Killinger: Das ist eine sehr interessante Frage, die in diesem Fall auch ein bisschen von dem holländischen Fall abhebt, den Theo van Gogh-Fall, wo ein Mitglied der weißen Kommunität angeblich die Moslems beleidigt hat. Hier kommt die Beleidigung - wenn man sie so nennt - von innerhalb der Minorität der Sikhs. Das ist eine interessante Enthüllung über die Konflikte, die in solcher Minderheitengruppen existieren. Die Sikhs haben eben auch eine junge nachwachsende Generation, die sich völlig im liberalen Klima Englands akulturiert, aklimatisiert, assimiliert, während die Älteren dieser Gemeinschaft stärker an den traditionellen Formen des Glaubens hängen. Diese traditionellen Formen - so begehrt die Jugend auf und das ist auch der Inhalt diese Stückes - bringen leider Heuchelei, Unterdrückung der Rechte der Frauen, immer noch arrangierte Heiraten und andere Formen der Unterdrückung von Freiheit, wie man sie in England gewohnt ist, mit sich. So hat dieses Stück eben auch die Funktion, in den Binnenraum der Sikh-Gemeinschaft hineinzuleuchten und viele der Dinge an den Tag zu zerren, gegen die die junge nachwachsende Sikh-Generation aufbegehrt. Das ist also auch ein Kulturkampf wenn man so will innerhalb einer Minoritätengruppe.
Lückert: Haben Sie das Stück gesehen? Was ist die Geschichte?
Killinger: Sehr viele, die darüber geschrieben haben, haben es nicht sehen können, denn kaum ist der Skandal aufgekommen, da wurde das Stück schon abgesetzt. Es hatte viele nicht die Gelegenheit es zu sehen. Es nennt sich übrigens eine schwarze Komödie, es ist als solche auf dem Theaterzettel angekündigt, die von einer Frau und ihrer Tochter handelt, die sich auf dem Weg zum Tempel machen für die üblichen Gebetsübungen. Dort kommen nun die Konflikte, Kontakte mit Menschen, die auch im Tempel sind, es wird entartet, die ganze Szene im Tempel zu einem Pandämonium von Mord, Homosexualität und Vergewaltigung und dieser Punkt wahrscheinlich, dass diese Exzesse im Tempel passieren, hat die Aufständischen und die Protestler besonders aufgeregt. Es wurde darum gebeten, die Autorin und das Theater, diese Szene in ein säkulares Gemeindezentrum zu verlagern. Das haben sie aber abgelehnt aus den sehr verständlichen Gründen es gehe darum, im Binnenraum der Sikhs zu bleiben und eben im Heiligtum selber zu zeigen, was an dieser Religion und ihrer Praxis nicht stimmt. So ist es zu dem Eklat gekommen.
Lückert: Offenbar hat die Geschichte in England eine öffentliche Debatte ausgelöst, bei der es auch generell um Fragen der Kunstfreiheit geht. Werden da Parallelen gezogen - Sie haben es schon erwähnt - zum Fall des Filmemachers Theo van Gogh in den Niederlanden?
Killinger: Ja, unbedingt. Die westliche Gesellschaft steht eben vor einer Kardinalfrage über die Grenzen der Freiheit von Kunst und was sie überhaupt bedeutet. Darf Freiheit der Kunst bedeuten, auch die Freiheit zu beleidigen? Die Blair-Regierung selber ist in dieser Debatte sehr weit vorangegangen insofern, als sie vor einiger Zeit einen neuen Gesetzesvorschlag eingebracht hat, der den Aufruf zum religiösen Hass unter Strafe stellt. Dieses Begehren wiederum ist von Autoren und Theaterleuten in England wütend bekämpft worden. Wenn Sie einmal den Aufruf zum Hass ins Gesetz einbauen, dann gibt es kein Halten mehr, wer überall sich religiös beleidigt fühlt bei Theater- und Kunstaufführungen. Es gibt da wirklich eine endlose Serie von möglichen Prozessen von Leuten die glauben, das Ihresgleichen beleidigt worden ist. So bekommt Blair sehr viel Gegenwind, andererseits weiß man auch, dass die künstlerische Freiheit gewissen Auflagen hat. Rassismus zum Beispiel ist unter Strafe gestellt, Sexismus auch, Diskriminierung der Frau. Das sind schon heikle Debatten, wo die Gesellschaft neu aufgefordert ist zu definieren, wie weit kann man gehen, wie weit nicht. Aber grundsätzlich ist der Fall, dass ein Stück abgesetzt werden musste, weil sich eine Minderheit beleidigt fühlte ein Skandal, der für die Mehrheit der englischen öffentlichen Meinung, die im Zweifelsfalle auf der Seite der künstlerischen Freiheit steht und davon ausgeht, dass sie alle ein dickes Fell haben müssen und sich dies und jenes einfach gefallen lassen müssen. Denn so ist es eben in offenen Gesellschaften.
Lückert: Thomas Killinger mit Einschätzungen zum jüngsten Theater-Skandal in England. Anhänger der Sikh-Religion erwirkten die Absetzung eines Theaterstücks in Birmingham.
Lückert: Haben Sie das Stück gesehen? Was ist die Geschichte?
Killinger: Sehr viele, die darüber geschrieben haben, haben es nicht sehen können, denn kaum ist der Skandal aufgekommen, da wurde das Stück schon abgesetzt. Es hatte viele nicht die Gelegenheit es zu sehen. Es nennt sich übrigens eine schwarze Komödie, es ist als solche auf dem Theaterzettel angekündigt, die von einer Frau und ihrer Tochter handelt, die sich auf dem Weg zum Tempel machen für die üblichen Gebetsübungen. Dort kommen nun die Konflikte, Kontakte mit Menschen, die auch im Tempel sind, es wird entartet, die ganze Szene im Tempel zu einem Pandämonium von Mord, Homosexualität und Vergewaltigung und dieser Punkt wahrscheinlich, dass diese Exzesse im Tempel passieren, hat die Aufständischen und die Protestler besonders aufgeregt. Es wurde darum gebeten, die Autorin und das Theater, diese Szene in ein säkulares Gemeindezentrum zu verlagern. Das haben sie aber abgelehnt aus den sehr verständlichen Gründen es gehe darum, im Binnenraum der Sikhs zu bleiben und eben im Heiligtum selber zu zeigen, was an dieser Religion und ihrer Praxis nicht stimmt. So ist es zu dem Eklat gekommen.
Lückert: Offenbar hat die Geschichte in England eine öffentliche Debatte ausgelöst, bei der es auch generell um Fragen der Kunstfreiheit geht. Werden da Parallelen gezogen - Sie haben es schon erwähnt - zum Fall des Filmemachers Theo van Gogh in den Niederlanden?
Killinger: Ja, unbedingt. Die westliche Gesellschaft steht eben vor einer Kardinalfrage über die Grenzen der Freiheit von Kunst und was sie überhaupt bedeutet. Darf Freiheit der Kunst bedeuten, auch die Freiheit zu beleidigen? Die Blair-Regierung selber ist in dieser Debatte sehr weit vorangegangen insofern, als sie vor einiger Zeit einen neuen Gesetzesvorschlag eingebracht hat, der den Aufruf zum religiösen Hass unter Strafe stellt. Dieses Begehren wiederum ist von Autoren und Theaterleuten in England wütend bekämpft worden. Wenn Sie einmal den Aufruf zum Hass ins Gesetz einbauen, dann gibt es kein Halten mehr, wer überall sich religiös beleidigt fühlt bei Theater- und Kunstaufführungen. Es gibt da wirklich eine endlose Serie von möglichen Prozessen von Leuten die glauben, das Ihresgleichen beleidigt worden ist. So bekommt Blair sehr viel Gegenwind, andererseits weiß man auch, dass die künstlerische Freiheit gewissen Auflagen hat. Rassismus zum Beispiel ist unter Strafe gestellt, Sexismus auch, Diskriminierung der Frau. Das sind schon heikle Debatten, wo die Gesellschaft neu aufgefordert ist zu definieren, wie weit kann man gehen, wie weit nicht. Aber grundsätzlich ist der Fall, dass ein Stück abgesetzt werden musste, weil sich eine Minderheit beleidigt fühlte ein Skandal, der für die Mehrheit der englischen öffentlichen Meinung, die im Zweifelsfalle auf der Seite der künstlerischen Freiheit steht und davon ausgeht, dass sie alle ein dickes Fell haben müssen und sich dies und jenes einfach gefallen lassen müssen. Denn so ist es eben in offenen Gesellschaften.
Lückert: Thomas Killinger mit Einschätzungen zum jüngsten Theater-Skandal in England. Anhänger der Sikh-Religion erwirkten die Absetzung eines Theaterstücks in Birmingham.