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Kulturförderung im Schlaf

Die Stadt Köln hat in diesem Jahr eine Haushaltslücke von 500 Millionen Euro, in drei Jahren droht der Nothaushalt. Deshalb sollen nun Hotelgäste den tiefen Sturz abfedern und eine Bettensteuer zahlen.

Von Dina Netz |
    "Hotel Uhu, Kuhn, guten Tag ... wegen der Mehrwertsteuersenkung? Nein, unsere Preise sind gleich geblieben."

    Die Preise für private Gäste haben sich nicht geändert im Hotel Uhu in Köln-Dellbrück. Aber der Inhaber des Hotels am Stadtrand zu Bergisch Gladbach tut etwas, was bisher nur ganz wenige Hoteliers tun: Er gibt die Mehrwertsteuersenkung an die Geschäftskunden weiter. Es ist Donnerstagvormittag, die Frühstücksgäste sind aufgebrochen, im Hintergrund rumpelt die Spülmaschine. Jetzt hat Klaus Kuhn Zeit, seine Preispolitik zu erklären. Ins Hotel Uhu kommen vor allem Geschäftskunden, und

    "es ist schwer, dem Firmenkunden, mit dem ich eine Vereinbarung habe – mit dem habe ich ja eine Nettovereinbarung. Und wenn die Nettovereinbarung sagt: Nehmen wir an 60 Euro plus Mehrwertsteuer, das waren vorher plus 19. Jetzt ändert sich der Steuersatz, also kann ich nach wie vor nur die 60 plus 7 nehmen. Und aus dem Grund muss ich den Preis ändern."

    Für Kuhn ist die vor Weihnachten beschlossene Mehrwertsteuersenkung also kein Geschenk. Die Städte und Gemeinden erfreut sie noch weniger: Martin Börschel, Fraktionsvorsitzender der SPD im Kölner Stadtrat, rechnet mit Steuereinbußen von 30 Millionen Euro.

    "Und dagegen müssen wir uns einfach wehren."

    Köln ist die erste Stadt, die mit einer kommunalen Aufwandssteuer auf das Wachstumsbeschleunigungsgesetz reagiert – einer "Kulturförderabgabe", wie es sie in Rom, New York, Paris schon gibt. In Deutschland hat Weimar sie bereits. Dabei kommt ein Teil des Preises von Hotelübernachtungen der Kultur zugute: Fünf Prozent vom Netto-Preis jeder Hotelübernachtung sollen ins Stadtsäckel umgeleitet werden. Diese "Bettensteuer", wie sie im Volksmund heißt, könnte ja auch ganz allgemein Haushaltslücken stopfen. Martin Börschel erklärt, warum Kölns Gäste künftig für die Kultur schlafen sollen:

    "Weil das gleichzeitig auch tourismusfördernd ist. Eine gute Kultur bringt ja nicht nur den Kölnerinnen und Kölnern was, sondern auch den Touristen und Geschäftsreisenden, die in diese Stadt kommen und dadurch den Standort noch attraktiver finden."

    Klaus Kuhn vom Hotel Uhu sieht das ein wenig anders:

    "Mein Geschäft ist Business: Fünf Tage in der Woche Firmenkunden, zwei Tage Wochenend-Kunden. Was hat der Business-Kunde mit Kultur zu tun?"

    So betrachten es auch die Kölner Hoteliers, die im Hotel- und Gaststättenverband Dehoga Nordrhein zusammengeschlossen sind und eine Resolution verabschiedet haben, die die Einführung der Kulturförderabgabe ablehnt. Einige ihrer Argumente:

    "Die über vier Millionen Übernachtungen im Kölner Beherbergungsgewerbe sind ganz überwiegend geschäftlich geprägt. Rund 80 Prozent der Übernachtungsgäste sind Geschäftsreisende. Das Umsatzvolumen der Geschäftsreisenden im Verhältnis zum Privatreisenden ist zudem im Verhältnis noch wesentlich höher. Der Sinn einer solchen Kulturförderabgabe wäre Geschäftsreisenden nicht vermittelbar. Es besteht ferner die Gefahr, dass bei Einführung einer solchen zusätzlichen Abgabe diese Gäste auf das Umland ausweichen. Im Schnitt nur rund fünf Prozent der Übernachtungsgäste in den Kölner Hotels besuchen Kölner Kultureinrichtungen."

    Die Kölner Hoteliers rechnen außerdem vor, dass die Stadt durch die "Bettensteuer" gar keine Verluste, sondern sogar geringfügige Mehreinnahmen haben wird – weil bei höheren Zimmerpreisen ja auch die Gewerbesteuer steigt. Klaus Kuhn vom Hotel Uhu findet vor allem die prozentuale Kopplung an den Zimmerpreis unglücklich:

    "Wenn die Stadt Köln eine Kulturförderabgabe möchte, dann sollte es so sein, dass man es vertreten kann. Und dann funktioniert für mich das nur über eine Pauschale, nicht eine Prozentuale. Ein Fixpreis, das ist verkaufbar. Und über 1,50 Euro auf der Rechnung haben wir an der Rezeption gar keine Diskussion."

    Ob nun als Kulturtaxe oder als Abgabe: 15 bis 20 Millionen Euro jährlich soll die Kulturförderabgabe einbringen - für die in Köln traditionell nicht gerade verwöhnte Kultur ein erkleckliches Sümmchen. Wobei andererseits die Kölner Kulturszene seit Monaten in Schockstarre verharrt, weil der Kämmerer wegen des Haushaltslochs von 500 Millionen Euro in diesem Jahr Kürzungen in allen Bereichen angekündigt hat. Möglicherweise reichen die Einnahmen aus der Kulturförderabgabe also gerade für ein kulturelles Nullsummenspiel, für die Sicherung des Bestands.

    Neue Akzente in der Kulturpolitik, wie zum Beispiel die geplante Akademie der Künste der Welt, sind auch mit Sonderabgaben erstmal nicht drin. Dabei ist eine Zahl noch überhaupt nicht eingerechnet ins Haushaltsloch: die Folgekosten des Einsturzes des Kölner Stadtarchivs vor einem Jahr. Martin Börschel von der SPD streitet aber ab, was viele denken: dass die Kulturförderabgabe vor allem für die Rettung der Archivalien und den Archivneubau verwendet werden soll:

    "Sie sehen ja allein schon an den Größenordnungen: Wenn wir bis zu 20 Millionen Kulturförderabgabe pro Jahr einnehmen und ungefähr 400 Millionen Euro Ausgaben für das Historische Archiv hätten, dann würde ja die Kulturförderabgabe im wahrsten Sinne des Wortes in diesem Loch verschwinden."

    Und noch etwas steht fest: Das Geld soll nicht mit der Gießkanne verteilt werden, also: gleichmäßig über alle Kunstsparten. Mit der "Bettensteuer" wollen SPD und Grüne Schwerpunkte in der freien Szene und bei niedrigschwelligen Angeboten für Kinder und Jugendliche setzen. Bis die Hotels die Kultur nähren, kann es allerdings noch etwas dauern. Denn zwar hat der Hauptausschuss zugestimmt, beeilen sich die Kölner Stadtverwaltung und die roten und grünen Stadträte, die Kulturförderabgabe auf den Weg zu bringen. Aber da es sich um eine Sonderabgabe handelt, muss die schwarz-gelbe Landesregierung noch zustimmen; und die hat bereits Bedenken signalisiert. Außerdem hat der Hotel- und Gaststättenverband zu Protesten aufgerufen; auch Klaus Kuhn vom Hotel Uhu in Dellbrück legt Unterschriftenlisten aus. Es kann also noch etwas dauern, bis die Gäste Kölns im Schlaf die Kultur fördern.