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Kunst-Reformschule
Ausstellung über Black Mountain

Das Kunst-College Black Mountain in North Carolina war eine Reformschule, gegründet von John Andrew Rice. Berühmte Maler, Architekten, Choreografen, Musiker der Moderne lehrten in dieser Schule, die nicht Ausbildung, sondern Menschen-Bildung zum Ziel hatte. Aus Geldmangel wurde sie 1957 geschlossen. Das Berliner Museum für Gegenwart widmet ihr nun eine Ausstellung.

Von Carsten Probst | 06.06.2015
    In den Zeitungsartikeln aus den 30er-Jahren lässt sich bis heute die unerhörte Euphorie spüren, die die Gründung des Black Mountain College begleitete. Sein Gründer John Andrew Rice ließ es an Pathos und Sendungsbewusstsein nicht fehlen: "Einem Instinkt folgend, zogen wir auf einen Berg, um dort unser lebendes Opfer zu bringen. Wir würden siegen oder sterben", wird Rice zitiert, den man zu den großen visionären Figuren der amerikanischen Moderne zählen muss.
    Rice war schon vorher bei seinen Schülern als brillanter und charismatischer Lehrer bekannt und verfolgte reformerische Ansätze, die auf die "emotionale und intellektuelle Reife" seiner Schüler zielte. Stumpfe Paukerei von abrufbarem Wissen lehnte er ab und überwarf sich schließlich mit der Führung des Rollins College in Florida, der letzten konventionellen Institution, an dem er lehrte.
    "Methoden zu lehren, nicht Inhalte"
    Sein Rauswurf dort war zugleich die Geburtsstunde des Black Mountain College, mit privaten Spenden, zwölf Lehrern und 22 Studenten in einer angemieteten Halle nahe Asheville, North Carolina. Es gehe darum, sagte Rice, "Methoden zu lehren, nicht Inhalte. Den Prozess gegenüber den Ereignissen zu betonen; die Anwendung des Wissens ist wichtiger als die Fakten selbst."
    Ein kurzer Seitenblick über den großen Teich nach Europa, und man kann nur staunen über die vielen Überscheidungen mit den Lehrprogrammen der Schulen der modernen Avantgarde: des Bauhauses und seiner verschiedenen Vorläufer, aber auch der Lehren von Arts and Craft, de Stijl oder den WchuTEMAS in der frühen Sowjetunion. Zumindest über das Schicksal des Bauhauses mussten Rice und seine Mitstreiter bestens orientiert sein, nicht zuletzt über Philip Johnson, den Schüler Mies van der Rohes - denn kurz nach der endgültigen Schließung des Bauhauses 1933 trug Rice gezielt Joseph und Anni Albers eine Beschäftigung am Black Mountain College an.
    In den folgenden 16 Jahren als Lehrer erlebten Joseph und Anni Albers eine beispiellose Entwicklung dieses interdisziplinären Instituts, in dem tatsächlich viele Lehrbestände der europäischen Avantgarde ein neues Zuhause fanden. Musik, Tanz, Literatur, Architektur, Design, Kunst, Natur- und Geisteswissenschaften verschränkten sich in scheinbar zwangloser wechselseitiger Ergänzung und Erfahrung.
    Die Prominenz der Lehrer und Schüler hat den Namen Black Mountain zur Legende werden lassen: Genannt seien neben Albers nur Walter Gropius, Buckminster Fuller, Albert Einstein, John Cage, Merce Cunningham, Erwin Panofsky, Cy Twombly, Robert Rauschenberg oder Willem de Kooning. Auch wenn das College 1957 aus Geldmangel schließen musste, gehört es zu den großen innovativen und nach wie vor wirksamen Energiezentren der Nachkriegsmoderne.
    Ausstellungsprojekt mit Herausforderung
    Damit beginnt nun zugleich die Herausforderung an dieses Ausstellungsprojekt. Man kann die beiden Kooperationspartner, die Freie Universität Berlin und das Museum Hamburger Bahnhof, natürlich nicht genug dafür loben, dass sie dieses Projekt realisieren. Black Mountain, das darf man ruhig so feststellen, war in Deutschland außerhalb von Fachkreisen bislang kaum ein Begriff, allemal im Vergleich zum Bauhaus.
    Es ging bei dieser Ausstellung also erst einmal um elementare Wissensvermittlung. Am Ende ist daraus eine Vitrinen- und Stellwandausstellung mit gehobener Ausstattung geworden, die in der langen, repräsentativen Ostgalerie des Hamburger Bahnhofs mehr also nur einen Tick zu sauber, zu sortiert und zu elegant erscheint. Es ist eine historische Ausstellung. Aber was vollständig fehlt, ist die Aktualisierung. Gerade im Bereich künstlerischer Forschung sollten Beziehungen mit den Black-Mountain-Prinzipien eigentlich problemlos zu finden sein. Und auch im historischen Bereich bleibt die bloße Dokumentation der Black Mountain-Geschichte viele Verweise schuldig. Denn das Phänomen Black Mountain lässt sich nicht erklären ohne die Entwicklung der Nachkriegsmoderne in Europa ebenfalls in den Blick zu nehmen.
    Black Mountain wurde ja selbst Opfer des Kalten Krieges, weil das Personal in der McCarthy-Ära unter Kommunismusverdacht stand, weshalb sich viele Geldgeber abwandten. Wie man weiß, wurden auch in Europa, in Deutschland zumal, die alten Ost-West-Beziehungen der modernen Avantgarde gekappt. Erst allmählich sind diese internationalen Netzwerke heute wiederzuentdecken, durch Forschung und Aktualisierung. Schade, dass dieses Projekt trotz aller studentischen Begleitprogramme so vergleichsweise wenig daraus macht.