Dienstag, 19. März 2024

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Kulturwissenschaftlerin über Maskerade
"Kostüme bedienen Regeln"

Früher dienten Verkleidungen dazu, gesellschaftliche Konventionen zu unterlaufen, sagte die Kulturwissenschaftlerin Gudrun König im Dlf. Dabei wirkten Maskerade und Verstoß gleichzeitig stabilisierend auf jene Regeln, die sie brechen.

Gudrun König im Gespräch mit Anja Reinhardt | 02.03.2019
Karnevalsiten auf der Zülpicher Straße an Weiberfastnacht. Köln, 28.02.2019 *** Carnival sites on the Zülpicher Straße on Weiberfastnacht Cologne 28 02 2019 Foto:xC.xHardtx/xFuturexImage
Prinzessin trifft Piloten - Kostümklischees an Karneval (www.imago-images.de)
Anja Reinhardt: Zumindest im Rheinland, im Schwäbischen, in Hessen und anderen Regionen im Moment befinden wir uns in der fünften Jahreszeit, und da ist die Verkleidung das wichtigste Accessoire. Denn erst durch das Kostüm legt man sich eine andere Identität zu, mit der man dann alle Regeln brechen kann, die man ansonsten brav einhält. So könnte der Gedanke hinter der Idee des Verkleidens lauten.
Wie wichtig ist denn der Aspekt, über das Kostüm eine andere Identität anzunehmen?
Gudrun König: Von einer anderen Identität würde ich nicht sprechen, aber vielleicht von anderen Identitätsfacetten, davon könnte man sprechen. Jemand Leises kann jemand Lautes sein, man kann die Geschlechterrollen wechseln, man kann soziale Rollen wechseln, man kann sich in anderer Form und in anderer Kostümierung ausprobieren.
Reinhardt: Jetzt sagt aber eine Studie, dass zum Beispiel Frauen besonders auf Uniformen bei Männern stehen, im Karneval. Das hört sich ja eigentlich eher so an, als ob da Klischees bestätigt werden.
König: Also ich denke jedes Kostüm und auch sozusagen der Regelausbruch bedient Regeln oder stabilisiert Regeln. Obwohl man denkt, wenn man Geschlechterrollen wechselt hat man vielleicht mehr Verständnis für das andere Geschlecht. Das denke ich nicht. In dem Sinne stabilisiert eigentlich die Regelüberschreitung die Regeln.
Unter der Maske verhält man sich anders
Reinhardt: Hat sich denn eigentlich in den vielen Jahrhunderten der Kostümierung grundsätzlich etwas am Sinn der Maskerade verändert?
König: Ich glaube, der Sinn der Maskerade ist den Gegensinn zu leben. Den Gegensinn zur gesellschaftlichen Konvention auszudrücken. Wenn ich noch einmal kurz auf die höfische Gesellschaft komme, da gab es eine starre Kleiderordnung die auf die Stände orientiert war; in der Fasnacht konnte man die eben umgehen, unter dem Schutz der Maske konnte man ein anderes Verhalten legitimieren.
Aber wie gesagt: Das diente zur Einübung von Verhaltenskontrolle bei Hof, und wenn ich das auf heute spiegele dann ist es so: Ich denke, wir haben eigentlich drei Grundmasken die auch eine lange Geschichte haben, etwa die Charaktermaske, das sind andere Stände, Berufe, andere Geschlechter, andere soziale Rollen auch die Verkehrung von oben und unten, also die "verkehrte Welt".
Dann haben wir die Nationalmasken, also andere Völker etwa, in die man sich einkleidet, dann haben wir Fantasiemasken und was neu hinzugekommen ist, denke ich, in den letzten Jahrzehnten allerdings schon, sind die Medienmasken – also die Orientierung an Film und Fernsehen, an Comics, manchmal auch literarische Vorbilder.
Und dann könnte man auch eine fünfte dazu nehmen, von traditionellen Rollen wie Teufel, die schwäbisch-alemannische Fasnacht hat dann wieder ganz eigene Figuren und Muster.
Kostüme können auch dem Alltag entnommen sein
Reinhardt: Nun könnte man ja eigentlich sagen, dass wir uns im Alltag auch ständig kostümieren und uns eine Rüstung anziehen, die uns für den Beruf oder für den Alltag passend erscheint - inwiefern stellen Sie denn als Kulturwissenschaftlerin fest, dass die Kostümierung im Alltag und die Kostümierung an Karneval komplett unterschiedlich sind. Oder sind sie es gar nicht?
König: Ich denke, sie sind nicht komplett unterschiedlich. Erstmal haben wir auch beim Karneval Moden, wir haben in und out, in diesem Jahr ist etwa der Flamingo als Tierfigur sehr beliebt, wir haben manchmal Filme, die aktuell irgendetwas besonders beleben, Star Wars oder Matrix waren solche Filme, die viele Verkleidungen nach sich gezogen haben, zum Teil durchaus geplant.
Zum Teil finden wir aber diese Form des Kostüms oder des Kleides im normalen Alltag, es ist nicht nur eine Form die man auf dem Fasching trägt sondern manche dieser Vorbilder kann man auch in den Alltag transferieren.
Ich finde der Unterschied ist graduell auf einer Linie aber es ist nichts fundamental anderes. Ich kann als sportive Frau auch High Heels tragen, es sind graduelle Unterschiede aber keine fundamentalen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.