunächst einmal zwei Jahren Dutzende von jungen Absolventen der Filmhochschulen im Sinne der Co-Produktion austauschen. Das sind keine Glanzlichter von Kulturbegegnungen, aber das ist die Basis, die aufgebaut wird, um diesen Migrationsbewegungen auch einen Riegel vorzuschieben. Man möchte die Menschen im Land halten und sie davon abhalten, nach Toronto oder Manchester zu gehen. Dazu organisiert man eben diese Begegnungen über Austauschprogramme und Stipendien. Auch die Qualifizierung als junger Russe wird hier vor Ort, also in Russland selbst geleistet. Man soll nicht mehr aufgrund der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lage gezwungen sein, auszuwandern und dem eigenen Land den Rücken zuzukehren.
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Meissner: Dieses Fundament basiert auf einem immensen Interesse an deutscher Kultur in Russland. Es ist so, dass zur Zeit über vier Millionen junge Menschen an Schulen aktiv deutsch lernen. Dazu kommen eine Millionen an den Universitäten. Wir haben quasi ein Drittel aller Deutschlerner weltweit, die dies in Russland tun. Wir haben natürlich nicht annähernd die Zahl der jungen Menschen, die Russisch und Deutsch lernen. Aber das wollen wir auch in der Kooperation mit den russischen Freunden und Partnern während der nächsten Jahre verstärken. Dieses Fundament reicht auch sehr weit zurück in die Geschichte. Dazu gehört zum Beispiel der kunst- und kulturschaffende Wissenschaftler, Alexander von Humboldt, der Sibirien für Europa entdeckt hat. Wichtig ist auch Tschaikowsky, der eine Vielzahl seiner Erstaufführungen von Deutschland selbst aus organisiert hat. Wir haben in den 20er und 30er Jahren die engen Verbindungen der Konstruktivisten. Wir haben vierzig Jahre enger Kooperation zwischen der DDR und der Sowjetunion. Diese wirken auf der Ebene der Hochschulkooperation nach. Wir haben in den letzten 10 bis 12 Jahren diese radikalen Umbrüche und Transformationsprozesse erlebt. Wir leben mitten in ihnen. Wir tun unser Bestes als einer der Akteure im Bereich der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik. Das heißt, die Vielzahl auch der Ausbildungsprogramme, die wir anbieten, in der Deutschlehrerfortbildung sind jeder für sich ein wichtiger Baustein, um auf diesen gut fundamentierten Beziehungen noch aufbauen zu können.
Schäfer-Noske: Ein Fundament sollte ja nun sehr solide sein. Inwieweit gibt es da nicht doch Gefahren, dass das Fundament wackelt? Stichwort: Raubkunst!
Meissner: Es gibt selbstverständlich seit Jahren einen Subtext, der auch alle kulturpolitischen offiziellen Beratungen durchwebt. Da gibt es sehr konstruktive, zielgerichtete Konzentrationen auf hoher politischer Ebene. Sie sprechen wahrscheinlich auch das Zugänglichmachen von wichtigen Kulturgütern in beiden Ländern für die großen Öffentlichkeiten speziell an. Auch da bieten wir 2003/2004 sehr schöne Ansätze. Wir haben die Rekonstruktion des Bernstein-Zimmers, die eindeutig Schwerpunkt der Begegnung ist. Wir haben auch die Rekonstruktion der großen Wackelorgel in der Philharmonie in Petersburg, beide co-finanziert durch Public Private, wie man das heute sagt. Das sind also öffentliche Gelder plus private große deutsche Unternehmen, die sich da engagieren. All diese ganz konkreten Projekte führen dazu, dass dieser sicher sehr diffizile Austausch auf der Ebene der Politik, der Kulturpolitik gefördert wird.
Schäfer-Noske: Die russische Seite möchte ja nun bei den Kulturbegegnungen gerne das Bild von einem modernen Russland vermittelt sehen. Inwieweit wird das denn überhaupt möglich sein, solange Russland in Tschetschenien weiter Krieg führt?
Meissner: Das ist ein Thema, das mit schwenkt, welche uns natürlich auch einige Sorgen bereitet. Es gibt die Politik, die ja in der eigenen repräsentativen Darstellung der beiden Länder ihre eigenen berechtigten Interessen verfolgt. Es gibt aber daneben die Akteure, die Literaten, die Intellektuellen, die Journalisten. Ich denke, es wird der eine oder andere Dokumentarfilm in einem der Symposien gezeigt werden und Teil der Diskussion sein. Ich würde mir wünschen, dass diese Diskussion unpolemisch geführt wird und nicht von Vorurteilen und Klischees geprägt ist. Ich hoffe, dass den Intellektuellen, den Künstlern und vor allem auch den jungen Besuchern von Ausstellungen und von Filmwochen die Möglichkeit gegeben wird, sich konkret mit den Bildern, mit den Symbolen auszutauschen.
Schäfer-Noske: Für das deutsch-russische Verhältnis werden ja auch diese historischen gewachsenen Beziehungen angeführt. Gleichzeitig will man nun von russischer Seite nicht nur mit dem Bolschoi-Ballett glänzen. Inwieweit droht Russland, kulturell auszubluten, was die junge künstlerische Generation angeht?
Meissner: Das ist eine ganz wichtige Frage, die sich auch in anderen Ländern im Zuge der Globalisierung stellt. In Russland wird folgendes festgestellt. Die Immigrationsbewegungen sind inzwischen zu Pendelbewegungen geworden. Es gibt inzwischen Tausende junger Freiberufler, junger Wissenschaftler und Künstler, die sich zwischen zwei Metropolen, eine im alten Westen und in Russland, im Osten bewegen. Der Film ist ein sehr gutes Beispiel. Es gibt im Augenblick eine wunderschöne Kooperation, die zwischen der Hochschule für Film und Fernsehen Konrad Wolf in Potsdam, Babelsberg und der staatlichen Musikhochschule in Moskau angebahnt wird, wo sich über einen Zeitraum von zunächst einmal zwei Jahren Dutzende von jungen Absolventen der Filmhochschulen im Sinne der Co-Produktion austauschen. Das sind keine Glanzlichter von Kulturbegegnungen, aber das ist die Basis, die aufgebaut wird, um diesen Migrationsbewegungen auch einen Riegel vorzuschieben. Man möchte die Menschen im Land halten und sie davon abhalten, nach Toronto oder Manchester zu gehen. Dazu organisiert man eben diese Begegnungen über Austauschprogramme und Stipendien. Auch die Qualifizierung als junger Russe wird hier vor Ort, also in Russland selbst geleistet. Man soll nicht mehr aufgrund der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lage gezwungen sein, auszuwandern und dem eigenen Land den Rücken zuzukehren.
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