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Kulturelle Bildung

Ein besonders aufwändiges Musik-Theaterprojekt ist derzeit in der Hauptstadt zu sehen. Es heißt "Händel for Kids" und bietet Berliner Grundschülern die Möglichkeit, mit echten Profi-Musikern zusammen zu arbeiten. Projektträger ist der Berliner Jugendkulturverein Pumpe.

Von Jens Rosbach |
    "Äh, Mister Händel ist weit gereist und kommt gerade aus Italien, wo er sich besonders in der Kunst des Concerto Grosso ausgezeichnet und vervollkommnet hat. "

    Zehn Schüler in weißem Hemd und schwarzen Leggins auf einer Bühne. Sie singen, pfeifen, tanzen, hopsen, laufen und klatschen im Takt: eine Choreografie zu verschiedenen Barock-Stücken. Rechts daneben: Sechs Musiker, die altertümliche graue Perücken tragen und Cembalo, Cello, Kontrabass und Geige spielen. "Händel for Kids" - Projektwoche der Klasse 6a der Berliner Grips-Grundschule.

    "Ich habe früher nur HipHop-Musik gehört und Rapmusik. Es war für mich total neu./ Am Anfang habe ich gedacht: Bestimmt schlafe ich ein, wenn ich das nur höre. Aber dann hat`s mir richtig gefallen die Musik. Und dieses Cambello - oder wie das auch immer heißt, das kannte ich eigentlich gar nicht, dieses Musikinstrument. Das Cembalo war cool, das einfach zu sehen! "

    Die Schüler sind stolz: Echte Künstler des Berliner Kammerorchesters Unter den Linden musizieren für sie. Zudem sitzt an diesem letzten Projekttag die gesamte Schule, hunderte Kinder, im Publikum. Die 12-jährige Amel schwärmt:

    "Es macht Spaß mit den Profis zu arbeiten, weil dann kann man sehen, was man alles schon kann als Anfänger und was nicht. Ich will jetzt nicht eingebildet sein, aber das macht einem schon Spaß, einmal im Rampenlicht zu stehen, ganz ehrlich."

    Edith Ullrich fiebert im Publikum mit. Die Klassenlehrerin und Projektleiterin resümiert, die Schüler hätten eine Menge gelernt: Was die Barockmusik ausmacht, was Händel von anderen Musikern seiner Zeit unterscheidet und überhaupt - dass klassische Musik und Theater nicht nur etwas für Erwachsene sind. Für diese Erfahrung könne die 6a durchaus mal eine Schulwoche ausfallen lassen, erklärt Ullrich. Der Grundschullehrplan lasse ausreichend Freiraum dafür - und werde es dennoch mal eng, vergeben man einfach mehr Hausaufgaben. Die Mathe- und Naturwissenschaftslehrerin betont, dass die anderen Klassen, die sie in dieser Woche eigentlich ebenfalls unterrichten müsste, gut versorgt seien.

    "Meine Kollegen müssen meinen Unterricht vertreten. Ich gebe Hinweise bzw. bereite eine Stunde vor und gebe die Materialien meiner Kollegin. Und die führen dann den Unterricht durch. Ich habe ja meine Klasse auch aus dem Unterrichtsprozess herausgenommen und zum Beispiel der Geografielehrer oder der Deutschlehrer ist ja in der Zeit frei und es ergänzt sich. "

    "Eine Minute Konzentration!"

    Der Regisseur, ebenfalls ein Profi, und die Klassenlehrerin haben jeden Tag fünf Stunden lang mit den Schülern geprobt, fast pausenlos. Die Kleinen seien anfangs sehr aufgedreht gewesen und hätten viel herum getobt, berichten die beiden Betreuer stöhnend. Das sei viel anstrengender gewesen als ein Unterricht an der Tafel.

    "Am Anfang waren wir so unkonzentriert, wir haben gespielt, gelacht, alles. Und nun konzentrieren wir uns die ganze Zeit. Ganz ehrlich: Das Theater ist einfach Bombe! "

    Die Berliner Grips-Schule organisiert nicht nur Theateraufführungen, sondern auch regelmäßige Literatur-Projektwochen. Mit dabei: Engagierte Eltern und Schulfreunde, die eigentlich als Verkäufer, Arzthelferin oder Regisseur arbeiten, aber in ihrer Freizeit als Lesepaten aus Büchern vortragen. Nach Auskunft der Direktorin Bianca Flemig profitieren vor allem die vielen Migrantenkinder der Schule davon.

    "Also die Deutschkenntnisse an sich sind ja vorhanden, aber sie sind einfach sehr eingeschränkt. Also es ist immer so dieses Vorurteil: Die Kinder verstehen kein Deutsch. Es ist aber nicht so. Sie sprechen schon alle Deutsch, also es gibt selten mal ein Kind, was eigentlich überhaupt kein Deutsch spricht. Wichtig ist eben einfach der etwas begrenzte Wortschatz. Und dem entgegen zu wirken, gibt es eben zahlreiche Leseprojekte was da jetzt eben noch ne Rolle spielt bei uns."

    Und wer bezahlt die Kulturprojekte? Eltern, Schulförderverein und - wenn es teurer wird - Sponsoren. Händel for Kids etwa wurde von einer Stiftung des Landes Berlin finanziert: mit 13.000 Euro. Glück gehabt, sagen die Schüler.

    "Also Schauspielern ist ein Hobby von mir. Und ich werde es immer weiter machen. Und ihr werdet es nicht bereuen. Es macht hier Megaspaß. Ich würde jedem Lehrer sagen: Holen Sie Ihre Klasse und machen Sie ein Theaterstück so wie die 6a es gemacht hat! "