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Kunst in alten Regalwänden präsentiert

Ein nicht offizieller Ausstellungsort für junge Künstler will das Autocenter Berlin sein, ein "Off Space". Nach zehn Jahren ist es nun in eine ehemalige Bibliothek in Berlin-Mitte umgezogen - und will weiterhin ohne staatliche Mittel und große Spenden auskommen. Es hat sich mittlerweile als inoffizielle Kunsthalle Berlins etabliert.

Von Carsten Probst | 16.03.2013
    Noch immer gilt das Autocenter als Off Space der Kunst in Berlin, noch immer heißt es, die Ausstellungen seien von Künstlern für Künstler gemacht, ohne den pädagogischen Eingriff eines Kurators. Noch immer wendet man sich vorrangig an ein Fachpublikum, aber dieses Fachpublikum wird stetig größer.

    Der Andrang bei der Eröffnungsausstellung am Freitag war so groß, dass man die Kunst vor lauter Menschenmassen kaum mehr zu Gesicht bekam. Der Umzug nach Berlin-Mitte, auch wenn es nicht die schicke Mitte ist, offenbart, was die Spatzen schon seit Längerem von den Dächern pfeifen: Das Autocenter ist dabei, sich unentbehrlich zu machen für die junge Berliner Kunstszene. Und es bringt alle Voraussetzungen mit, die auch eine Berliner Kunsthalle erfüllen müsste, mit dem kleinen, aber angenehmen Unterschied, dass man auf die gnädige Geburtshilfe der Berliner Politik verzichten kann.

    Maik Schierloh und Joep van Liefland, die beiden Autocenter-Köpfe, betonen mittlerweile fast gebetsmühlenartig, dass sie bei ihrem Stil bleiben und sich nicht von Geldgebern abhängig machen lassen wollen – und dass sie auch keinen Förderverein mit hohen Mitgliedsbeiträgen brauchen, wie es beim letzten Gallery Weekend in Berlin als Vorschlag betuchter Investoren angeblich die Runde machte. Tatsache ist, dass die Neugier auf den Ort und auf unentdeckte Künstler auch bei internationalen Sammlern wächst und damit die Gefahr, das Biotop zur Institution verkommen zu lassen.

    Schierloh und Liefland wissen: Programm und Netzwerk des Autocenters sind ein seltenes Gut im Berliner Kunstbetrieb, das verteidigt werden muss. In hoher Frequenz, mit jeweils drei- bis vierwöchiger Laufzeit, zeigen sie aufopfernd betreute Einzel- oder Themenausstellungen zumeist junger Künstlerinnen und Künstler und haben ihnen, anders als die meisten anderen Off Spaces, tatsächlich ein Publikum zu bieten.

    Begonnen hat alles – nomen est omen – in einer ehemaligen Garage, wo Schierloh und van Liefland der Legende nach zunächst vor allem für die Freunde aus ihrer damaligen Ateliergemeinschaft präsentieren wollten. Der ungebrochene Zuzug frischer Absolventen von Kunsthochschulen aus ganz Deutschland nach Berlin einerseits und der chronische Berliner Mangel an Ausstellungsorten für junge Kunst andererseits ließen das informelle Netzwerk dann schnell anwachsen.

    Seither wurden ungefähr 700 verschiedene Positionen gezeigt, darunter finden sich Namen wie Cyprien Gaillard, Katharina Große, Eberhard Havekost, Elke Krystufek, Jonathan Meese oder Olaf und Carsten Nicolai, aber auch viele noch weniger bekannte, hochveranlagte Positionen wie Astali Peirce, Franziska Hünig, Marit Neeb oder Jeroen Jacobs.

    Allein für die Neueröffnung an der Leipziger Straße haben 159 Künstlerinnen und Künstler ihre Arbeiten aus allen Genres abgegeben, von Skulptur, Malerei und Grafik bis zu Videoarbeiten, Installationen und Performances – und dies, obwohl die Präsentationsbedingungen an dem neuen Ort derzeit noch eher gewöhnungsbedürftig sind.

    Denn die neue Heimat des Autocenters ist eine ehemalige Bibliothek. Und Schierloh und van Liefland haben die alten Regalwände in den hohen Räumen noch belassen und die meisten Arbeiten dort mehr oder weniger hineingezwängt. Mit einer Liste in der Hand kann man sie ablaufen und die kleinen, handgeschriebenen Nummern auf den Etiketten mit der Listenreihenfolge abgleichen. Das betont Unfeierliche, bei dem auch schon mal Kunst zu Bruch geht, ist Programm, inzwischen durchaus auch Kontrastprogramm zu den hochtrabenden Pläne des Regierenden Bürgermeisters für eine offizielle Berliner Kunsthalle mit 30-Millionen-Etat und Immobilie in Toplage.

    Die Autocenter-Macher hätten nach eigenem Bekunden gar nicht dagegen einzuwenden, als die eigentliche Berliner Kunsthalle zu gelten. Manches spricht dafür, dass sie es de facto schon sind, obwohl oder gerade weil man Off Space bleiben will und nach wie vor Wert legt auf Eigenfinanzierung.

    Wie die genau aussieht und wie hoch der Etat ist, darüber kann allenfalls spekuliert werden, Kunstverkäufe tätigt das Autocenter jedenfalls nicht. Bislang ist es immer noch gut gegangen.