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Kunst ohne Birne?

Seit 130 Jahren schenkt sie uns ihr warmes Licht. Und angesichts ihrer kulturellen Bedeutung ist die Trauer über den Verlust der Glühbirne groß. Manche Museumschefs geraten durch die Abschaffung der Glühbirne sogar in eine missliche Lage.

Von Claudia Hennen | 31.08.2009
    Die Barock-Abteilung des Kölner Wallraf-Richartz-Museums bewahrt über dreihundert Jahre alte Meisterwerke, zum Beispiel Jusepe de Riberas Darstellung des Paulus. Das Gemälde zeigt den Heiligen vor einem scheinbar schwarzen Hintergrund. Museumsdirektor Andreas Blühm steht vor dem berühmten Bild und erinnert sich noch gut an den erstaunlichen Effekt, den Halogen-Glühlampen bei der Ausleuchtung dieses Werkes auslösten.

    "Auf einmal kamen Details zum Vorschein. Die Restauratoren sagten: Nanu, man sieht ja die alten Retuschen viel besser und ein Kurator, der das Bild seit zwanzig Jahren kannte, sah auf einmal ein Kruzifix links im Gebüsch. Das war ihm vorher nie aufgefallen! Das ist durch die Tatsache, dass wir das gesamte Lichtspektrum auf das Bild werfen, da sieht man alle Details und alle Farben. Und bei Neonröhren, Sparlampen, kann es sein, dass bestimmte Details verschwinden. Der Gesamteindruck wirkt matt, die Tiefe verschwindet, die Binnenzeichnung ist weg – und jetzt bei gutem Licht sieht man eben alles. Wie beim Tageslicht."

    Nur Halogen-Glühlampen erzeugen jenes künstliche Tageslicht, das die wertvollen Exponate im Wallraf-Richartz-Museum benötigen. Aber ab 2016, so will es die EU, sollen sie nicht mehr hergestellt werden. Der Museumsdirektor blickt besorgt in die Zukunft und hofft, dass er nicht eines Tages die Lampen illegal aus dem Ausland schmuggeln muss. Unlängst forderte er, die Glühbirne zum Weltkulturerbe zu erklären.

    Im Kölner Museum Ludwig ist zeitgenössische Kunst ganz unmittelbar vom Glühbirnen-Verbot bedroht. Kuratorin Barbara Engelbach führt uns zu Ilja Kabakows Installation "Das unaufgehängte Bild". In einem dunklen Raum steht eine Leiter, an der Wand lehnt ein Bild und von der Decke strahlen zwei 60-Watt-Glühfadenlampen. Für den russischen Dissidenten Kabakow symbolisiert die Glühbirne die zum Scheitern verurteilte sowjetische Ideologie

    "Wir Kunsthistoriker sprechen von Materialikonografie. Unmöglich kann man diese Glühbirne ersetzen durch eine Sparlampe. Das wäre im Grunde genommen so wie in der Ikonografie der Malerei, wo klar fest gelegt ist, dass der Mantel der Maria blau ist, und als wenn man das jetzt einfach ummalen würde."

    Auch das jüngste performative Projekt des deutschen Bildhauers Stephan Huber wäre ohne die traditionellen Glühbirnen nicht denkbar: Ein Mann trägt nachts zwei Kronleuchter durch verlassene Randgebiete einer Stadt. Die Lichtqualität spiele dabei eine entscheidende Rolle:
    "Da ist es unheimlich wichtig, dass dieses warme Licht da ist. Das kalte Licht ist für mich das Hauptproblem bei den Energiesparlampen. Und dieses warme Licht der Kronleuchter ist eine Metapher für das Interieur des 19. Jahrhunderts."

    Unterdessen haben machen sich Kunstliebhaber aus allen Teilen der Republik noch ganz andere Sorgen. So wie Markus Zimmermann. Der Autor von Kunstbüchern ist sehbehindert und auf gute Lichtquellen angewiesen. Bei Energiesparlampen beobachtet er:
    "Dass die Farben verwischen. Das heißt zum Beispiel Blau- und Grüntöne verwischen. In größeren Räumen - zum Beispiel in Kirchen - geraten alle Altarbilder in diffuses Graubraun."

    Für die nächsten Jahrzehnte haben sich viele Museen mit Glühbirnen eingedeckt. Aber was ist in hundert oder zweihundert Jahren? Barbara Engelbach vom Museum Ludwig weiß keine Antwort auf diese Frage. Sie hofft auf ein Revival von Edisons Birne, ähnlich wie etwa die Schallplatte, die mittlerweile unverzichtbarer Bestandteil der Kulturgeschichte sei.

    "So ist meine wilde Hoffnung, dass man die Glühbirnen wieder herstellen wird, nur anders betrieben. Aber sie merken an meinen wolkigen Formulierungen, dass das eine Hoffnung ist, die sich noch nicht verifizieren lässt. Sodass wir mit unserem Vorrat die Installation zwischendurch auch mal wieder abbauen werden, um sie gezielt zu zeigen, wenn wir sie wirklich brauchen."