Fischer: Das heißt, wenn Sie dem Berliner Kultursenator Thomas Flierl etwas raten würden, dann, sich genau auf diese Gesetzesvorlagen zu beziehen?
Zimmermann: Er muss es tun, wir müssen es alle tun und anfangen, viel deutlicher als bisher zu sagen, dass es sich bei der Kultur eben nicht um eine freiwillige Leistung handelt, da haben wir uns in den letzten Jahren ein bisschen in eine Ecke drängen lassen, dass wir dieser Argumentation vielleicht auch mental gefolgt sind. Es stimmt aber nicht, Kultur ist keine freiwillige Leistung der Kommunen, des Landes. Es gibt Gesetze, die das regeln. Natürlich würden wir uns wünschen, dass diese Gesetze noch viel klarer wären, als sie jetzt sind, dass man es noch viel deutlicher gegenüber den Finanzministern der Länder, des Bundes, aber auch den kommunalen Kämmerern äußern könnte, aber wir haben schon etwas und sind da nicht machtlos.
Fischer: Wenn es sich aber nicht um eine Frage der Formulierungskunst handelt, sondern sozusagen tatsächlich um eine existentielle Notlage, was es ja für Berlin ist, wenn wir bedenken, dass die Stadt alleine elf Millionen Euro täglich an Zinsen zu bezahlen hat: Machen Sie es mal an einem Beispiel, was wäre eventuell gefährdet, was könnte eventuell gerettet werden?
Zimmermann: Gefährdet ist zunächst mal alles, das muss man sehen, alles, was nicht institutionell sehr stark verankert ist. Wir haben ja schon in den letzten Jahren das Problem gehabt, dass natürlich, je größer die Institutionen sind, je fester die Strukturen innerhalb davon, umso weniger sind sie gefährdet. Es ist insbesondere das Kleine gefährdet, die Künstlerförderung, die kulturellen Projekte, die immer mehr weg brechen, weil man sie nicht unbedingt machen muss und wo nicht unbedingt Personalstellen dranhängen, die man nicht von heute auf morgen abwickeln kann. Das heißt, das ist als erstes gefährdet. Das zweite - und das sehen wir auch gerade in Berlin: Natürlich sind mittlerweile auch die großen Kultureinrichtungen in Berlin gefährdet. Deswegen ist es ja jetzt so wichtig, deutlich zu machen, dass es sich bei der Kultur natürlich um einen Eigenwert handelt, den man der Bevölkerung zur Verfügung stellt. Aber gerade in Berlin handelt es sich um einen Standortfaktor. Was wäre Berlin ohne die Kultur, wer würde nach Berlin kommen, wenn es nicht diese Kultureinrichtungen gäbe?
Fischer: Das heißt, es ist nicht wirklich auch notwendig, demzufolge über die Verankerung der Kultur noch deutlicher in der Verfassung neu zu diskutieren?
Zimmermann: Natürlich. Wir müssen diese Situation einfach klar ziehen. Jetzt, wo überall im ganzen Land massiv gespart wird gerade an der Kultur, weil man vermeintlich glaubt, das ist ein schwacher Partner, dem man das Geld auch mal hier und dort wegnehmen kann. Wir müssen jetzt über neue Strukturen nachdenken, und da gibt es ja auch Beispiele. Schauen Sie sich mal an, was wir im Kinder- und Jugendhilfebereich haben. Dort haben wir vernünftige, gesetzliche Rahmenbedingungen, die wir uns auch für die Kultur wünschen würden.
Fischer: Olaf Zimmermann, Geschäftsführer des deutschen Kulturrats über verfassungswidrige Haushalte und die gesetzesmäßige Verankerung der Kultur. Vielen Dank.
Zimmermann: Ich danke Ihnen.