Dienstag, 30. April 2024

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Kulturwahlkampf

Die Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Medien, Monika Griefahn, ist der Überzeugung, dass Kulturpolitik zu einem wichtigen Wahlkampfthema in diesem Jahr wird. Bislang seien sich die Parteien immer weitgehend einig gewesen über die "Kultur der Vielfalt" in Deutschland. In den Wahlprogrammen würden jetzt allerdings durchaus verschiedene Akzente gesetzt, so Griefahn.

Monika Griefahn im Gespräch | 03.08.2005
    Lückert: Frau Griefahn, vielleicht kurz zur Anlage dieses Pressegesprächs, waren auch Vertreter anderer Parteien dabei, oder wie konnten Sie über die verschiedenen Kulturprogramme diskutieren?

    Griefahn: Ich habe jetzt meine Meinung gesagt über die kulturpolitischen Konzepte und bin natürlich auch SPD-Mitglied und auch als solches zum Beispiel in der Medienkommission der SPD, weswegen ich zum Beispiel auch zu Fragen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gefragt worden bin. Man gibt ja nicht seinen parteipolitischen Hut ab.

    Lückert: Was stand auf der Tagesordnung?

    Griefahn: Wie geht es weiter mit der Kultur, wie können wir die Dinge, die wir angefangen haben weitermachen, die wir ja sehr häufig mit einem großen Konsens gemacht haben und wie können eigentlich die kulturpolitischen Ziele verwirklicht werden, zum Beispiel die Frage, wo sich alle Parteien einig sind in der Enquete-Kommission, nämlich Kultur zum Staatsziel zu erheben, damit eben auch in den Ländern und Kommunen viel eher die Möglichkeit besteht, Kultur als Pflichtaufgabe zu sehen und nicht als lästigen Luxus abzulehnen.

    Lückert: Haben Sie denn den Eindruck, dass Kultur mehr denn je zum Wahlkampfthema wird in diesem Jahr?

    Griefahn: Das ist es in diesem Jahr geworden, das hat auch sicherlich mit der Richtungsentscheidung zu tun, denn das beinhaltet ja auch eine Kultur, nämlich die Kultur der Vielfalt in unserem Land, die Kultur, freie Gruppen zu fördern und Hochkultur, das heißt also, eine breite Ebene zu erhalten, wo sich bislang eigentlich alle Parteien einig waren, jedenfalls im Kulturausschuss, aber wenn ich mir jetzt die einzelnen parteipolitischen Programme ansehe doch sehr unterschiedliche Akzente gesetzt werden. Bei der CDU zum Beispiel wird sehr viel auf Privatinitiative Sponsoring et cetera gesetzt, das würde bedeuten, dass viele Initiativen, die im Moment aus staatlichen Töpfen wie der Bundeskulturstiftung oder den Hauptstadtkulturfond gefördert werden, dann hinten runterfallen würden, was sie da nicht unter Umständen, wenn es nicht Mainstream ist, Sponsoren finden würden.

    Lückert: Die Kulturpolitik der amtierenden Regierung bekommt von kulturpolitischen Sprechern anderer Parteien häufig vorgeworfen, randständige Kultureinrichtungen zu fördern, eine rot-grüne Klientel zu bedienen und so weiter. Wo liegen Ihrer Ansicht nach die Prioritäten der Kulturförderung in der nächsten Zeit?

    Griefahn: Ich halte das für schlicht falsch. Wir haben zum Beispiel Berlin sehr viel Unterstützung gewährt, damit sie die Opernstiftung gründen können, damit ihnen drei Opern in Berlin erhalten werden können. Was der Gegenvorschlag ist, dass der Bund die Staatsoper übernimmt, würde zwangsläufig dazu führen, dass die beiden anderen Opern über kurz oder lang geschlossen werden und in der Staatsoper nur noch Mainstream gemacht wird. Insofern ist es nicht randständig, sondern gerade das breite Spektrum aller Ebenen abdeckend, diese Unterstützung zu gewährleisten. Wir haben zum Beispiel auch ein sehr gutes Gedenkstättenkonzept entwickelt in den letzten Jahren, was eben auch eine Förderung von Gedenkstätten auf hohem Niveau beinhaltet, das kann man wirklich nicht als randständig bezeichnen. Wir haben die Filmförderung sehr intensiv aufgestockt, der deutsche Film hat dadurch wieder an Glanz und Brillanz bekommen, das kann man sicherlich auch nicht als randständig bezeichnen.

    Lückert: Ich glaube, Herr Otto von der FDP meinte damit eher ein Badeschiff in Treptow.

    Griefahn: Badeschiff in Treptow ist vielleicht aus dem Hauptstadtkulturfond finanziert worden, das ist dann aber eine Sache, die die Kuratoren, die Jury und so weiter, das ist sicherlich ein kleiner Teilaspekt, aber nicht die gesamte Bundeskulturförderung.

    Lückert: Welche kulturpolitischen Konzepte sind Ihnen denn aus anderen europäischen Hauptstädten bekannt, die Sie gerne als Vorbild für eine gute Entwicklung auch in Berlin nehmen möchten in den nächsten Jahren?

    Griefahn: Ich bin als Bundeskulturpolitikerin nicht ausschließlich für Berlin zuständig, sondern für die gesamte Bundesrepublik und insbesondere auch für die auswärtige Kulturpolitik zuständig und das ist mir sehr wichtig, deswegen plädiere ich ja dafür, dass die Staatsministerin für Kultur und Medien aufgewertet wird zu einer Bundeskulturministerin und auch die Bereiche Medien und auswärtige Kulturpolitik mit in ihre Verantwortung bekommt, denn ich glaube, es ist wichtig, gerade auf der europäischen Ebene gegenüber den anderen Ländern gemeinsam Aktionen voranzutreiben, auch wenn es darum geht, bestimmte Dinge in der Bundesrepublik zu schützen wie zum Beispiel den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Dafür brauchen wir eine starke Stimme in Europa, denn wir haben ja schon gemerkt, dass auch bei dem blauen Brief, den wir bekommen haben, der Öffentlich-Rechtliche beschnitten werden oder auf analoge Medien reduziert werden soll und insofern denke ich, ist es wichtig, die Gesamtheit zu sehen. Die Bundesrepublik als europäische Kulturnation im Inneren zu vertreten, aber auch nach außen. Rahmenbedingungen für Künstlerinnen und Künstler zu setzen durch eine Stabilisierung der Künstlersozialkasse, durch das Urheberrecht, aber eben auch auf der internationalen Ebene bei der europäischen Dienstleistungsrichtlinie, aber auch bei der Gats-Verhandlung und der Unesco-Konvention zur kulturellen Vielfalt dafür zu sorgen, dass Kultur einen wichtigen Stellenwert hat und als Kultur- und Wirtschaftsgut gesehen wird und nicht ausschließlich als Wirtschaftsgut.

    Lückert: In welchen Punkten unterscheiden Sie sich denn von Ihren politischen Gegnern, was sind die schärfsten Gräben?

    Griefahn: Sicherlich die Frage der Privatisierung von Kultur, denn ich glaube, Kultur ist eine staatliche Aufgabe, etwas, was unterstützt werden muss, wir brauchen zum Beispiel sehr intensive kulturelle Bildung auch an den Schulen, wir brauchen Medienkompetenz an den Schulen und das muss staatlich unterstützet werden, das geht nicht durch Privatinitiative. Ich bin sehr dafür, dass wir auch die Musikschulen im Land weiter fördern, denn da bin ich ganz einig mit meinem Innenminister der sagt, wer Musikschulen schließt, gefährdet die innere Sicherheit, denn wir brauchen einfach eine breite Bewegung, eine Integration in den täglichen Ablauf. Das ist für uns ein Lebensmittel, eine Grundstruktur und das ist schon ein Unterschied. Kultur ist kein Luxus, kein Anhängsel, sondern Kultur für alle ist eine wesentliche Grundlage unserer Demokratie und auch ein wichtiger Exportartikel, womit wir auch in Ländern, die noch weit von Demokratie entfernt sind wie China oder Vietnam punkten können und da auch den Dialog neben der Wirtschaftspolitik verstärken müssen.

    Lückert: Waren Sie in Bayreuth, wo liegen Ihre persönlichen kulturellen Interessen, was ist Ihnen ein Anliegen?

    Griefahn: Ich bin sehr vielfältig, ich bin auch in Bayreuth gewesen und schätze es auch sehr, aber ich kümmere mich auch gerne um die jungen Künstler, habe auch guten Kontakt zu der vielfältigen Szene, die von Hip Hop über Pop bis zu sontswas geht. Es ist sehr unterschiedlich und ich interessiere mich eben auch für viele Dinge und mir liegt eben alles, was mit Kindern und Jugendlichen zu tun hat, sehr am Herzen und dass die auch weiter gefördert werden, ist mir eine große Priorität.

    Lückert: Sie haben mal gesagt, die Karriere einer Frau mache häufig unvorhergesehen Sprünge. Sie kommen aus der Umweltpolitik, im Falle einer Wahlniederlage von Rot-Grün - wo sehen Sie sich?

    Griefahn: Ich bin begeistert als Kulturausschussvorsitzende tätig und bin auch in meiner Partei aktiv in der Kulturpolitik, es macht mir sehr großen Spaß, wir haben viele Gestaltungsmöglichkeiten und werden sehen, ob wir diese Politik nicht auch weiterführen können.