Archiv


Kunst statt Kanonen

Der Palazzo Barberini in Rom gehört zu den bedeutendsten Renaissance-Bauten der ewigen Stadt. Vor allem das sich in den Himmel schraubende Treppenhaus Francesco Borrominis ist weltberühmt. Im Hause befindet sich das Museum für Alte Kunst: Kostbare Hauptwerke von Caravaggio über Cranach bis Canova, von Tintoretto über Murillo und Tizian bis zu Rubens. Den Museumsleuten und -besuchern ein Ärgernis aber war bisher, dass ein Teil des Hauses sich fest in den Händen des italienischen Militärs befand, nicht aus ästhetischen sondern gastronomischen Motiven. Man feierte - seit Mussolinis Zeiten - dort so gern. Nun konnten sich Kriegs- und Kunst-Ressort darauf einigen, dass der Palazzo Barberini künftig ganz als Nationalmuseum der Künste dienen möge.

Von Thomas Migge |
    "Endlich können wir den Italienern einmal eine positive Nachricht geben. Der Staat, also wir alle, können nun wieder frei über diesen Palast verfügen. Da ist niemand mehr, der einen Teil des Gebäudes für sich beansprucht. Das heißt, dass wir jetzt wieder alle seine Schätze ausstellen können."

    Italiens Kulturminister Francesco Rutelli übergab heute der italienischen Öffentlichkeit acht neue und grandiose Säle des römischen Palazzo Barberini, in dem die Nationalgalerie für alte Kunst untergebracht ist. Acht mit Fresken geschmückte Säle, die jetzt unbestrittene Meisterwerke der Kunst aus Renaissance und Manierismus zeigen. Darunter die berühmte "Fornarina" von Raffael, das monumentale "Porträt Heinrich VIII" von Holbein, Gemälde von Lorenzo Lotto, Piero di Cosimo, Palma il Giovane und vielen anderen. Kunstwerke, die bisher nicht gezeigt werden konnten, weil die acht Säle zu jenem Teil des barocken Palazzo Barberini gehörten, der vom Club des italienischen Heeres okkupiert worden war. Dieser Club residierte seit 1934 in einem Teil des Palazzo Barberini, veranstaltete dort Hochzeiten, Feste, Preisverleihungen. Eine eigene Küche verpestete im ganzen Gebäude - auch dort, wo die Nationalgalerie nur einen kleinen Teil ihrer Schätze ausstellt - die Luft. Es roch nach Suppen und Soßen.
    Der Mietvertrag des italienischen Heeres lief 1953 aus, aber das Militär räumte den Palazzo nicht. Verschiedene Kulturminister versuchten vergeblich, die Soldaten davonzujagen. Erst unter der neuen Mitte-Links-Regierung von Romano Prodi konnten sich das Verteidigungs- und das Kulturministerium auf die Räumung des Palazzo Baberini einigen, erklärt Anna Lo Bianco, Direktorin der Nationalgalerie für alte Kunst im Palazzo Barberini:

    "Was dann geschehen ist, muss als ein wichtiger Schritt bezeichnet werden, denn stellen Sie sich vor: Rom hat bis jetzt keine Nationalgalerie wie Berlin, London oder Paris. Wir hatten nur den halben Palazzo Barberini. In der anderen Hälfte residierte der Militär-Club. 80 Prozent unserer Kunstwerke, darunter Meisterwerke der europäischen Malerei, lagern seit Jahrzehnten in Depots, weil wir sie nicht ausstellen können, denn uns fehlte ja der Platz. Und das, obwohl hier im Palazzo die Nationalgalerie ihren Sitz hat."

    In den nächsten zwei Jahren sollen sämtliche Säle, Korridore und Räume, die bis noch vor kurzen für Festivitäten aller Art genutzt und auch vermietete wurden, komplett restauriert werden. Dann endlich, so Anno Lo Bianco, wird auch Italiens Hauptstadt endlich eine echte Nationalgalerie für alte Kunst besitzen:

    "In unseren Depots lagern tausende von Gemälden. Wir besitzen ja die Sammlungen ganzer Fürstenfamilien wie der Corsini, der Chigi und der Torlonia. Die acht Säle, die wir jetzt in der ersten Etage eröffnen, es handelt sich um die Fürstenräume der Barberini, sind der erste entscheidende Schritt zu einem großen Museum für Kunst. In den nächsten Jahren werden noch einmal rund 2.700 qm Ausstellungsfläche hinzukommen."

    Sämtliche Gemälde, die jetzt endlich wieder zu sehen sind, wurden aufwendig gereinigt. Darunter auch ein herrliches Altarbild von Maarten Van Heemskerck, das die Kreuzesabnahme zum Thema hat. Erst durch diese Reinigung wurden die kalligraphischen Feinheiten und die Intensität der Farben dieses flämischen Meisters deutlich. Die "Maria Magdalena" von Piero di Cosimo musste in monatelanger Arbeit von einer gelblichen Schicht befreit werden, die die elegante Farbkomposition des Bildes unter sich verbarg. Dass schon Andrea del Sarto die kräftigen Farben des frühen Florentiner Manierismus nutzte - die später von Michelangelo für seine Gestaltung der Sixtinischen Kapelle übernommen wurden - machte erst die Reinigung des Bildes "Die heilige Familie" deutlich.

    Direktorin Anno Lo Bianco ist davon überzeugt, dass der Palazzo Barberini jetzt, nach der Räumung des Militär-Clubs, zu einem der wichtigsten Museen Italiens, wenn nicht Europas wird:

    "Die wahre Bestimmung dieses Gebäudes ist es, Museum seiner selbst zu sein. Der Palazzo Barberini ist eines der ganz wichtigen Meisterwerke des römischen Barock. Er wurde von Maderno, Borromini und Bernini entworfen. Schon das Gebäude, ohne die Gemälde, lohnt einen Besuch. Nehmen Sie nur das riesige Deckengemälde von Piero da Cortona im Thronsaal. Wir besitzen eine Sammlung, die in ihrem kunsthistorischen Wert den Uffizien und dem Louvre in nichts nachsteht. Nur konnte man sie bisher nicht komplett sehen."