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Kunst der Existenzgründung

Vom Maler Olaf Gulbransson stammt das Zitat: "Bilder malen lernt man ja ganz von selbst, aber wie man Bilder verkauft, das sollten sie einem auf der Akademie beibringen". Die Fächer Recht, Marketing und Betriebswirtschaft sucht man in den Lehrplänen der Kunsthochschulen zwar nach wie vor vergebens, manche bieten aber zumindest eine kleine Starthilfe in Form von Existenzgründerseminaren: zum Beispiel die Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig.

Von Carsten Heckmann | 02.08.2005
    Sie studieren Grafik, Malerei und Fotografie. Aber heute lernen sie etwas über Umsatzsteuer, Marktanalyse und Buchführung. Zwölf Studierende der Hochschule für Grafik und Buchkunst haben 20 Euro investiert und nehmen am eintägigen Existenzgründerseminar teil, das die Unternehmensberaterin Jaqueline Jahn im Lesesaal der Hochschulbibliothek anbietet. Auch Meisterschüler Ulrich Gebert sitzt zwischen Stilkunde-Büchern und Kunstlexika, hört zu, schreibt mit. Im September beendet er sein Fotografie-Studium, da kam ihm das Seminar gerade recht:

    "Das sind ganz einfach praktische Gedanken, wenn man sein Studium abschließt. Dass man einfach nicht ins kalte Wasser fällt, sondern sich schon vorab informiert, was es für Optionen gibt. Teilweise habe ich die Dinge schon mal gehört. Andererseits ist es natürlich immer schön, Unterstützung zu finden, um sich im bürokratischen Dschungel zurechtzufinden."

    Er und seine Kommilitonen werden das Wissen brauchen. 94 Prozent der bildenden Künstler sind Selbständige, bei Designern und Fotografen gilt das für jeden Zweiten. Ihr Durchschnittsverdienst liegt knapp über 10.000 Euro im Jahr. Das ist die harte Realität. Auf die weisen auch Absolventen der Hochschule hin, die durchaus als positives Beispiel taugen. So wie Kay Krause, der vor sieben Jahren mit einem Freund die Gestaltungsagentur Kocmoc.net gegründet und unter anderem das Corporate Design des Leipziger Schauspielhauses entwickelt hat.

    "Es darf keiner erwarten, ganz viel Geld damit zu verdienen. Und es darf keiner erwarten, dass es irgendwie auf einen zukommt. Ich denke, ein Engagement ist unbedingt gefragt. Dabei ist sogar fast noch frei wählbar, auf welcher Linie dieses Engagement liegt. Also man kann entweder gestalterisch ganz extrem vorpreschen und sich dadurch hervortun. Oder man kann einfach ganz fleißig wie eine Werbeagentur 1000 Kunden bedienen und sich damit sein Tätigkeitsfeld und seine Brötchen für den nächsten Tag sichern."

    Krause nennt sich einen Optimisten. In Leipzig gibt es derzeit einige davon. Schließlich begeistert sich alle Welt für die "Neue Leipziger Schule"; Galeristen und Sammler reißen sich förmlich um Bilder von Neo Rauch und anderen, die größtenteils bei Arno Rink an der Hochschule für Grafik und Buchkunst studiert haben. Man könnte das als Bestätigung ansehen für die alte Weisheit, dass sich wahre Kunst eben durchsetzt. Braucht es da noch Nachhilfe in Selbstvermarktung? Fotografie-Professor Timm Rautert ist skeptisch:

    "Obwohl der Markt boomt halte ich es eigentlich für unklug, und meine Studenten wissen das jedenfalls, mit einer Mappe zu einem Galeristen zu gehen. Was heißt da Selbstvermarktung? Was soll man tun? Soll ich mir einen Briefbogen machen und draufschreiben "freier Künstler"? Das funktioniert nicht."

    Eine gute Portion Glück gehöre einfach dazu. Und für diejenigen, denen die Galeristen nicht nachlaufen, könne die Hochschule etwas tun. Doch Rautert ist sich bewusst, dass diese Ansicht nicht jeder teilt:

    "Da gehen die Meinungen natürlich auseinander unter den Kollegen. Die einen sagen: Dafür bin ich nicht zuständig, wir sind hier kein Sozialamt oder was auch immer. Wir können nur diese Lehre machen und dann sagen wir: Macht’s gut, Leute. Im wahrsten Sinne des Wortes. Und die anderen sagen wieder, dazu gehöre ich auch, dass man das etwas vorbereiten kann."

    Rautert lässt seine Studierenden immer wieder selbstständig kleine Ausstellungen organisieren. Er verweist zudem auf den Rundgang, die Leistungsschau der Hochschule, die stets im Februar stattfindet und inzwischen zahlreiche Fachbesucher aus Nah und Fern anzieht. Der Professor spricht auch mit Ausstellungsmachern, empfiehlt gute Studierende. Das Angebot eines Existenzgründerseminars begrüßt er sehr.

    "Es kann aber nicht Sinn einer Hochschule sein oder einer Ausbildung, dass das bereits kommerzialisiert ist, also dass es sehr früh einsetzt. Ich meine, wir müssen den jungen Leuten hier einen Freiraum geben, ihre Arbeit zu entfalten ohne den Druck des Marktes. Also es ist eine zweischneidige Geschichte."

    Internetadresse der Hochschule für Grafik und Buchkunst: www.hgb-leipzig.de