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Kulturwissenschaftliche Praktiker an die Uni gelockt

Unter dem Titel ''diskurs.musik'' veranstalten derzeit Studierende der Universität Hildesheim eine Vortragsreihe zur Musikkultur der Gegenwart. Es wurden Prominente Kulturmanager, Intendanten, Künstler und Journalisten eingeladen, um über die Praxis der zeitgenössischen Musikkultur zu berichten.

    Honecker: "diskurs.musik" - das klingt nach einer Mischung zwischen weiterentwickeltem Soziologendeutsch und musischer Ambitioniertheit. Irgendwie passt das auch. Studierende der "Kulturwissenschaft und ästhetischen Praxis" der Universität Hildesheim haben eine anspruchsvolle Vortragsreihe entwickelt. Sabine Germann ist eine der Organisatorinnen und jetzt am Telefon. Guten Tag.

    Germann: Hallo, Herr Honecker.

    Honecker: Frau Germann, wen haben Sie denn für diese Reihe an Prominenten gewinnen können?

    Germann: Ganz unterschiedlich. Den Auftakt gemacht hat Professor Franz Xaver Ohnesorg, ehemaliger Leiter der Carnegie Hall und der Berliner Philharmoniker. Er hat über Konzerthäuser in Deutschland und den USA gesprochen. Dann hatten wir Mike Svoboda, begnadeter Posaunist und Solo-Entertainer, der in seinem Programm ziemlich virtuos zwischen Jazz, Klassik und neuer Musik unterwegs ist. Er hat uns ein paar Kostproben gegeben. Dann haben wir demnächst Anke Eberwein. Sie ist Absolventin unseres Studienganges, jetzt im Bereich Konzertpädagogik tätig und wird über die kreative Vermittlung zeitgenössischer Musik sprechen. Dann kommt noch Albrecht Puhlmann, Intendant der Staatsoper Hannover...

    Honecker: Okay, okay, Sie haben mich überzeugt. Das reicht schon. Warum kommen die denn zu Ihnen?

    Germann: Ich denke, es gibt ganz unterschiedliche Gründe. Wir hatten tatsächlich kaum Absagen. Es sind vielleicht einfach ideelle, pädagogische Gründe, dass sie solche Projekte unterstützen, könnte ich mir vorstellen. Dann ist es sicherlich auch schlicht eine Werbemaßnahme. Das ist ja heutzutage auch einfach notwendig.

    Honecker: Im kulturellen Bereich muss man ja auch zusammenhalten im Moment. Kulturwissenschaft und Ästhetische Praxis - das heißt, Sie wollen Theorie und Praxis eng verzahnen. Wie soll das gelingen?

    Germann: Das ist der ganz spezifische Hildesheimer Ansatz, sich kulturellen Phänomenen von der wissenschaftlichen und von der künstlerischen Seite zu nähern. Das heißt, wir können in einem künstlerisch-wissenschaftlichen Haupt- und Nebenfach aus dem Bereich Musik, Bildende Künste oder Literatur/Theater/Medien wählen und haben dann, wenn man zum Beispiel den Schwerpunkt Musik wählt, Unterricht in zwei Instrumentalfächern und auf der anderen Seite ganz normal Seminare, vergleichbar mit denen im Studiengang Musikwissenschaften. Dahinter steckt natürlich die Idee von der wechselseitigen Erhellung durch die Herangehensweise von diesen beiden Seiten; das, was vielleicht bei den geisteswissenschaftlichen Studiengängen auf der Strecke bleibt und auf der anderen Seite, wenn man nur an der Hochschule ist, vielleicht auch nicht so gegeben ist.

    Honecker: Das Betriebswirtschaftliche spielt aber auch eine Rolle.

    Germann: Das ist auch absolut mit dabei. Es gibt eigentlich seit ein paar Jahren obligatorisch den Studienbereich "Kulturpolitik und Kulturmanagement". Es ist auch sehr sinnvoll, würde ich sagen, denn es ist einfach wirklich das Handwerkszeug für die spätere Berufspraxis. Zum einen würde ich sagen, die Auseinandersetzung mit kulturpolitischen Fragestellungen, Reflexion auf kommunaler, Landes- und Bundesebene und auch im internationalen Vergleich, auf der anderen Seite einfach das Instrumentarium und das Kulturmanagement: Gesetzesgrundlagen, Kenntnisse der Verwaltungsstrukturen, PR-/Öffentlichkeitsarbeit, Kulturförderung und so weiter.

    Honecker: Was sind Sie denn nach Abschluss Ihres Studiums?

    Germann: Das ist natürlich eine gute Frage. Ich werde Diplom-Kulturwissenschaftlerin sein, aber was man damit wird, hängt natürlich extrem von einem selber ab. Man könnte vielleicht sagen, es gibt grob vier Bereiche, wo Absolventen von uns unterkommen: Das sind Kulturorganisation, Kulturmanagement, Kulturämter und so weiter, kulturelle Bildung, Museumspädagogik, Theaterpädagogik.

    Honecker: Kulturmanagement kann man ja auch an anderen Hochschulen studieren, zum Beispiel in Passau, das war immer so ein Beispiel. Wenn man sich dort aber mit Absolventen unterhält, gibt es unterschiedliche Erfahrungen. Im Moment ist es natürlich so: Die Kommunen klagen über leere Kassen. Das schlägt auch auf die kulturellen Einrichtungen durch, ob Theater, Musikschule oder anderes. Machen Sie sich Hoffnungen auf einen Job in diesem Bereich, oder können Sie sich auch anderes vorstellen?

    Germann: Es ist natürlich auch ein klassisches Fach, wo Flexibilität, glaube ich, das Zauberwort ist, was wir hier in Hildesheim von Anfang an ganz gut mitbekommen, weil das wirklich ein Studium ist, das in die Breite geht. Man muss sich mit Sicherheit darauf einstellen, dass man nicht sofort die Traumstelle bekommt, an der man das verwirklichen kann, was man möchte - unbefristet womöglich noch -, sondern mehr so dieses Patchwork-Denken, dass man einfach unterschiedliche Projekte mitgestalten kann und dann schaut, wie man irgendwie den Einstieg findet. Da sind natürlich Praktika Gold wert. Die sind bei uns im Studiengang gleich integriert. Wir haben drei sechswöchige Praktika und müssen auch Berichte schreiben und so weiter. Das ist nach wie vor die Haupteinstiegsmöglichkeit.

    Honecker: Was wollen Sie denn selber machen?

    Germann: Ich selber würde gerne mal in den Bereich Konzertmanagement/Kulturmanagement gehen und habe bisher auch alle meine Praktika in dem Bereich gemacht.

    Honecker: Sabine Germann, angehende Kulturwissenschaftlerin aus Hildesheim. Heute Abend um 18:15 Uhr im Musiksaal der Hochschule Gérard Mortier, der Gründungsintendant der RuhrTriennale.

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    Informationen zum Programm gibt es unter www.diskursmusik.de

    Studieninformation zum Studiengang Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis an der Universität Hildesheim (pdf-Datei).