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Kunst und Christentum
Die Ausstellung "The Problem of God" in Düsseldorf

Welche Rolle spielt die christliche Bildtradition in der zeitgenössischen Kunst? Finden Themen des Glaubens in der Kunst statt – ganz unabhängig vom Glaubensbekenntnis der Künstler? Darum geht es in der Ausstellung "The Problem of God", die seit Ende September im Düsseldorfer K 21 zu sehen ist.

Von Susanne Luerweg | 09.10.2015
    Die Skulptur "Lost III" der Künstlerin Berlinde De Bruyckere ist am 24.09.2015 im Ständehaus in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) zu sehen. Die Ausstellung (26.9.-24.01.) beschäftigt sich mit der christlichen Bildsprache in den Werken bedeutender zeitgenössischer Künstler. Foto: Bernd Thissen/dpa
    Die Skulptur "Lost III" der Künstlerin Berlinde De Bruyckere ist am 24.09.2015 im "K21 Ständehaus" in Düsseldorf (Nordrhein-Westfalen) zu sehen. (picture alliance / dpa / Bernd Thissen)
    Eine große Kirchenglocke weist den Weg in die Ausstellung "The Problem of God". Sie schwingt jede Stunde eindrucksvoll durch den Raum, läutet aber nicht, denn der belgische Künstler Kris Martin hat den Klöppel entfernt. Isabelle Malz, Kuratorin der Ausstellung:
    "Die Funktion ist ja, die christliche Botschaft zu übertragen mit der Glocke. Das ist jetzt herausgelöst. Nichtsdestotrotz wird es als Symbol verstanden, wenn der religiös-theologische Bezug auch entzogen ist. Und das ist genau das Stichwort für die Ausstellung."
    Auf 2.000 Quadratmetern, die sich über mehrere Ebenen erstrecken, sind Werke von 33 Künstlern aus aller Welt zu sehen, die sich mit dem Thema "Religion und Kunst" auseinandersetzen. Ein Thema, das zunehmend an Bedeutung gewinnt, so Museumsdirektorin Marion Ackermann:
    "Es war evident, dass es ein Thema ist, was auch zurückgekehrt ist, was die zeitgenössischen Künstler in allen Ländern beschäftigt."
    So auch den tschechischen Künstler Pavel Büchler, dessen Arbeit der Ausstellung den Titel gibt. Zu sehen ist ein aufgeschlagenes Buch. Es hat den Titel "The Problem of God", also "Gottes Problem". Zwischen den Seiten spiegelt eine Lupe ein Wort wider: und zwar "invisible" – also unsichtbar. Unsichtbarkeit also als Problem Gottes?
    "Der Künstler sagt damit aus, dass das 'Problem of God' jenseits des Materiellen, des Fassbaren liegt. Und das war ja eigentlich immer schon ein Thema. Der Künstler setzt es in seiner ganzen Ambivalenz ein. Im Englischen ist eben 'Problem of God' in beide Richtungen zu lesen. Es könnte das Problem der Menschen mit Gott oder das Problem Gottes mit den Menschen sein. Es ist sozusagen komplett in der Schwebe.
    Die Ausstellung ist keine Schau sakraler Kunst, sondern eine Bestandsaufnahme des Verhältnisses von Kirche und Kunst in der Gegenwart.
    "Hier hat man ja eher so eine Tradition, dass die Künstler und die Intellektuellen die Distanz oft gesucht haben zur Kirche, speziell zur katholischen Kirche. In anderen Ländern, speziell Polen ist das ganz anders, auch in der jungen zeitgenössischen Kunst. Erst recht ist es anders in Afrika oder Südamerika, wo es durch so wieder erstarkende Glaubensgemeinden – dazu gehören Pfingstgemeinden – eine ganz andere Verbindung von Intellektualität, Politik, Kunst und Religion gibt."
    Wie vielfältig die Auseinandersetzung mit Religion in der zeitgenössischen Kunst ist, zeigen unter anderem die Videoinstallationen von Francis Alys: Er geht über mehrere Tage einen Passionsweg in seinem Studio nach. Oder Katarzyna Kozyras "Looking for Jesus": eine Videoinstallation, in der die Künstlerin Menschen in Jerusalem trifft, die sich für den Messias halten. Ein großes Thema vieler Werke ist der Körper, der leidende Körper.
    "Das ist auch am einfachsten zu fassen. Aus der Sammlung von Nitsch sehen Sie den Passionsfries neben den aktuellen Fotos Boris Mikhailov, der Menschen in prekären Situationen, in den Posen der Pieta, in religiösen Posen fotografiert und der dabei auch verweist auf das menschliche Leid, es aber auch transzendiert."
    Den roten Faden der Ausstellung bildet allerdings Aby Warburgs Arbeit, die in Form von zehn Tafeln im zweiten Stock hängt. Der Titel: "Mnemosyne Atlas". Dazu Kuratorin Isabelle Malz.
    "Die letzten beiden Tafeln - da sind nicht nur Prozessionen abgebildet, sondern er wird politisch, es geht um das Konkordat, das die katholische Kirche mit Mussolini schließt."
    Die gesellschaftlich-politische Relevanz der Arbeiten ist Malz wichtig.
    "Wie Berlinde De Bruyckere mit diesen beiden Schmerzensmännern, die geschlechtlosen, kopflosen Leiber, die herabhängen, wo sie sagt, dass sie den ganzen Horror der Kriege, der Epidemien, der Flüchtlinge einfängt in dem Bild des Schmerzensmanns."
    Monatelang hat Isabelle Malz für die Ausstellung recherchiert, im Dialog mit der Kirche, aber völlig autonom. Über Jahrhunderte hinweg sei es der Kirche gelungen, so Malz, sich die Macht der Bilder zu Eigen zu machen und ihre Wirkungskraft zu nutzen. Deshalb oder trotzdem sei die christliche Bildsprache, die Ikonografie, Teil unseres kollektiven Gedächtnisses. Die Auseinandersetzung mit dem Gegenstand sei so vielfältig, dass Isabelle Malz eines schnell entschieden hat: Sie will keine Arbeiten ausstellen, die sich rein illustrativ am Thema "Religion und Kunst" abarbeiten.
    "Manche einfach nur platt blasphemisch angelegten Arbeiten interessierten mich einfach nicht. Ich muss jetzt nichts vermeiden."
    Das Jubiläum zum Zweiten Vatikanischen Konzil vor 50 Jahren feiert unter anderem die Öffnung der katholischen Kirche gegenüber der Gesellschaft, auch der Kunst. Walter Zahner ist Kurator des Kunstprojekts zum Konzilsjubiläum.
    "Für uns ist das Ergebnis jetzt eine sehr spannende Angelegenheit, weil es sehr viele Anknüpfungs- und Andockpunkte für den Austausch, für das Gespräch, für richtige Diskussionen an der Sache gibt. Weil zeitgenössische Kunst ja in der Regel die Menschen nicht einfach in Ruhe lässt, sondern anregt. Und diese Anregung wollen wir gerne aufnehmen."
    Bei aller gebotenen Distanz zwischen zeitgenössischer Kunst und Religion sind sich diese beiden offenen Systeme, wie Zahner sie nennt, doch ähnlicher als auf den ersten Blick gedacht. Denn beide machen Angebote – allerdings in jeweils anderer Form.
    "Und in diesem Feld können Kunst und Religion sehr schnell zueinander kommen, weil sie beide mit ähnlichen Fragen sich auseinandersetzten, mit vollkommen verschiedenen Ansatzpunkten und vollkommen verschiedenen Sprachen. Und da kann man ja versuchen zu fragen: Gibt es nicht so was wie die Möglichkeit der Übersetzung? Es geht nicht um Annäherung und Angleichung, sondern es geht darum, dass beide Systeme Antwortversuche starten und da auch ein Austausch stattfinden kann."
    "The Problem of God" ist eine spannende Ausstellung, mit vielen Angeboten. Das macht es dem Besucher nicht immer ganz leicht. Für die Fülle der gezeigten Arbeiten lohnt es sich, Zeit mitzubringen. Wer möchte, kann nicht nur einen langen, prozessionsartigen Weg durchs Haus zurücklegen, sondern auch viele Referenzen dechiffrieren.
    Die Ausstellung "The Problem of God" ist noch bis zum 24. Januar in der Kunstsammlung NRW, im K 21, zu sehen.