Das ist das Paradoxe an der Arbeitsweise Franz Ackermanns: Er nähert sich dem Thema "Fernweh im globalen Welt-Stadt-Raum" nicht als Bildhauer oder verhinderter Architekt sondern als Illusionsmaler, vermittels lauter Oberflächen. Grellbunte Wandfriese empfangen den Besucher im ersten Raum, dazwischen sieht man sein verzerrtes Abbild in gekurvten Metallfolien, wie in einem Spiegelkabinett. Über Kopf exlodieren Reise-Eindrücke in großen Bill-Boards: "Departure" rechts, "Arrival" links, plakative, an den orphischen Dynamismus Delaunays erinnernde Kompositionen. Leontine Coulewij, Kuratorin am Stedelijk Museum, fühlt sich vor allem vom malerischen Reichtum Ackermanns angezogen:
Malerei ist für Franz Ackermann gar nichts Traditionelles, sondern er arbeitet malerisch direkt auf der Wand. Malerei kann Hintergrund für weitere Malerei werden, sie wird zum Teil eines Farbgartens, einer Installation. Zugleich beschäftigt er sich mit verschieden hochaktuellen Themen, wie Globalisierung, Urbanismus und soziale Strukturen; Dinge, die man heutzutage gewöhnlich in Video oder neuen Medien thematisiert, selten in Malerei.
Doch der Maler Ackermann stellt dem Betrachter auch diverse Hindernisse in den Weg: Stelltafeln, Podeste, Klappbilder; man kann nicht im Kontemplativen verharren, man wird in immer neue, von Farben und Formen vibrierende, wuchernde Bilder-Cluster hineingezogen, von Raum zu Raum wechseln Farbstimmung und Atmosphäre; visuelle Überredung und Betörung können plötzlich in Augenattacken umschlagen. - Für den Theaterraum in Dresden-Hellerau schuf Ackermann vor zwei Jahren einen kreisrunden Farbraum, eine Trommel, in der man gleichsam geflutet durch ein Ambiente von Wogen und Blasen aus Farbe, schreiend wie die US-Pop-Legende Janis Joplin:
Die Wellness-Stereotypen, die falschen Fassaden der Spass- und Vergnügungsarchitekturen zwischen Bahnhöfen und Flugplätzen, Musical-Halls und Einkaufspassagen unseres mobilen Zeitalters verschmilzt Ackermann zu psychedelischen Bildern. Und wo das Projekt der urbanen Moderne an seine Grenzen stößt, wird es für ihn ernst, zum Beispiel in Sao Paulo:
Sao Paulo ist ein Prototyp der Urbanität des 20. Jahrhunderts, mit seinem Scheitern, seinen Blüten, seinen Verbrechen. Es gibt ganz wenige Städte, wo man deutlicher nachlesen kann, was an Szenarien in Europa noch kommen kann, und welche Sachen wir ganz schnell klären sollten.
Heute reist Franz Ackermann nicht mehr aus Abenteuerlust. Doch seine Neugierde ist geblieben, und sein Heimweh. - Am Schluss kulminiert die Ausstellung in einem transitorischen Raum mit einer Reihe intensiv gesehener "Mental Maps" und mehreren großen Ölbildern, die vom "Verschwinden der Wirklichkeit", vom "rasenden Stillstand" handeln: Ein bunt zertrümmerter Urlauber-Jet, der Touristen tankt, und der phantastische Blick in eine durchsichtige Transall-Maschine. Geladen hat sie eine hoch-nostalgische Fracht: Ein Stück bayerischer Heimaterde mit grünenden Almen; und hinter einer sanften Berglehne verschwimmt die Pilgerkirche von Alt-Ötting im romantischen Blau - auf dem Weg ins Nirgendwo eines Fernwehs, das immer nur bei sich selbst ankommt.
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