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Kunst in Krisenzeiten

Auf der Fiac-Messe in Paris geben sich die renommiertesten Galerien die Klinke in die Hand. Zu sehen sind unter anderem Gemälde von Francis Bacon, Picasso und Mondrian sowie Skulpturen von Alexander Calder.

Von Kathrin Hondl |
    Menschenschlangen vor einem Messestand - so etwas sieht man selten auf Kunstmessen. Es war allerdings auch kein gewöhnlicher Messestand, vor dem die Fiac-Besucher da im Grand Palais geduldig auf Einlass warteten. Eher schon ein kleines Museum: Zehn renommierte Galerien - von Beyeler aus Basel über die Pariser Galerie Malingue bis zu Gagosian aus New York zeigten in einer gemeinsamen Präsentation nur das Feinste vom Feinen. Unter dem Titel "The modern Project" gab es da Skulpturen von Brancusi oder Alexander Calder und erstklassige Gemälde von Picasso, Mondrian oder Francis Bacon zu sehen und natürlich auch käuflich zu erwerben.

    "Es gab einige sehr seriöse Gespräche hinter verschlossenen Türen im Hinblick auf eventuelle Verkäufe",

    weiß Jennifer Flay, die künstlerische Leiterin der Fiac. Ob die millionenschweren Kunstwerke bis zum Ende der Messe heute Abend tatsächlich Käufer gefunden haben werden, ist also ungewiss. Bemerkenswert ist aber, dass Paris für die internationalen Protagonisten des Kunstgeschäfts wieder ein vielversprechender Handelsort geworden ist.

    Die New Yorker Gagosian Gallery, Stammgast auf der Art Basel, ist dieses Jahr zum ersten Mal auf der Fiac vertreten und plant angeblich sogar, demnächst in Paris eine Filiale zu eröffnen. Aber nicht nur etablierte Kunstmarktgiganten wie Gagosian haben Paris für sich entdeckt. Auch immer mehr junge Galerien für zeitgenössische Kunst leisten sich die Fiac, obwohl die Pariser Messe mit Mietpreisen von bis 440 Euro pro Quadratmeter mittlerweile teurer ist als die Art Basel. Allein 20 Galerien aus Deutschland waren diesmal vertreten - so viele wie aus keinem anderen Land außer Frankreich. Der Kölner Galerist Michael Wiesehöfer hatte 2008 zum ersten Mal einen Stand auf der Fiac:

    "Das hat damit zu tun, dass die FIAC sich in den letzten vier, fünf, sechs Jahren, das heißt seitdem Jennifer Flay hier die Leitung übernommen hat, sehr positiv entwickelt hat und die Teilnehmerliste von Jahr zu Jahr auch interessanter wurde. Und Paris hat natürlich auch den Vorteil, dass hier wirklich im Verhältnis zu vielen anderen Messen viele internationale Sammler und Museumskuratoren erscheinen, weil diese Stadt mit allen Angeboten einfach so attraktiv ist."

    Auf der Fiac hat Michael Wiesehöfer diesmal eine Installation des kubanischen Künstlers Diango Hernandez gezeigt. Doch vor allem die französischen Kunstsammler sind noch etwas zurückhaltend gegenüber der Galerie aus Köln:

    "Es ist hier sicherlich so wie in vielen anderen Ländern auch, dass ausländische Galerien zu Anfang interessiert beobachtet werden, aber die Verkäufe schleppend beginnen. Das war letztes Jahr so. Dieses Jahr haben wir eine schöne Arbeit schon verkauft, interessanterweise an einen New Yorker Sammler. Es gibt hier in Paris von dem Diango Hernandez, den wir hier auf dieser Solopräsentation zeigen zwei, drei wichtige Privatsammlungen, die hier auch diverse Male schon erschienen sind und Interesse bekundet haben, aber eben nicht sich schon entschieden haben, ob sie jetzt hier was erwerben möchten. Man muss da einen längeren Atem haben."

    Dass Sammler sich fürs Kunstkaufen heute mehr Zeit lassen als in Vorkrisezeiten, beobachtet auch Moritz Willborn von der Karlsruher Galerie Iris Kadel, die in diesem Herbst vor der Fiac schon auf der Londoner Kunstmesse Frieze ausgestellt hat.

    "Was die Krise mit Sicherheit mit sich gebracht hat, ist, dass der Kunstmarkt langsamer gerade geworden ist, aber sicher auch konzentrierter. Also unterm Strich muss man sagen, hat es sicher auch viele positive Nebeneffekte, dass man einfach nicht mehr diese Schnelligkeit im Sinne von Vergänglichkeit hat, sondern dass man wieder intensivere Gespräche mit den Sammlern führt, dass auf den Messen Galerien auch wieder wirklich gute Arbeiten zeigen. Also insofern kann man sagen, ist es natürlich schwieriger geworden, aber auch ernsthafter."

    Vielleicht ist es auch diese Entdeckung der Langsamkeit in Krisenzeiten, die dazu geführt hat, dass das lange als angestaubt geltende Paris nun wieder ganz vorne mitspielt im Kunstbetrieb. Und: Französische Kunstsammler sind krisenresistenter, meint die FIAC-Leiterin Jennifer Flay.

    "Da gibt es zum Beispiel Anwälte, Ärzte oder bourgeoise Familien, die schon seit Generationen Kunst sammeln. Und diese sehr vielfältige Kundschaft hat den Kunstmarkt in Frankreich besser vor den Folgen der Krise geschützt als etwa in Großbritannien oder den USA. Denn dort waren vor allem Leute, die im Finanzbusiness arbeiten, der Motor des Kunstmarktes."

    Paris, die Kunsthauptstadt in Krisenzeiten also - die Künstlerhauptstadt aber, das ist wohl weiterhin Berlin: Gestern wurde auf der Fiac der Marcel Duchamp Preis vergeben - Frankreichs wichtigster Kunstpreis. Preisträger ist der Franzose Saadane Afif, er lebt und arbeitet - wie drei der vier nominierten französischen Künstler - in Berlin.