Seitdem die Gruppe Rimini Protokoll ihre "Experten des Alltags" als Laien-Darsteller ihrer selbst auf die Bühne geholt hat und Regisseur Volker Lösch seine Bürgerchöre einsetzt, dominiert auf der Bühne die dokumentarische Darstellung von politischen Konflikten und gesellschaftlichen Erfahrungen durch authentische Beteiligte. Doch in einer Nische lebt es weiter, das alte Dokumentartheater.
In ihm erzählen Schauspieler politisch-militärische Konflikte ordentlich nach, auf dass sich das reale Geschehen gegen die Unübersichtlichkeit des medialen Overkills zur Deutlichkeit verdichte. Wobei die Begriffe "nacherzählen" oder "vortragen" bei den erfahrenen Dokumentartheater-Regisseuren Hans-Werner Kroesinger und Clemens Bechtel die szenische Sache ziemlich auf den Punkt bringen. Denn was als Ergebnis von ausgiebiger Recherche, Analyse und Strukturierung von Dokumenten und Berichten auf der Bühne passiert, ist kaum szenisches Spiel, sondern allenfalls gestaltete Textvermittlung. Dabei wenden sich die Protagonisten oft direkt ans Publikum. Das wiederum muss, will es von dieser Art Theater "etwas haben", die Sinnlichkeit des Mitdenkens lieben und auf darstellerische und bildhafte Sinnlichkeit weitgehend verzichten. Da macht es sich gut, dass dieserart Dokumentartheater meist nicht nur von politisch wissbegierigen, sondern auch einverständigen Zuschauern geschätzt wird.
Konsequenterweise bringen Kroesinger und Bechtel für ihre dokumentarischen Theaterabende über die Kriege in Afghanistan und im Sudan nur Büroräume auf die Bühne. In denen man natürlich nicht Krieg nachspielt, sondern dessen Ursachen und Bedingungen benennt, - indem man Dokumente erklärt und dann mit ihnen die Wirklichkeit zu verstehen sucht.
Auf diese Weise bietet solcherart Dokumentartheater vor allem geordnete Materialschlachten. Bei Kroesingers "Darfur-Mission Incomplete" wandert das Publikum im kleinen Berliner Hau 3 von einem Konferenzraum, in dem zwei businesshafte Beamte, wohl von der UNO, nationale wie internationale Begründungen, Gründe und Verlauf des Bürgerkriegs rekapitulieren, in einen Saal, auf dessen Projektionswand Bilder aus dem Sudan gezeigt werden. Davor versuchen zwei engagierte Entwicklungshelfer oder Mitglieder einer Nichtregierungsorganisation, die Geschichte des sudanesischen Bürgerkriegs zu verdeutlichen, indem Interessen anderer Staaten und ethnische Probleme genannt werden. Handlungen und Situationen werden mit Figuren und Klötzen demonstriert: diese Legoland-Spielerei wirkt leider bestenfalls hilflos, wenn nicht gar albern.
Die Texte wiederholen sich in beiden Räumen, auch die Erklärungen von Kindern zu ihren Zeichnungen mit Bildern von Krieg und Gewalt. Und damit die Schauspieler sich bewegen, statt nur Erklärer oder Lautsprecher zu sein, räumen sie unmotiviert Stühle oder stapeln Kanister hin und her, - es geht um Öl im Sudan. Hans-Werner Kroesinger hat dokumentarische Abende gestaltet über den Eichmann-Prozess und den libanesischen Bürgerkrieg, über den Nato-Einsatz im Kosovo und über Kindersoldaten, über das Flick-Imperium, den Völkermord an den Tutsi und die Blackwater-Company.
Doch es zeigt sich immer mehr, dass es dem brillanten Rechercheur und klugen Ordner umfangreichen und bewusst widersprüchlichen Materials schwer fällt, aus diesem lebendiges Theater werden zu lassen. Immerhin versucht sein Dokumententheater, Ordnung im Gewirr der Wahrheiten zu schaffen, ohne selbst einfache Wahrheiten zu verkünden. Der Zuschauer fühlt sich informiert wie über- und gefordert, - was ihn nach der Vorstellung am Thema dran bleiben lässt.
"Potsdam – Kundus" heißt Clemens Bechtels Stück, weil vor den Toren von Potsdam der Sitz des Bundeswehr-Einsatzführungskommandos für Afghanistan ist. Auch bei Bechtel gibt es keine einfachen Wahrheiten über den Krieg und die Wege zum Frieden, sondern unterschiedliche Perspektiven. Bechtel stellt nicht nur sechs Schauspieler vor das Publikum, sondern auch eine in den 80er-Jahren aus dem Bürgerkrieg nach Deutschland geflüchtete Afghanin. Sie agieren zwischen Aktenschränken und mit Dokumenten beklebten Wänden, während sechs Experten des Afghanistankrieges, UN-Beamte, Politiker, Militärs und Ärzte, auf einer Videowand ins Bild und zu Wort kommen.
Bechtel begreift das Theater als Forschungslabor und demonstrierte dies in Potsdam bereits mit den Projekten "Staatssicherheiten", in dem ehemalige Stasihäftlinge von Verhaftung und Knast erzählten, und mit "Vom Widerstehen", in dem bekannte und erfolgreiche Menschen von ihrem Widerstand berichteten. Die Schauspieler in "Potsdam – Kundus" dagegen wirken entweder allzu trocken, oder sie werfen sich mit emotionalem Überelan in Spielszenen. Da protestiert eine junge Frau in der Ratsversammlung von 2002 gegen den Einzug verbrecherischer Warlords in neue Schlüsselstellungen und wird mit Verfahrensregeln ausgeschaltet. Ein ähnlicher Vorgang wiederholt sich bei der Bundestagsdebatte über Kundus, in der protestierende Abgeordnete an der Verlesung von Namen afghanischer Opfer gehindert werden. Und wenn eine Oberstabsärztin nach Särgen für drei deutsche Soldaten sucht und nur zu kurze Särge aus Vorkriegszeit oder Pappkartons bekommt, wird diese böse Groteske gegen die phrasenhafte Hohlheit der Beerdigungszeremonie gesetzt.
Bechtels Abend wirkt ungeformter, auch formal widersprüchlicher als der von Kroesinger. Beide Dokumentartheater-Abende überzeugen durch ihre offenen Fragestellungen, nicht aber durch ihre, wenn auch unterschiedlichen, wenig theatralen Formen. Die muss das politische Dokumentartheater aber unbedingt zu entwickeln suchen, will es sich gegenüber anderen Medien weiterhin behaupten.
In ihm erzählen Schauspieler politisch-militärische Konflikte ordentlich nach, auf dass sich das reale Geschehen gegen die Unübersichtlichkeit des medialen Overkills zur Deutlichkeit verdichte. Wobei die Begriffe "nacherzählen" oder "vortragen" bei den erfahrenen Dokumentartheater-Regisseuren Hans-Werner Kroesinger und Clemens Bechtel die szenische Sache ziemlich auf den Punkt bringen. Denn was als Ergebnis von ausgiebiger Recherche, Analyse und Strukturierung von Dokumenten und Berichten auf der Bühne passiert, ist kaum szenisches Spiel, sondern allenfalls gestaltete Textvermittlung. Dabei wenden sich die Protagonisten oft direkt ans Publikum. Das wiederum muss, will es von dieser Art Theater "etwas haben", die Sinnlichkeit des Mitdenkens lieben und auf darstellerische und bildhafte Sinnlichkeit weitgehend verzichten. Da macht es sich gut, dass dieserart Dokumentartheater meist nicht nur von politisch wissbegierigen, sondern auch einverständigen Zuschauern geschätzt wird.
Konsequenterweise bringen Kroesinger und Bechtel für ihre dokumentarischen Theaterabende über die Kriege in Afghanistan und im Sudan nur Büroräume auf die Bühne. In denen man natürlich nicht Krieg nachspielt, sondern dessen Ursachen und Bedingungen benennt, - indem man Dokumente erklärt und dann mit ihnen die Wirklichkeit zu verstehen sucht.
Auf diese Weise bietet solcherart Dokumentartheater vor allem geordnete Materialschlachten. Bei Kroesingers "Darfur-Mission Incomplete" wandert das Publikum im kleinen Berliner Hau 3 von einem Konferenzraum, in dem zwei businesshafte Beamte, wohl von der UNO, nationale wie internationale Begründungen, Gründe und Verlauf des Bürgerkriegs rekapitulieren, in einen Saal, auf dessen Projektionswand Bilder aus dem Sudan gezeigt werden. Davor versuchen zwei engagierte Entwicklungshelfer oder Mitglieder einer Nichtregierungsorganisation, die Geschichte des sudanesischen Bürgerkriegs zu verdeutlichen, indem Interessen anderer Staaten und ethnische Probleme genannt werden. Handlungen und Situationen werden mit Figuren und Klötzen demonstriert: diese Legoland-Spielerei wirkt leider bestenfalls hilflos, wenn nicht gar albern.
Die Texte wiederholen sich in beiden Räumen, auch die Erklärungen von Kindern zu ihren Zeichnungen mit Bildern von Krieg und Gewalt. Und damit die Schauspieler sich bewegen, statt nur Erklärer oder Lautsprecher zu sein, räumen sie unmotiviert Stühle oder stapeln Kanister hin und her, - es geht um Öl im Sudan. Hans-Werner Kroesinger hat dokumentarische Abende gestaltet über den Eichmann-Prozess und den libanesischen Bürgerkrieg, über den Nato-Einsatz im Kosovo und über Kindersoldaten, über das Flick-Imperium, den Völkermord an den Tutsi und die Blackwater-Company.
Doch es zeigt sich immer mehr, dass es dem brillanten Rechercheur und klugen Ordner umfangreichen und bewusst widersprüchlichen Materials schwer fällt, aus diesem lebendiges Theater werden zu lassen. Immerhin versucht sein Dokumententheater, Ordnung im Gewirr der Wahrheiten zu schaffen, ohne selbst einfache Wahrheiten zu verkünden. Der Zuschauer fühlt sich informiert wie über- und gefordert, - was ihn nach der Vorstellung am Thema dran bleiben lässt.
"Potsdam – Kundus" heißt Clemens Bechtels Stück, weil vor den Toren von Potsdam der Sitz des Bundeswehr-Einsatzführungskommandos für Afghanistan ist. Auch bei Bechtel gibt es keine einfachen Wahrheiten über den Krieg und die Wege zum Frieden, sondern unterschiedliche Perspektiven. Bechtel stellt nicht nur sechs Schauspieler vor das Publikum, sondern auch eine in den 80er-Jahren aus dem Bürgerkrieg nach Deutschland geflüchtete Afghanin. Sie agieren zwischen Aktenschränken und mit Dokumenten beklebten Wänden, während sechs Experten des Afghanistankrieges, UN-Beamte, Politiker, Militärs und Ärzte, auf einer Videowand ins Bild und zu Wort kommen.
Bechtel begreift das Theater als Forschungslabor und demonstrierte dies in Potsdam bereits mit den Projekten "Staatssicherheiten", in dem ehemalige Stasihäftlinge von Verhaftung und Knast erzählten, und mit "Vom Widerstehen", in dem bekannte und erfolgreiche Menschen von ihrem Widerstand berichteten. Die Schauspieler in "Potsdam – Kundus" dagegen wirken entweder allzu trocken, oder sie werfen sich mit emotionalem Überelan in Spielszenen. Da protestiert eine junge Frau in der Ratsversammlung von 2002 gegen den Einzug verbrecherischer Warlords in neue Schlüsselstellungen und wird mit Verfahrensregeln ausgeschaltet. Ein ähnlicher Vorgang wiederholt sich bei der Bundestagsdebatte über Kundus, in der protestierende Abgeordnete an der Verlesung von Namen afghanischer Opfer gehindert werden. Und wenn eine Oberstabsärztin nach Särgen für drei deutsche Soldaten sucht und nur zu kurze Särge aus Vorkriegszeit oder Pappkartons bekommt, wird diese böse Groteske gegen die phrasenhafte Hohlheit der Beerdigungszeremonie gesetzt.
Bechtels Abend wirkt ungeformter, auch formal widersprüchlicher als der von Kroesinger. Beide Dokumentartheater-Abende überzeugen durch ihre offenen Fragestellungen, nicht aber durch ihre, wenn auch unterschiedlichen, wenig theatralen Formen. Die muss das politische Dokumentartheater aber unbedingt zu entwickeln suchen, will es sich gegenüber anderen Medien weiterhin behaupten.