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Kunst für alle

Die revitalisierten Fabriken sind ein Gewinn für den Underdog Praga. Doch die lokale Bevölkerung bleibt bei diesen Leuchtturmprojekten meist außen vor. Die Macher von "Wypieki Kultury" wollen offener sein.

Von Adalbert Siniawski | 01.04.2013
    Tomasz Purchala: "Die Kulturfabrik ist sicherlich eine Art Vorbild für uns, aber leider viel zu abgeschottet. Wir dagegen wollen ein offenes Angebot schaffen. Sicher, auch wir müssen damit Geld verdienen. Aber wir wollen der lokalen Bevölkerung gut gemachte Kunst näher bringen und eine Alternative zum Fernsehen bieten."

    Agnieszka Gniotek: "Uns liegen die Nachbarn am Herzen. Wir wollen in Zukunft zusammen mit der Bezirksregierung Workshops für Jugendliche und Alte organisieren. Fotografie, Zeichnen, Gestalten."

    Sagen die Kunstkritikerin und Kuratorin Agnieszka Gniotek und Architekt Tomasz Purchala. Sie hat eine Zeit lang die Kunstgalerie in der "Fabryka Trzciny" geleitet. Er ist seit zwei Jahren Besitzer einer ausgedienten Bäckerei. In den mehr als 100 Jahre alten Mauern wurden bis zuletzt Brote für halb Praga gebacken. Die neue Kulturbäckerei, "Wypieki Kultury", die er zusammen mit Gniotek betreibt, ist das neueste Revitalisierungsprojekt im Viertel. Die zwei kleinen Schornsteine aus Ziegelstein und die gusseisernen Backöfen sind wieder in Schuss. Der Architekturliebhaber hat sein Schätzchen sukzessive und nur aus eigenen Mitteln auf Vordermann gebracht - obendrein zahlt er noch Miete an die Stadt.

    "Ich muss verrückt sein, so etwas zu stemmen, mit eigenem Geld. Aber vielleicht hat diese Verrücktheit ja Methode."

    Modeschauen, Konzerte, Kunstausstellungen, Kabarett und Theater gab es hier schon. Nun eröffnet eine ständige, wohnzimmergroße Galerie, in der Kuratorin Gniotek vor allem junge Leute für Streetart, Comics, Design, Architektur und Illustration begeistern will.

    Was denkt sie, kann die Kultur Praga tatsächlich auf die Beine helfen?

    "Praga muss sich selbstbestimmt verändern - und bloß nicht auf einen Schlag. Wir möchten dem Viertel nichts aufzwängen, wir wollen eine Partnerschaft eingehen und ein Angebot machen in der Hoffnung, dass es angenommen wird. Keinen superehrenamtlichen Aktionismus, keine geheuchelten Heilsversprechen. Wir wollen Praga nicht umkrempeln, sondern hier gut funktionieren - nicht ohne Bezug zu den Menschen, und schon gar nicht gegen sie."

    Tomasz Purchala: "Die Kultur findet hier einen Raum, weil die lokale Bevölkerung aufgeschlossen ist dafür. Kultur eröffnet Möglichkeiten und Chancen. Außerdem regt dieser Ort zum Nachdenken an und ist eine große Inspiration."