Novy: Herr Zimmermann, jetzt müssen Sie natürlich erklären, worauf sich Ihr Konzept sonst noch gründet. Sie haben William Forsythe unter Vertrag, was sind sonst die Pläne?
Zimmermann: Das Konzept gründet sich im Grunde auf eine Gesamtdramaturgie der Begegnung der zeitgenössischen Künste, ausschließlich der zeitgenössischen. Wir haben hier die Musik, wir haben die Medienkunst, den Tanz, wir haben die Architektur, die darstellende Kunst, die bildende Kunst und im Grunde genommen die Baukunst. Wir haben sechs bis sieben verschiedene Genres, die sich hier vor Ort niederlassen, die hier vorhanden sind und nun entweder über Interaktives oder Interdisziplinäres, wie auch immer wir es nennen, sich hier zu völlig neuen künstlerischen Ergebnissen zusammenfinden. Ich will eine Art In-Residence haben, das heißt wenn Sie zum Beispiel Forsythe nehmen und die Truppe drei Monate da ist, dann wird er eine Produktion hier in Hellerau erarbeiten und mit dieser dann durch Europa touren. Genauso wollen wir keine Gastspieler einladen, sondern wir wollen ein unverwechselbarer Ort sein, dass vor Ort produziert wird.
Novy: Wenn aber die Künstler kommen, heißt das, dass auch Publikum kommt? Mit anderen Worten gefragt: Wer kommt nach Dresden, um zeitgenössische Kunst zu sehen und zu hören? Dresden hat bisher sein Marketing, um es mal so auszudrücken, auf ganz anderen Dingen gegründet, auf seine Geschichte nämlich.
Zimmermann: Das ist gerade ein Grund, dass das Land und der Bund und die Stadt dieses Projekt ganz vehement unterstützen und es ist ja auch so, dass sich das Land Sachsen und die Stadt Dresden deutlich als Zeichensetzer hineinbegeben haben, weil sie, wie Sie richtig sagen, neben der Tradiertheit dieses traditionslastigen Ortes einen Ort haben wollen, der nicht mal Vorort von Dresden ist. Ich würde eher sagen, es ist ein europäischer Ort seiner Geschichte nach und dieses müsste er auch wieder werden, der ausschließlich dem Zeitgenössischen gewidmet ist. Wenn Sie nach dem Publikum fragen, ich denke wir haben hier neben Forsythe die Tierrewo-Leute, das sind russische Tänzer, wir haben einen Vertrag mit Petersburg, die ja ihr Publikum haben, die total ausverkauft sind. Aber in Hellerau sind wir ganz am Anfang, wir müssen über Zielgruppen gehen, wir müssen ein Publikum durch unsere künstlerische Arbeit erst gewinnen, das ist das Entscheidende.
Novy: Das ist die Architektur einer gemäßigten und deshalb auch viel mehr Leute ansprechenden Moderne als solche, die sich sonst eher nicht für die Moderne interessieren würden. Könnte man also in einer solchen Umgebung nicht auch mit populäreren Festivals oder Eventaufführungen locken?
Zimmermann: Also ich denke, wir sind ja gerade in einer Eventkultur und das ist eher ein Schaden. Wenn wir dieses immer weiter zulassen und einen solchen außerordentlich nicht austauschbaren geistigen Ort nun auch noch mit populären Lockmitteln versehen, ist das eine Frage der künstlerischen Konsequenz. Da können wir nicht einfach irgendeinen Gemischtwarenladen machen, sondern es muss der Punkt des Avancierten die Definition des Ganzen beinhalten.
Novy: Das war der Komponist und Intendant Udo Zimmermann über das Projekt Hellerau als europäischer Ort zeitgenössischer Künste.