Karin Fischer: Am Montag hat die Bundesregierung ihren Armutsbericht vorgestellt. Das bittere Fazit: Ohne staatliche Hilfe wäre jeder Vierte arm, mit staatlicher Hilfe ist es jeder Achte, außerdem klafft die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander. Doch Armut schließt aus, vom sozialen Leben aber auch vom kulturellen Leben. Wer nur 4,25 Euro am Tag zur Verfügung hat wie ein Hartz-IV-Empfänger, für den sind die meisten Kulturveranstaltungen einfach unerschwinglich. In Berlin, der Stadt mit dem größten Sozialamt Deutschlands, gibt es für Bedürftige deshalb seit 2005 das Drei-Euro-Ticket für rund 20 Berliner Theater-, Opern- und Konzerthäuser, darunter auch die Deutsche Oper und das Deutsche Theater sowie die Berliner Philharmoniker. Das Problem: Das Angebot wird deutlich schlechter angenommen als erwartet. Frage an Thorsten Wöhlert, den Sprecher der Berliner Senatskulturverwaltung: Woran liegt das?
Thorsten Wöhlert: Na, erst mal, grundsätzlich ist natürlich schwierig, wenn Kulturpolitik Sozialpolitik in Anführungsstrichen heilen will. Damit überfordert sie sich. Aber in Berlin haben wir zumindest probiert, dieses Angebot zu machen und das wird auch nach wie vor aufrecht erhalten, und wie gut oder schlecht es angenommen wird - es ist vielleicht noch ein bisschen früh, darüber zu urteilen. Es sind in zweieinhalb Jahren, die wir gezählt haben, 25.000 Tickets verkauft worden, das sind im Schnitt 10.000 im Jahr.
Fischer: Und 400.000 Berechtigte gibt es in der Stadt.
Wöhlert: 400.000 Berechtigte gibt es in der Stadt. Jetzt kann man zwei Schlussfolgerungen ziehen. Die erste wäre zu sagen, das Angebot ist noch nicht bekannt genug unter denen, die es in Anspruch nehmen können, und die zweite Schlussfolgerung wäre, zu sagen, das Angebot geht an dieser Klientel vorbei. Unsere These ist, dass wir das Angebot noch bekannter machen wollen und wenn es dann genauso angenommen wird wie jetzt, dann muss man zur zweiten Schlussfolgerung kommen.
Fischer: Das Deutsche Theater argumentiert etwas mehr in Richtung auf Ihre zweite Schlussfolgerung, es kämen keine anderen Leute als sonst, dafür könnten die, die sonst auch kommen würden, häufiger kommen. Das war aber vermutlich ja nicht so gedacht.
Wöhlert: Auch das war so gedacht. Wir zählen ja Besuche, wir zählen ja nicht Besucher. Auch in den 25.000 sind natürlich der- oder diejenige, die drei und vier Mal zum Beispiel ins Deutsche Theater geht, mitgezählt. Trotzdem ist die Gegenüberstellung von 400.000 Anspruchsberechtigten und 25.000 Besuchen nicht wegzudiskutieren in der Relation. Wenn man sich aber mal anguckt, wie sich sozusagen das Klientel entwickelt, ohne dass wir jetzt in eine sozialpolitische Debatte gehen, wie schnell man in Hartz IV landen kann, dann ist das auch schon mit dem Blick gemacht worden, dass unter Umständen Besuchergruppen, die heute noch in der Lage sind, sich die normale Karte zu kaufen, unter Umständen, wenn sie Pech haben, in zwei, drei Jahren von Hartz IV betroffen sind und ihr Kulturverhalten nicht ändern wollen.
Fischer: Sie haben gesagt, Kultur kann natürlich soziale Krisen nicht heilen. Was kann Kultur überhaupt zum Auseinanderdriften der Gesellschaft tun?
Wöhlert: Kulturpolitik, darauf lassen Sie es mal beschränken, ist natürlich ein bisschen aufgefordert, zumindest die Teilhabe zu ermöglichen, und darauf zielt auch so ein Drei-Euro-Ticket, zumal sich das wesentlich mit staatlichen Geldern geförderte Einrichtungen bezieht, die ja ohnehin schon subventioniert sind. Und dann ein System zu schaffen, zu sagen, dass dieses Angebot auch von denen wahrgenommen werden kann, die sich normale Eintrittspreise nicht leisten können, zumal wir ja dann in Familien kommen, ist nicht dazu geeignet, Sozialpolitik grundsätzlich zu heilen oder zu korrigieren, aber doch ein Korrektiv zu geben.
Fischer: Kultur ist ja eine elitäre Sache insofern, als ihr Konsum schon auch sehr vom Bildungsgrad der Kundschaft sozusagen abhängt. Jenseits des Themas arm und reich - befürchten Sie nicht, dass gerade in Berlin immer weniger Menschen zur Kultur gehen in Zukunft?
Wöhlert: Die Gefahr ist da, und das Drei-Euro-Ticket ist ja auch nicht das einzige Instrument, mit dem Berlin darauf reagiert. Wir haben seit anderthalb Jahren verstärkte Bemühungen gerade im Bereich der kulturellen Bildung. Da hat das Abgeordnetenhaus für das Land Berlin einen Extra-Projektfonds aufgelegt, in dem in den nächsten zwei Jahren dreieinhalb Millionen Euro drin sind, die exklusiv für Projekte in der kulturellen Bildung zur Verfügung stehen, konkret für Kultureinrichtungen, Kulturinstitutionen, Künstler, die in Schulen gehen, in Kitas gehen, in Jugendfreizeiteinrichtungen gehen und wobei die gemeinsam ein kulturelles Projekt entwickeln, es durchführen wollen, dafür ist dieses Geld da. Kulturelle Bildung ist schon der Schlüssel, um auch diesem entgegenzuwirken. Es ist nicht das einzige Ziel, aber es ist ein Ziel.
Fischer: Thorsten Wöhlert, der Sprecher der Berliner Senatskulturverwaltung im Gespräch.
Thorsten Wöhlert: Na, erst mal, grundsätzlich ist natürlich schwierig, wenn Kulturpolitik Sozialpolitik in Anführungsstrichen heilen will. Damit überfordert sie sich. Aber in Berlin haben wir zumindest probiert, dieses Angebot zu machen und das wird auch nach wie vor aufrecht erhalten, und wie gut oder schlecht es angenommen wird - es ist vielleicht noch ein bisschen früh, darüber zu urteilen. Es sind in zweieinhalb Jahren, die wir gezählt haben, 25.000 Tickets verkauft worden, das sind im Schnitt 10.000 im Jahr.
Fischer: Und 400.000 Berechtigte gibt es in der Stadt.
Wöhlert: 400.000 Berechtigte gibt es in der Stadt. Jetzt kann man zwei Schlussfolgerungen ziehen. Die erste wäre zu sagen, das Angebot ist noch nicht bekannt genug unter denen, die es in Anspruch nehmen können, und die zweite Schlussfolgerung wäre, zu sagen, das Angebot geht an dieser Klientel vorbei. Unsere These ist, dass wir das Angebot noch bekannter machen wollen und wenn es dann genauso angenommen wird wie jetzt, dann muss man zur zweiten Schlussfolgerung kommen.
Fischer: Das Deutsche Theater argumentiert etwas mehr in Richtung auf Ihre zweite Schlussfolgerung, es kämen keine anderen Leute als sonst, dafür könnten die, die sonst auch kommen würden, häufiger kommen. Das war aber vermutlich ja nicht so gedacht.
Wöhlert: Auch das war so gedacht. Wir zählen ja Besuche, wir zählen ja nicht Besucher. Auch in den 25.000 sind natürlich der- oder diejenige, die drei und vier Mal zum Beispiel ins Deutsche Theater geht, mitgezählt. Trotzdem ist die Gegenüberstellung von 400.000 Anspruchsberechtigten und 25.000 Besuchen nicht wegzudiskutieren in der Relation. Wenn man sich aber mal anguckt, wie sich sozusagen das Klientel entwickelt, ohne dass wir jetzt in eine sozialpolitische Debatte gehen, wie schnell man in Hartz IV landen kann, dann ist das auch schon mit dem Blick gemacht worden, dass unter Umständen Besuchergruppen, die heute noch in der Lage sind, sich die normale Karte zu kaufen, unter Umständen, wenn sie Pech haben, in zwei, drei Jahren von Hartz IV betroffen sind und ihr Kulturverhalten nicht ändern wollen.
Fischer: Sie haben gesagt, Kultur kann natürlich soziale Krisen nicht heilen. Was kann Kultur überhaupt zum Auseinanderdriften der Gesellschaft tun?
Wöhlert: Kulturpolitik, darauf lassen Sie es mal beschränken, ist natürlich ein bisschen aufgefordert, zumindest die Teilhabe zu ermöglichen, und darauf zielt auch so ein Drei-Euro-Ticket, zumal sich das wesentlich mit staatlichen Geldern geförderte Einrichtungen bezieht, die ja ohnehin schon subventioniert sind. Und dann ein System zu schaffen, zu sagen, dass dieses Angebot auch von denen wahrgenommen werden kann, die sich normale Eintrittspreise nicht leisten können, zumal wir ja dann in Familien kommen, ist nicht dazu geeignet, Sozialpolitik grundsätzlich zu heilen oder zu korrigieren, aber doch ein Korrektiv zu geben.
Fischer: Kultur ist ja eine elitäre Sache insofern, als ihr Konsum schon auch sehr vom Bildungsgrad der Kundschaft sozusagen abhängt. Jenseits des Themas arm und reich - befürchten Sie nicht, dass gerade in Berlin immer weniger Menschen zur Kultur gehen in Zukunft?
Wöhlert: Die Gefahr ist da, und das Drei-Euro-Ticket ist ja auch nicht das einzige Instrument, mit dem Berlin darauf reagiert. Wir haben seit anderthalb Jahren verstärkte Bemühungen gerade im Bereich der kulturellen Bildung. Da hat das Abgeordnetenhaus für das Land Berlin einen Extra-Projektfonds aufgelegt, in dem in den nächsten zwei Jahren dreieinhalb Millionen Euro drin sind, die exklusiv für Projekte in der kulturellen Bildung zur Verfügung stehen, konkret für Kultureinrichtungen, Kulturinstitutionen, Künstler, die in Schulen gehen, in Kitas gehen, in Jugendfreizeiteinrichtungen gehen und wobei die gemeinsam ein kulturelles Projekt entwickeln, es durchführen wollen, dafür ist dieses Geld da. Kulturelle Bildung ist schon der Schlüssel, um auch diesem entgegenzuwirken. Es ist nicht das einzige Ziel, aber es ist ein Ziel.
Fischer: Thorsten Wöhlert, der Sprecher der Berliner Senatskulturverwaltung im Gespräch.