So wie der Bildungs- und Erlebnishungrige des postgoethischen Zeitalters nach Italien fuhr, so gehörte eine Reise nach Amerika in den 1980iger Jahren zum Selbsterfahrungsprogramm westdeutscher Linker. In Amerika fand man den bösen Klassenfeind, aber auch gute Schwarze, den Blues, Hippies und eine unendliche Landschaft.
Auch der Dramatiker Roland Schimmelpfennig hat sich 1998 einen Amerika-Aufenthalt geleistet; allerdings sieht der 1967 geborene Ironiker das Land der Yankees ein wenig anders als die Vorgänger-Generation, nämlich durch die Brille der Western und Western-Mythen, die deutsche Mittelstandskinder sich bei elterlicher Abwesenheit Samstagnachts im Fernsehen reinziehen.
Schimmelpfennig hat jetzt also ein nettes kleines Nebenbei-Werk verfasst, das drei deutsche Theater-Alternativlinge (oder vielmehr -Naivlinge) auf die Reise durch den Wilden Westen schickt - aber nicht im Planwagen, obwohl derlei Reminiszenzen immer wieder auftauchen, sondern im VW-Bus. Die Uraufführung war vor ein paar Tagen in New York; die deutschsprachige Erstaufführung hat nun Burkhard C. Kosminski in Mannheim als Mischung aus Leseprobe und böser Performance inszeniert, mit abrupten Stimmungswechsel und lustvollem Baden in Klischees.
Schimmelpfennig offeriert uns einen neuen, um 180 Grad gewendeten Marshall-Plan: Rob, Micha und Kati kommen aus Berlin und wollen irgendwo in der amerikanischen Pampa ein Theater aufmachen. Die Amis mit deutscher Kultur beglücken: Das ist eine schöne Revanche für US-Wirtschaftshilfe in der Nachkriegszeit, aber auch ein feines Augenzwinkern in Richtung Bundeskulturstiftung, in deren Auftrag das Stück geschrieben ist. Die Amis brauchen natürlich alles andere als ein deutsches Theaterlabor; sie brauchen - jedenfalls nach Schimmelpfennig - Würstchenbuden, Burger-Kings und Porno-Videotheken, also Dinge, die wirtschaftlich halbwegs funktionieren.
Das wird den deutschen Hungerleidern, die entsagungsvoll im VW-Bus campieren, nun von einem Vietnam-Veteranen handgreiflich klar gemacht - der Schauspieler Reinhard Mahlberg macht sich einen Spaß daraus, die Psycho-Finten eines heruntergekommenen, selbstgefälligen Subkultur-Machos (mit Dreadlocks und lila Hippie-Hemd) sarkastisch auszuleuchten. Ike heißt der Mann, wie Ike Turner, der immer die arme Tina Turner verprügelte; Ike kennt alle Western-Filme und Hardcore-Pornos, und Ike will den Deutschen eine Halle vermieten:
"Ich habe die Halle vom alten Miller übernommen, als er seine Schulden nicht bezahlen konnte. Die Halle hat dem alten Miller kein Glück gebracht, und sie hat mir kein Glück gebracht. Es gibt niemand, der hier lange geblieben ist: Staples nicht, Borders, nicht mal die Autowerkstatt. Das einzige, was hier funktioniert hat, war der Video-Laden."
Ja, ein Video-Laden. Das ist kein Theater, aber "es hat damit zu tun", sagen sich die deutschen Müsli-Tramps, die zunächst doch eine Schauspiel-"Werkstatt" aufmachen wollten, ein "Labor", eine "Kulturfabrik", einen "Pool oder Tank", "eine Zapfsäule in der Wüste", "Benzin für den Kopf" gewissermaßen. Der maskuline Tonfall der Hollywood-Filmhelden, den der potentielle Hallen-Vermieter Mr. Ike kultiviert, wird in der Aufführung konsequent gegengeschnitten mit dem diffusen Gebrabbel umnebelter deutscher Aussteiger-Gehirne, die zwar nicht mehr auf Shit und Alk sind wie APO-Generation, aber ähnlichen Menschheitsverbesserungs-Phantasien nachhängen.
Regisseur Kosminski lässt manchmal ein ferngesteuertes Spielzeugauto durch die Szene sausen, einen VW-Bus: zwar sind wir in Amerika, aber ein bisschen eben auch im Sandkasten und im deutschen Kinderzimmer. Kein Welttheater also, aber eine feine Mixtur aus Kabarett und Freak-Show, die am Ende eckstatisch singt und tanzt.
Auch der Dramatiker Roland Schimmelpfennig hat sich 1998 einen Amerika-Aufenthalt geleistet; allerdings sieht der 1967 geborene Ironiker das Land der Yankees ein wenig anders als die Vorgänger-Generation, nämlich durch die Brille der Western und Western-Mythen, die deutsche Mittelstandskinder sich bei elterlicher Abwesenheit Samstagnachts im Fernsehen reinziehen.
Schimmelpfennig hat jetzt also ein nettes kleines Nebenbei-Werk verfasst, das drei deutsche Theater-Alternativlinge (oder vielmehr -Naivlinge) auf die Reise durch den Wilden Westen schickt - aber nicht im Planwagen, obwohl derlei Reminiszenzen immer wieder auftauchen, sondern im VW-Bus. Die Uraufführung war vor ein paar Tagen in New York; die deutschsprachige Erstaufführung hat nun Burkhard C. Kosminski in Mannheim als Mischung aus Leseprobe und böser Performance inszeniert, mit abrupten Stimmungswechsel und lustvollem Baden in Klischees.
Schimmelpfennig offeriert uns einen neuen, um 180 Grad gewendeten Marshall-Plan: Rob, Micha und Kati kommen aus Berlin und wollen irgendwo in der amerikanischen Pampa ein Theater aufmachen. Die Amis mit deutscher Kultur beglücken: Das ist eine schöne Revanche für US-Wirtschaftshilfe in der Nachkriegszeit, aber auch ein feines Augenzwinkern in Richtung Bundeskulturstiftung, in deren Auftrag das Stück geschrieben ist. Die Amis brauchen natürlich alles andere als ein deutsches Theaterlabor; sie brauchen - jedenfalls nach Schimmelpfennig - Würstchenbuden, Burger-Kings und Porno-Videotheken, also Dinge, die wirtschaftlich halbwegs funktionieren.
Das wird den deutschen Hungerleidern, die entsagungsvoll im VW-Bus campieren, nun von einem Vietnam-Veteranen handgreiflich klar gemacht - der Schauspieler Reinhard Mahlberg macht sich einen Spaß daraus, die Psycho-Finten eines heruntergekommenen, selbstgefälligen Subkultur-Machos (mit Dreadlocks und lila Hippie-Hemd) sarkastisch auszuleuchten. Ike heißt der Mann, wie Ike Turner, der immer die arme Tina Turner verprügelte; Ike kennt alle Western-Filme und Hardcore-Pornos, und Ike will den Deutschen eine Halle vermieten:
"Ich habe die Halle vom alten Miller übernommen, als er seine Schulden nicht bezahlen konnte. Die Halle hat dem alten Miller kein Glück gebracht, und sie hat mir kein Glück gebracht. Es gibt niemand, der hier lange geblieben ist: Staples nicht, Borders, nicht mal die Autowerkstatt. Das einzige, was hier funktioniert hat, war der Video-Laden."
Ja, ein Video-Laden. Das ist kein Theater, aber "es hat damit zu tun", sagen sich die deutschen Müsli-Tramps, die zunächst doch eine Schauspiel-"Werkstatt" aufmachen wollten, ein "Labor", eine "Kulturfabrik", einen "Pool oder Tank", "eine Zapfsäule in der Wüste", "Benzin für den Kopf" gewissermaßen. Der maskuline Tonfall der Hollywood-Filmhelden, den der potentielle Hallen-Vermieter Mr. Ike kultiviert, wird in der Aufführung konsequent gegengeschnitten mit dem diffusen Gebrabbel umnebelter deutscher Aussteiger-Gehirne, die zwar nicht mehr auf Shit und Alk sind wie APO-Generation, aber ähnlichen Menschheitsverbesserungs-Phantasien nachhängen.
Regisseur Kosminski lässt manchmal ein ferngesteuertes Spielzeugauto durch die Szene sausen, einen VW-Bus: zwar sind wir in Amerika, aber ein bisschen eben auch im Sandkasten und im deutschen Kinderzimmer. Kein Welttheater also, aber eine feine Mixtur aus Kabarett und Freak-Show, die am Ende eckstatisch singt und tanzt.