Archiv


Kulturbeutel für Stammzellen

Technik.- Problematisch bei Zellkulturen ist immer die Haltbarkeit der verwendeten Zelllösungen. Da sie leicht durch Keime infiziert werden, lassen sie sich meist nur über eine begrenzte Zeit lagern. Das Verbundprojekt "Innosurf" sollte da Abhilfe schaffen. Wissenschaftler aus fünf Forschungseinrichtungen haben unter der Koordination der Helmholtz Zentrums für Infektionsforschung neuartige Kunststoffoberflächen entwickelt.

Von Michael Engel |
    Diese Maschine beschichtet Plastikbeutel aus Polypropylen. Das klingt zwar wenig spektakulär, doch das, was hier im Braunschweiger Fraunhofer Institut für Schicht- und Oberflächentechnik passiert, ist einzigartig auf der Welt, sagt Dr. Michael Thomas.

    "Wir legen den Beutel in die Maschine ein. Der Beutel wird dort mit einem Prozessgas befüllt. Anschließend erzeugen wir eine elektrische Ladung, ein Plasma, der Beutel fängt an blau zu leuchten. Und damit wird der Beutel von innen beschichtet. Zum Schluss kommt der Beutel hinaus. Man kann ihn entnehmen und anschließend dann entsprechend weiternutzen für die Stammzellforschung."

    Normalerweise bleiben Stammzellen auf einer wasserabweisenden Oberfläche aus Kunststoff nicht haften. Damit die Zellen dennoch andocken können und so bessere Wachstumsbedingungen bekommen, muss der Plastikbeutel chemisch verändert werden. Dies gelingt mit einer Edelgasfüllung, der kleine reaktionsfähige Moleküle beigemischt wurden. Eine Wechselspannung von 12.000 Volt bei 20.000 Hertz verwandelt das Gasgemisch in ein bläulich leuchtendes Plasma. Thomas:

    "Das eine ist ein Edelgas. Das ist Helium oder Argon, was wir nutzen. Das Zweite, was wir nutzen, ist ein sogenannte Precurser, ein Schichtbildner. Das ist ein Monomer, was Siliziumgruppen und Aminogruppen enthält. Und das führt dazu, dass sich eine Siliziumschicht auf der inneren Oberfläche abscheidet, die auch noch Aminogruppen hat, die Sauerstoffgruppen hat. Und diese Gruppen führen genau zu dem, dass man eine bessere Polarität hat. Und man hat eine bessere Benetzbarkeit dieser Oberfläche, so dass die Zellen da wirklich gut darauf haften können."

    Zentraler Vorteil der nur 1,5 Zentimeter flachen "Zellkulturbeutel" ist die sterile Arbeitsweise. Bisher mussten Forscher wie Dr. Kurt Dittmar vom Helmholtzzentrum für Infektionsforschung offene Petrischalen, Flaschen oder Bioreaktoren für die Vermehrung von Stammzellen benutzen. Da die gängigen Systeme beim Befüllen geöffnet werden müssen, kommt es leicht zu Verunreinigungen. Beim geschlossenen Beutelsystem hingegen werden die Zellen über Schlauchsysteme transportiert, ohne mit der Umgebung in Berührung zu kommen. Dittmar:

    "Das heißt, man hat auf der einen Seite Beutel, um verschiedene Zellpopulationen aufzutrennen. Dann hat man Beutel, mit denen man die Zellen züchten und vermehren kann. Oder man hat dann Beutel, mit denen man diese Zellen ausdifferenzieren kann in Richtung Knochenzellen oder in Richtung Knorpelzellen. Die letzte Stufe ist, dass man die Zellen auch konservieren kann, dass man die Zellen in den Beuteln einfrieren kann und dann langfristig über mehrere Jahre aufbewahren kann, wenn das notwendig ist."

    Die Zellkulturbeutel verlassen das Fraunhofer Institut für Schicht- und Oberflächentechnik mit einer sterilen Stickstofffüllung. Im Klinikum Braunschweig, einem weiteren Projektpartner, werden die Beutel mit Leukozyten befüllt, die von freiwilligen Blutspendern stammen. Im nicht weit entfernten Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung geht es dann weiter mit Kulturversuchen unter Sauerstoffatmosphäre. Über Schläuche gelangt dann auch Nährlösung zu den Zellen. Das Ganze bleibt über Jahre steril, sagt Dr. Werner Lindenmaier:

    "Der Beutel, wie wir ihn jetzt für die Entwicklung des Verfahrens verwenden, hat etwa 100 Milliliter. Das heißt, eine Fläche von 150 Quadratzentimeter, auf denen die Zellen dann tatsächlich wachsen. Die Folie ist partiell gasdurchlässig, so dass die Versorgung mit dem Umgebungsgas im Brutschrank gesichert ist. Und das Medium wird über die sterilen Schlauchverbindungen zugegeben und ausgetauscht, ohne dass eine Exposition zur Umgebung stattfindet."

    Noch ist die Zellkultur im Plastikbeutel kein Standard-Verfahren. Doch es funktioniert. Die Zellen haften – adhäsiv über eine Proteinbindung – an der inneren Oberfläche der Zellkulturbeutel, vermehren sich dabei und bilden einen Zellrasen. Möglichst viele Zellen steril herzustellen, auch für den Aufbau mehrschichtiger Gewebe, das ist mit den Zellkulturbeuteln gut machbar, so das Urteil der Forscher.