Archiv


Kunst der Einfachheit

Einfachheit ist Thema des Medienkunst-Festivals Ars Electronica in Linz. Dabei geht es um die technischen und sozialen Kenntnisse, die den Einzelnen befähigen, eigenständig über den Einsatz von Technologien zu entscheiden.

Von Walter Kittel |
    Auf die Frage, warum das Festivalmotto "Simplicity", also "Einfachheit" oder "die Suche nach dem Einfachen" heute in der Gesellschaft und speziell auch für Medienkünstler überhaupt von Bedeutung ist, antwortet der US-Medientheoretiker John Maeta:

    "Es ist so, weil wir aus dem Gleichgewicht gekommen sind. Wir wollen immer das, was wir gerade nicht haben. Das Bessere definiert sich gewöhnlich aus dem, was wir nicht haben."

    Folgen die Künstler in Linz also nur einem gesellschaftlichen Trend? Zieht es sie deshalb nach Jahren der technischen Aufrüstung zurück zum Einfachen, vielleicht nur zu einer simplen Idee?

    An einem der vielen Veranstaltungsorte ist der Japaner Toshio Iwai mit einer faszinierenden Arbeit anzutreffen. Zunächst sieht man nur das kleine Modell eines Hauses, das sich auf Knopfdruck sehr schnell zu drehen beginnt. Dann wird es so geschickt mit einem Projektor angestrahlt, dass sich die Form des Hauses verändert und auf geheimnisvolle Weise zerfließt. Es handelt sich um eine raffinierte Methode, mit einfachen Mittel 3-D-Animationen herzustellen. Interesse daran hat heute etwa auch das japanische Fernsehen, wo ständig nach neuen Bild- und Übertragungstechniken geforscht wird.

    "Dieses Projekt ist aus einer Zusammenarbeit mit einer japanischen Fernsehstation entstanden. Ich fühle mich nach wie vor als selbstständiger Künstler. Aber ich versuche immer, die Verbindung zur Industrie oder zu nationalen Organisationen herzustellen. Ich versuche immer, etwas sehr Neues herzustellen. Sowohl die Industrie wie auch die kulturelle Szene akzeptiert es."

    Sponsoren sind zur Finanzierung von Arbeiten wie der von Toshio Iwai sehr wichtig. In diesem Jahr kommen sie vielen Teilnehmern der Ars Electronica besonders entgegen. Denn die Suche nach dem Einfachen, einfach zu bedienenden Geräten und Programmen, ist vor allem auch ein Thema in der Industrie. Einfache Lösungen, einfache Programme lassen sich besser verkaufen. Selbst der New Yorker Untergrundkünstler Evan Roth und sein Graffiti Research Lab bekommen heute Angebote von Geschäftsleuten, weil es interessante Möglichkeiten gibt, Graffitis auf Wände zu projizieren, statt sie zu sprühen.

    "Graffiti und Werbung sind in gewisser Weise dasselbe. In beiden Fällen wird versucht, Botschaften an ein Publikum zu bringen, dass nicht um diese Botschaften gebeten hat. Also ist es nicht verwunderlich, dass die Industrie möchte, dass wir Werbung für sie machen. Aber das ist etwas, wogegen wir ankämpfen."

    Kämpferische Haltungen sind in Linz eher selten anzutreffen. Wie jedes Jahr wird vor allem auch sehr viel gespielt und gebastelt. Schöne und verblüffende Arbeiten sind zu entdecken, etwa die von Zachary Lieberman aus New York, dessen Zeichenapparat die Bilder von Besuchern in Objekte eines virtuellen Raums verwandelt. Das Gezeichnete lässt sich verschieben und neu zusammensetzen. Auffällig ist, wie schlicht und gleichzeitig ansprechend diese Installation gestaltet wurde. Computer, Kabel, alles was stören könnte, bleibt verborgen. Eleganz und schicke Entwürfe sind in diesem Jahr in, und bei nicht wenigen Medienkünstler hat man den Eindruck, als würden sie ganz gerne für ein Apple-Designlabor arbeiten. Auch das in Klang gehüllte und von Vibrationen erfüllte Bett der Londoner Künstlerin Annette Works will in erster Linie schön und einladend sein. Zur Benutzung ihres von tiefen Bässen in Schwingung gebrachten Bettes soll geradezu verführt werden. Bequem und hübsch soll das Bett sein, so Annette Works, der die Vermittlung einer geradezu spirituellen Erfahrung vorzuschweben scheint.

    "Es ist, als ob man in einen tiefen Ozean aus Vibrationen hineingesogen wird. Einfach wundervoll."

    Einfachheit oder "Simplicity”, das Motto von Medienkünstlern aus der ganzen Welt in diesem Jahr, klingt wie der Anfang einer neuen Bescheidenheit. Ob und wie lange der Trend anhalten wird, bleibt abzuwarten. Der Medientheoretiker John Maeda schreibt zu dem Thema: "Die ständige Suche des Menschen nach Einfachheit ist unwillkürlich verbunden mit der Langeweile, die sich einstellt, sobald dieser Wunsch in Erfüllung geht und Komplexität wieder reizvoll macht."